Gegenstand und Methode
der marxistisch-leninistischen
politischen Ökonomie

5.
Die Produktionsweise.
Das Wechselverhältnis von Produktivkräften
und Produktionsverhältnissen

Im Vorwort zu seinem Werk „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ hat Marx auf klassische Weise das Verhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen umrissen, das die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft so grundlegend bestimmt.54 Es ist ein außerordentlich aktives Wechselverhältnis, in dem die Produktivkräfte das revolutionierende, vorwärtstreibende Element sind und die Produktionsverhältnisse die Form, den Rahmen abgeben, in dem sich die Produktivkräfte bewegen und entwickeln. Die Produktionsverhältnisse wirken ihrerseits auf die Produktivkräfte zurück, fördern oder hemmen sie. Dieses Wechselverhältnis umfaßt das Hauptfeld der menschlichen Tätigkeit, die Produktion des materiellen Lebensunterhalts, das die Grundlage der Klassenverhältnisse und Klassenkämpfe bildet.

Unter der Produktionsweise versteht die marxistisch-leninistische politische Ökonomie die Art und Weise der Erzeugung materieller Güter und produktiver Leistungen für die Existenz und Entwicklung der Gesellschaft. Sie bedingt als dialektische Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.55 Diese Erkenntnis umfaßt die „einfache Tatsache, daß die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können“56, stellte Engels in seiner Rede am Grabe von Marx fest. Die Produktionsweise und der ihr entsprechende politische, juristische, ideologische Überbau, die ebenfalls in einem Wechselverhältnis zueinander stehen, bilden die Gesellschaftsformation.

Die Geschichte kennt fünf verschiedene Produktionsweisen und ihnen entsprechende Gesellschaftsformationen: die Urgemeinschaft, die Sklavenhalterordnung, den Feudalismus, den Kapitalismus sowie den Kommunismus. Diese Produktionsweisen folgten nicht zufällig aufeinander, sondern unterliegen einer Gesetzmäßigkeit, vor allem dem Gesetz der Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte, das noch erläutert wird. Die kapitalistische Produktionsweise ist die letzte antagonistische, das heißt von einem unüberbrückbaren Klassengegensatz gekennzeichnete Produktionsweise, die mit der Entwicklung der Produktivkräfte die materiellen Bedingungen zur Lösung des Klassenantagonismus schafft. „Mit dieser Gesellschaftsformation“, schrieb Marx, „schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.“57

Was sind Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, und worin besteht ihr Wechsel Verhältnis?

Unter Produktivkräften versteht die marxistisch-leninistische politische Ökonomie die Gesamtheit der subjektiven und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses sowie deren Zusammenwirken bei der Produktion materieller Güter. Dazu zählen vor allem der Mensch als Hauptproduktivkraft mit seinen Arbeitsfertigkeiten, Produktionserfahrungen, seinem Bildungs- und Qualifikationsniveau, die Arbeitsmittel, die sich zu Maschinensystemen entwickelt haben, und die Arbeitsgegenstände, die sich besonders unter dem Einfluß der Chemie grundlegend verändert haben. Zu den Produktivkräften gehört die Wissenschaft und ihre technologische Anwendung. Zu den Produktivkräften zählen ferner die Vergesellschaftung der Produktion durch Arbeitsteilung, Kooperation, Spezialisierung, die sich daraus entwickelnde Produktionsorganisation und Leitung sowie die in der Produktion genutzten Naturreichtümer und Naturkräfte.

Die Produktivkräfte umfassen demnach einen ganzen Komplex sich ständig entwickelnder Faktoren. An der Spitze steht der Mensch als das schöpferische Element, dessen lebendige Arbeit „das belebende Feuer der Produktion“ ist, wie Marx es nannte. Erst durch den Menschen werden die Produktivkräfte aus möglichen zu wirklichen Produktivkräften. „Die lebendige Arbeit muß diese Dinge ergreifen, sie von den Toten erwecken, sie aus nur möglichen in wirkliche und wirkende Gebrauchswerte verwandeln.“58

Die Vereinigung der Hauptproduktivkraft, des Menschen, mit den anderen Produktivkräften erfolgt im Arbeitsprozeß. Der Arbeitsprozeß ist die produktive Tätigkeit des Menschen zur Herstellung von Gebrauchswerten. Seine einfachen Elemente sind die zweckmäßige Tätigkeit oder die Arbeit selbst, der Arbeitsgegenstand und das Arbeitsmittel. Die Arbeitsmittel spielen in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft eine besondere Rolle, denn durch ihren Gebrauch und vor allem durch ihre Produktion löste sich der Mensch vom Tierreich, und der menschliche Arbeitsprozeß erhielt seinen spezifischen Charakter. Durch die Entwicklung der Arbeitsmittel, insbesondere der Produktionsinstrumente (Werkzeuge, Maschinen, Geräte), deren Gesamtheit Marx das „Knochen- und Muskelsystem der Produktion“59 nannte, wurden die ökonomischen Epochen maßgeblich bestimmt. „Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die ökonomischen Epochen“60, hob Karl Marx hervor. „Die Handmühle ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten.“61

Das Ergebnis des Arbeitsprozesses ist ein nützliches Produkt, das zielgerichtet hergestellt wird und vorher schon ideell, in der Vorstellung des Menschen, vorhanden ist. Im Arbeitsprozeß verändern die Menschen die Natur, gestalten sie nach ihren Zwecken und Zielen, verändern und entwickeln damit auch sich selbst und ihre Beziehungen zueinander.

Die Produktion ist ein ständiger Prozeß, in dem die Menschen Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihre Erfahrungen bei der Anwendung von Arbeitsmitteln und Arbeitsgegenständen erlangen, nicht nur die zum Leben notwendigen materiellen Güter erzeugen, sondern auch die Produktionsmittel, deren Verbesserung und Entwicklung eines ihrer wichtigsten Anliegen ist. Durch das produktive Handeln der Menschen erweisen sich die Produktivkräfte als das revolutionäre Element der Produktionsweise.

Der Übergang von der Fertigung von Steinwerkzeugen zu Bronze- und Eisenwerkzeugen war ein ebenso die Produktionsweise umwälzender Prozeß wie der Übergang von der Handarbeit der Manufaktur zur Maschinenproduktion der großen Industrie.

Der menschliche Arbeitsprozeß begann unmittelbar als gemeinsamer, gesellschaftlicher Arbeitsprozeß. Die Menschen der Urgemeinschaft konnten überhaupt nur durch gemeinsame Arbeit, einfache Kooperation beim Sammeln von Früchten, bei der Jagd, beim Feldbau existieren. Sie mußten gemeinsam wirken, um die Produktivkraft jedes einzelnen, die für den Existenzkampf zu schwach war, zur gesellschaftlichen Produktivkraft vereinigen. Die einfache Kooperation erhöhte nicht nur die Produktivkraft der einzelnen, sondern ermöglichte Leistungen, die die einzelnen allein nicht zustande bringen könnten. Auf ihrer Grundlage konnte sich die Arbeitsteilung als eine weitere gesellschaftliche Produktivkraft entwickeln, bei der der Arbeitsprozeß aufgegliedert, die Arbeit spezialisiert und dadurch wirkungsvoller gestaltet werden konnte. Die Arbeitsteilung individualisierte zwar den Arbeitsprozeß, aber erforderte zugleich den Austausch der Arbeiten, deren Produkte in der Urgemeinschaft noch Gemeineigentum waren und daher unmittelbar ausgetauscht werden konnten.

Die Arbeitsteilung wurde zum wesentlichen Faktor der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit und der Produktionsmittel. Sie brachte aber auch auf einer bestimmten Entwicklungsstufe das Privateigentum an den Produktionsmitteln und Produkten und die Grundlagen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen hervor.

Arbeitsteilung und Kooperation als gesellschaftliche Produktivkräfte förderten die Entwicklung der materiellen Produktion und der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in hohem Maße. Zu welcher Leistung die einfache und die auf Arbeitsteilung beruhende Kooperation bei noch gering entwickelter Technik fähig war, zeigt der Bau von Pyramiden, von antiken und mittelalterlichen Festungen, von Städten und Domen.

Mit der einfachen Kooperation der Handwerker und der arbeitsteiligen Kooperation der Manufaktur begann die kapitalistische Produktionsweise, entwickelte schon dadurch die Produktivkraft der Arbeit in bedeutendem Maße und legte mit der Spezialisierung der Werkzeuge und der Anwendung einfacher Mechanismen die Grundlage für die Umwälzung der Produktionstechnik, die sich in der industriellen Revolution entfaltete. Der Kapitalismus basierte von vornherein auf einem gesellschaftlichen Arbeitsprozeß mit nur gesellschaftlich anwendbaren Produktionsmitteln, auf betrieblicher und gesellschaftlicher Arbeitsteilung. Auf der Grundlage des kapitalistischen gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, der Vergesellschaftung der Produktivkräfte und der Produktion entwickelte sich das System der modernen Produktivkräfte: das mechanische und automatische Maschinensystem, die komplizierten Chemieanlagen, die Umwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft. Eine wissenschaftliche Produktionsorganisation und Produktionstechnologie wurden erforderlich.

Der vergesellschaftete Produktionsprozeß und die gesellschaftlichen Produktivkräfte brachten ihrerseits die Leitung als Produktivkraft hervor. Das Zusammenwirken vieler in dem selben Produktionsprozeß oder in verschiedenen, aber zusammenhängenden Produktionsprozessen erfordert die organisierende und leitende Tätigkeit, um den kombinierten Produktionsprozeß in Gang zu bringen, zu kontrollieren und zu regeln.

Die Kooperation und die Arbeitsteilung, die Leitung und Organisation der Produktion sind Formen gesellschaftlicher Produktivkraft, sie sind aber auch zugleich Formen gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse.

Die Produktivkräfte können immer nur innerhalb und vermittels bestimmter Produktionsverhältnisse wirken und sich entwickeln. Unter Produktionsverhältnissen versteht die marxistisch-leninistische politische Ökonomie Verhältnisse zwischen den Menschen im Prozeß der Produktion, des Austausches und der Verteilung materieller Güter, das heißt die Gesamtheit der gesellschaftlichen Beziehungen, die die Menschen im Reproduktionsprozeß miteinander eingehen. Zu den Produktionsverhältnissen gehören vor allem die Eigentumsverhältnisse und die sich daraus ergebende Stellung der Klassen und sozialen Gruppen in der Gesellschaft sowie die darauf beruhenden Formen der Organisation und Leitung der gesellschaftlichen Produktion.

Die Eigentumsverhältnisse, die Form der Aneignung und damit des Eigentums an den Produktionsmitteln, sind das entscheidende und bestimmende Element der Gesamtheit der Produktionsverhältnisse. Von ihnen hängt der gesellschaftliche Charakter sowohl der Beziehungen der Menschen in der Produktion als auch im Austausch, in der Verteilung und in der Konsumtion ab.

Das Eigentum an den Produktionsmitteln ist ein Produktionsverhältnis, also ein Verhältnis der Menschen in der Produktion, das an materielle Dinge gebunden ist. Dieses Verhältnis ist zweifacher Art. Einmal ist es das Verhältnis der Menschen in der Arbeitstätigkeit bei der Aneignung der Natur und zum anderen das Verhältnis, die Stellung der Menschen zu den materiellen Bedingungen der Arbeit, den Produktionsmitteln.

Bei der Arbeit zur Aneignung der Natur geht es darum, ob eigene oder fremde Arbeit das Mittel der Aneignung, der Anhäufung von materiellem Reichtum und damit der Eigentumsbildung ist. Form und Inhalt des Aneignungsprozesses werden vom Charakter der Arbeit bestimmt. Im ersten Falle eignet sich der Produzent als frei Arbeitender das Produkt durch eigene Arbeit an. Im zweiten Falle wird die Arbeit des unmittelbaren Produzenten zum Mittel der Aneignung anderer, die ihn ausbeuten. Der Charakter der Arbeit und des Aneignungsprozesses machen deutlich, daß die unmittelbaren Produzenten frei oder Ausgebeutete sind.

Der Aneignungsprozeß bestimmt auch die Form des Eigentums und die Stellung der Produzenten zu den Produktionsmitteln. Die Aneignung, mittels Sklavenarbeit setzt das Eigentum an den Produktionsmitteln und den unmittelbaren Produzenten voraus. Die Fronarbeit leibeigener Bauern und Handwerker hat das Eigentum der Feudalherren an Grund und Boden und die dadurch bedingte Abhängigkeit der unmittelbaren Produzenten, die selbst Produktionsmittel ihr eigen nennen, zur Grundlage. Die kapitalistische Lohnarbeit hat das Eigentum der Kapitalisten an den Produktionsmitteln und Eigentumslosigkeit juristisch freier unmittelbarer Produzenten, die nur ihre Arbeitskraft besitzen, zur Voraussetzung.

Die Stellung der unmittelbaren Produzenten zu den Produktionsmitteln und die Art und Weise ihrer Vereinigung im Produktionsprozeß bestimmt den gesellschaftlichen Charakter der Produktionsweise. „Welches immer die gesellschaftlichen Formen der Produktion“, lehrt Karl Marx, „Arbeiter und Produktionsmittel bleiben stets ihre Faktoren. Aber die einen und die andern sind dies nur der Möglichkeit nach im Zustand ihrer Trennung voneinander. Damit überhaupt produziert werde, müssen sie sich verbinden. Die besondre Art und Weise, worin diese Verbindung bewerkstelligt wird, unterscheidet die verschiednen ökonomischen Epochen der Gesellschaftsstruktur.“62

Die Grundfrage ist, ob die Eigentümer der Produktionsmittel diejenigen sind, die selbst damit arbeiten, ob sie die unmittelbaren Produzenten sind, oder ob sie andere damit arbeiten lassen und sich, da ihnen die Produktionsmittel gehören, deren Produkte aneignen. Aus der Beantwortung dieser Frage ergibt sich, ob die jeweiligen Eigentumsverhältnisse Ausbeutungsverhältnisse oder von Ausbeutung freie Verhältnisse sind. Die Eigentumsverhältnisse als Grundform der Produktionsverhältnisse zeigen an, ob die Gesellschaft eine antagonistische Klassengesellschaft ist oder eine Gesellschaft ohne sich feindlich gegenüberstehende Klassen.

Im Verlaufe der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft hat sich eine Vielfalt von Eigentumsformen herausgebildet: das Gemeineigentum in der Urgesellschaft, das Eigentum der Bauern und Handwerker, das Eigentum der Sklavenhalter an den Produktionsmitteln und an den Sklaven, das Eigentum der Feudalherren an Grund und Boden und das kapitalistische Eigentum. Die verschiedenen Eigentumsformen an Produktionsmitteln lassen sich auf zwei Grundformen reduzieren: das Eigentum der Produzenten, die sich die Produkte ihrer eigenen Arbeit aneignen - das Arbeitseigentum, und das Eigentum der Nichtproduzenten, die andere für sich arbeiten lassen und sich deren Produkte aneignen - das Ausbeutereigentum.

Die Geschichte des Eigentums an den Produktionsmitteln ist seit Auflösung der Urgemeinschaft die Geschichte des Gegensatzes von Arbeitseigentum und Ausbeutereigentum, im Kapitalismus des kapitalistischen Privateigentums und des Nichteigentums der Lohnarbeiter an Produktionsmitteln. Sie ist die ökonomische Grundlage der Geschichte der Klassenkämpfe. Die beiden letzten Phasen dieser historischen Entwicklung schildert Karl Marx im „Kapital“ in dem Abschnitt „Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation“. Die Verwandlung des Privateigentums der kleinen Produzenten in kapitalistisches Privateigentum erfolgte durch einen Prozeß der Expropriation der Klasse der unmittelbaren Produzenten durch wenige Kapitalisten, der „mit schonungslosestem Vandalismus und unter dem Trieb der infamsten, schmutzigsten, kleinlichst gehässigsten Leidenschaften vollbracht“63 wurde. Bei der Verwandlung des kapitalistischen Eigentums in sozialistisches Eigentum dagegen handelt es sich um „die Expropriation weniger Usurpatoren durch die Volksmasse“64.

Wie Marx feststellte, ist die Arbeit „zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert“65. Als solcher ist er jeder gesellschaftlichen Produktionsweise eigen. Durch das Eigentumsverhältnis wird jedoch ersichtlich, daß der Arbeitsprozeß auch ein Prozeß zwischen den Menschen ist, denn es bestimmt die Stellung der Menschen in der Produktion.

Der Produktionsprozeß des Kapitals ist, wie wir schon feststellten, ein hochgradig vergesellschafteter Prozeß. Er vereinigt eine Vielzahl von Produktionsmitteln und Arbeitern in produktiver Arbeit. Aus den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen ergeben sich zwei Eigentümlichkeiten des Arbeitsprozesses. Erstens arbeiten die Arbeiter unter dem Kommando des Kapitalisten, dem sie ihre Arbeitskraft verkauft haben und dem dadurch deren Gebrauchswert, die Arbeit, gehört. Zweitens eignet sich der Kapitalist das von den Arbeitern geschaffene Produkt an, da er Eigentümer der Produktionsmittel ist und ihm durch den Kauf der Arbeitskraft die Arbeit der Arbeiter und damit deren Resultat gehört.

Das Kommando der Kapitalisten über die Arbeiter im Arbeitsprozeß ergibt sich aus den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen. Dieses Kommando entspringt aber auch aus der Entwicklung und dem gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte.

Wir erwähnten schon kurz, daß die Kooperation, die Arbeitsteilung, die Organisation und Leitung der Produktion gesellschaftliche Produktivkräfte, aber auch Formen der Produktionsverhältnisse sind. Bei der produktiven Arbeit in der Kooperation und in der Arbeitsteilung treten die Produzenten nicht nur in ein Verhältnis zur Natur, sondern auch in Beziehungen zueinander. In der einfachen Kooperation sind diese Beziehungen unmittelbare gesellschaftliche Beziehungen, wie in der Urgemeinschaft, oder durch äußere Gewalt hergestellte Beziehungen, wie in der Sklaverei oder in der Fronarbeit der Feudalzeit. Sie werden auch durch ökonomische Akte, wie den Kauf der Arbeitskraft durch die Kapitalisten, hergestellt. Die Arbeitsteilung führt zu komplizierteren gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in der Produktion. Ob aber als betriebliche oder als gesellschaftliche Arbeitsteilung, sie müssen durch den Austausch vermittelt werden. Dieser wieder kann ein unmittelbarer Austausch der Arbeit und der Produkte sein oder muß, mit der Herausbildung der Warenproduktion, in Form des Warenaustausches erfolgen.

Es gibt also, um es noch einmal hervorzuheben, gesellschaftliche Produktivkräfte, die zugleich Produktionsverhältnisse sind. Als solche werden sie, wie die Produktionsverhältnisse überhaupt, durch den Charakter der jeweiligen Eigentumsverhältnisse bestimmt.

Eine Form gesellschaftlicher Produktivkräfte, die sich direkt aus der Vergesellschaftung des Arbeits- und Produktionsprozesses ergibt, ist die Leitung, Organisation und Planung der Produktion. Die gemeinschaftliche oder gesellschaftliche Arbeit in größerem Maßstab bedarf der Leitung, Organisation und Planung, die die Tätigkeit der einzelnen vermitteln und zu einer harmonischen Zusammenarbeit gestalten. Das gilt für die kapitalistische Produktion mit ihrer vielfältigen innerbetrieblichen Arbeitsteilung in höherem Grade als für frühere Produktionsweisen. Aber der spezifische Charakter der kapitalistischen Produktion gibt auch der Leitung als Produktionsverhältnis einen spezifischen gesellschaftlichen Inhalt.

Der kapitalistische Produktionsprozeß ist eine Einheit von Arbeits-und Verwertungsprozeß. „Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm angehörige besondre Funktion, sie ist zugleich Funktion der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem Rohmaterial seiner Ausbeutung“, stellt Marx fest und schlußfolgert weiter: „Der Kapitalist ist nicht Kapitalist, weil er industrieller Leiter ist, sondern er wird industrieller Befehlshaber, weil er Kapitalist ist. Der Oberbefehl in der Industrie wird Attribut des Kapitals, wie zur Feudalzeit der Oberbefehl in Krieg und Gericht Attribut des Grundeigentums war.“66 Diese Feststellung ist von großer Aktualität. Bürgerliche Ökonomen und Kapitalisten selbst leiten auch heute die Herrschaft der Kapitalisten über die Produktion von deren besonderen Fähigkeiten zur Leitung komplizierter moderner Produktionsprozesse ab, die sie den Arbeitern absprechen. Sie erhalten dabei von den reformistischen sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführern ideologische Hilfe. Diese Behauptung ist schon deshalb absurd, weil, wie schon Marx feststellte und Lenin durch seine Analyse des monopolistischen Kapitalismus erhärtete, die Leitung der Großunternehmen nicht mehr von den Kapitalisten selbst, sondern von bezahlten Angestellten ausgeführt wird.

Eine Spezifik der kapitalistischen Leitung und Organisation der Produktion ist, daß sie sich auf das einzelne Unternehmen oder den in einem Konzern oder Trust vereinigten Komplex von Unternehmen beschränkt und in der gesellschaftlichen Gesamtproduktion Planlosigkeit und Anarchie herrscht, da das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln eine gesellschaftliche Leitung, Planung und Organisation unmöglich macht.

Was nun die zweite Eigentümlichkeit des Arbeitsprozesses im Kapitalismus, die Aneignung des Produkts der Arbeit der Arbeiter durch die Kapitalisten, betrifft, so wird diese objektive Tatsache von bürgerlichen Ökonomen und Kapitalisten mit dem Hinweis bestritten, daß in der heutigen kapitalistischen Wirtschaft das Eigentum an den Produktionsmitteln von untergeordneter Bedeutung geworden sei. Durch die Bildung von Aktiengesellschaften sei der Kapitalbesitz „gestreut“ und „demokratisiert“. Die Anzahl der Kapitalisten habe sich nicht vermindert, sondern kolossal vermehrt, und der Kapitalismus habe sich zum Volkskapitalismus entwickelt. Der Gegensatz zwischen Unternehmern und Arbeitern sei nicht mehr der antagonistische Gegensatz von Ausbeutern und Ausgebeuteten. Dieser Gegensatz habe sich zum Gegensatz von Interessengruppen entwickelt, die an der Produktion des Nationaleinkommens teilhaben und nur um die Größe ihres Anteils daran streiten. Ihre gemeinsamen Interessen beständen darin, durch gesteigerte Leistung das Nationaleinkommen zu vergrößern und dadurch auch ihren jeweiligen Anteil. Aus dem ausbeutenden Kapitalismus wäre eine „Leistungsgesellschaft“ geworden.

Das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln hat tatsächlich einen Formwechsel erfahren, der sich aus der Anpassung der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse an den zunehmenden Grad der Vergesellschaftung der Produktivkräfte und der Produktion ergibt. Damit hat sich aber am Wesen des kapitalistischen Eigentums als Ausbeutereigentum nichts geändert. Das individuelle kapitalistische Privateigentum gestaltete sich über die Bildung von Aktiengesellschaften zum gesellschaftlichen kapitalistischen Privateigentum.

Das Charakteristikum dieser Form des kapitalistischen Eigentums ist erstens, daß eine Vielzahl von Geldkapitalisten oder Geldbesitzern, die ihr Geld zur Verwertung investieren, gegenüber der Arbeiterklasse als Aktionäre, als kollektiver Privatkapitalist auftreten, dessen Ziel der Profit in Form der Dividende ist. Jede Hauptversammlung der Aktionäre einer Aktiengesellschaft liefert den Beweis, daß die Gesamtheit der Aktionäre ausschließlich an der Höhe des Profits interessiert ist und gemeinsam gegen die Lohnforderungen der Arbeiter vorgeht. Zweitens aber beherrscht der größte Aktionär oder eine Gruppe von Großaktionären die Mehrheit der Aktien und damit die Leitung der Aktiengesellschaft, die sich heute zum Konzern und Trust entwickelt hat. Sie verfügen damit mit einem größeren oder kleineren Anteil am Gesamtaktienkapital über das Unternehmen wie über ihr Privateigentum und treiben damit das antagonistische Klassenverhältnis von ausgebeuteten Arbeitern und ausbeutenden Kapitalisten auf die Spitze.

Selbst das kapitalistische Staatseigentum, das ein Ausdruck dafür ist, daß die Entwicklung der Produktivkräfte über den Rahmen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse drängt, dient unter der Herrschaft des Monopolkapitals dem privatkapitalistischen Monopolkapital.

Die Kapitalisten, insbesondere die Monopolkapitalisten und ihre Verteidiger, die erklären, daß mit den Aktiengesellschaften die Rolle des Eigentums an den Produktionsmitteln an Bedeutung verloren habe, behaupten, daß die Produktivkräfte für die Entwicklung der Gesellschaft ausschlaggebend wären. Die modernen Produktivkräfte hätten den Kapitalisten und sein Eigentum in den Hintergrund gedrängt. An seiner Stelle würden die Techniker, Ingenieure und Planer, die als „Technokraten“ bezeichnet werden, die Produktion bestimmen. „Nicht die Manager treffen die Entscheidung. Die wirkliche Entscheidung liegt viel weiter unten bei Planern, Technikern und anderen Spezialisten“, schrieb der amerikanische bürgerliche Ökonom J. K. Galbraith. Er erklärte zugleich: „Diese Macht ist nicht etwa nur dem System eigen, das in der ideologischen Sprachregelung als Freie Marktwirtschaft oder als das kapitalistische System bezeichnet wird.“67

Zwischen Kapitalismus und Sozialismus gäbe es demnach keinen Unterschied, beide wären „moderne Industriegesellschaften“. Den Arbeitern soll also eingeredet werden, der Kampf gegen das kapitalistische System, für die Verwandlung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln in sozialistisches Eigentum sei gegenstandslos geworden, denn dieses Ausbeutereigentum gäbe es nicht mehr.

Angesichts dieser „Theorie“ fragt man sich, warum sich dann die Monopolkapitalisten so gegen die Verwandlung der Konzerne in Gemeineigentum und gegen das volle Mitbestimmungsrecht der Arbeiter, Angestellten und der Intelligenz in der Leitung der Konzerne und der Wirtschaftspolitik des Staates sträuben.

Hier zeigt sich gerade, daß die marxistisch-leninistische Lehre von den Produktions- und Eigentumsverhältnissen den neuralgischen Punkt der kapitalistischen Ausbeuterordnung erfaßt hat. Auch das kollektive oder gesellschaftliche Kapital ist Privatkapital, und das einzige Ziel ist der Profit, vor allem der Monopolprofit.

Gewiß, die modernen Produktivkräfte, deren gesellschaftlicher Charakter durch die wissenschaftlich-technische Revolution kolossal entwickelt wird, drängen zur gesellschaftlichen Planung der Produktion. Das führt zwar, wie wir sahen, zu einer Anpassung der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse an diese Entwicklung der Produktivkräfte, aber keineswegs zur Aufhebung, sondern vielmehr zur Zuspitzung der antagonistischen Widersprüche der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft.

Der gesellschaftliche Charakter der modernen Produktivkräfte stößt auf die Schranken der kapitalistischen Produktions- und insbesondere Eigentumsverhältnisse, die auch in monopolistischer und staatsmonopolistischer Form ihrem Wesen nach privatkapitalistische Eigentumsverhältnisse sind. Soweit im gesellschaftlichen Maßstab Versuche zur Planung unternommen werden, beinhalten sie die Sicherung des Monopolprofits, sie begrenzen und deformieren somit die Entwicklung der Produktivkräfte.

Die Eigentumsverhältnisse bestimmen auch den gesellschaftlichen Charakter des Austausches und der Distribution, der Verteilung. Wir erwähnten schon, daß die klassischen englischen Ökonomen, insbesondere David Ricardo, die Distribution für das Wesentliche einer Produktionsweise hielten. Aber Marx wies nach, daß, bevor die Produkte verteilt werden, vorher schon die Produktionsmittel und die Produzenten auf die Produktion verteilt, das heißt den herrschenden Eigentumsverhältnissen in der Produktion untergeordnet sind. Die Distribution, wie die Produktion und der Austausch, ist Bestandteil der Produktionsverhältnisse, deren Gesetze durch die Gesetze, die die Produktion bestimmen, beherrscht werden.

Die kapitalistische Produktion wird durch das Mehrwertgesetz beherrscht, das aus dem Produktionsverhältnis, dem Klassenverhältnis zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten, hervorgeht. Aus ihm ergibt sich, daß die Distribution einerseits durch das Lohngesetz bestimmt wird.

Daraus folgt, daß der Arbeitslohn, der Anteil der Arbeiter an dem von ihnen geschaffenen Neuwert, durch den Wert ihrer Arbeitskraft und durch den Klassenkampf um die Einhaltung des Lohngesetzes bestimmt wird. Andererseits erfolgt die Verteilung des Mehrwerts unter die Industrie-, Handels- und Bankkapitalisten und die Grundeigentümer entsprechend den Gesetzen des Durchschnittsprofits, des Zinses und der Grundrente und auf dem Wege des Konkurrenzkampfes.

Dabei spielt der Austausch eine wesentliche Rolle, der, da die kapitalistische Produktion entwickelte Warenproduktion ist, als Waren- und Geldaustausch erfolgt. Das grundlegende Klassenverhältnis, das Verhältnis zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten, erscheint in der Form eines ökonomischen Verhältnisses von Ware und Geld. Die Arbeiter tauschen ihre Ware Arbeitskraft gegen das Geld der Kapitalisten ein, für das sie ihre Existenzmittel kaufen. Dieses Austauschverhältnis formell gesellschaftlich gleicher Warenbesitzer verhüllt die tatsächliche soziale Ungleichheit zwischen den Kapitalisten als den Eigentümern und den Arbeitern als Nichteigentümern von Produktionsmitteln. Ein anderes entscheidendes, durch das grundlegende Produktions- und Klassenverhältnis bestimmtes Charakteristikum des kapitalistischen Austauschprozesses ist, daß der Warenaustausch nicht als Austausch von Waren eigener, sondern fremder Arbeit, der Arbeit der Lohnarbeiter, erfolgt. Dadurch ist er zugleich ein Prozeß der Realisierung des Mehrwerts und der Vollendung des Verwertungsprozesses des Kapitals.

Die Produktionsverhältnisse sind die objektiven gesellschaftlichen Bedingungen oder die gesellschaftliche Form, in der sich die Produktivkräfte bewegen. Zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen besteht ein gesetzmäßiger Zusammenhang und ein Wechselverhältnis, die durch das Gesetz der Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte bestimmt werden. Die Produktionsverhältnisse fördern die Entwicklung der Produktivkräfte, bringen sie zur Entfaltung, wenn sie mit ihnen übereinstimmen, andernfalls hemmen sie sie, geraten mit ihnen in Konflikte.

Sobald jedoch die Produktivkräfte eine neue Entwicklungsstufe, eine neue Qualität erreicht haben, mit denen die Produktionsverhältnisse unvereinbar werden, erfolgt, wie Marx schrieb, eine Periode der revolutionären Sprengung der alten Produktionsverhältnisse und ihrer Ersetzung durch neue Produktionsverhältnisse, die dem Charakter der Produktivkräfte entsprechen. „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“68

Unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse erfuhren die Produktivkräfte eine bis dahin in der Geschichte nicht erreichte Entwicklung. Alle Bereiche der Produktion, der Produktionstechnik und -technologie wurden durch die industrielle Revolution umgewälzt. In diesem Entwicklungsprozeß wurde der in den vorhergehenden Produktionsweisen vorwiegend individuelle oder in einfacher Kooperation durchgeführte Produktionsprozeß in einen gesellschaftlichen Produktionsprozeß verwandelt.

Diese durch die Entwicklung der Produktivkräfte sich vollziehende Vergesellschaftung der Produktion bewirkte aber, daß schon in der Phase des aufsteigenden Kapitalismus die Produktivkräfte periodisch in einen offenen Widerspruch zu den kapitalistischen Produktionsverhältnissen gerieten und dieser Widerspruch sich in Überproduktionskrisen Luft machte. Alle vorkapitalistischen Produktionsweisen kannten nur Krisen, die durch Naturkatastrophen und Kriege verursacht wurden. Die kapitalistische Produktionsweise ist die erste und einzige, die Überproduktionskrisen hervorbringt. Allerdings handelt es sich nicht um eine absolute Überproduktion, sondern um eine durch die antagonistischen Produktions- beziehungsweise Klassenverhältnisse hervorgerufene relative Überproduktion. Die Waren können durch die Beschränkung der zahlungsfähigen Kaufkraft der Massen nicht realisiert werden.

Die Krisen fungieren als Regulator. Durch massenhafte Vernichtung von Produktivkräften wird gewaltsam die Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit den Produktivkräften zeitweilig wiederhergestellt. Unter kapitalistischen Bedingungen rebellieren periodisch die Produktivkräfte gegen die Produktionsverhältnisse, weil die Entwicklung der sachlichen Produktionsfaktoren immer stärker in Widerspruch zum Warencharakter der Arbeitskraft der Arbeiter gerät. Die Entwicklung der Produktivkräfte führt einerseits zur Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und zur Proletarisierung der absoluten Mehrheit der Bevölkerung, andererseits zur Beschränkung der Entwicklung der Hauptproduktivkraft, da die Arbeiter zu Massen aus der Produktion verdrängt werden und zur Arbeitslosigkeit verurteilt sind, ihre Arbeitskraft massenhaft dequalifiziert und die Entfaltung ihrer schöpferischen Fähigkeiten verhindert wird.

Die sich heute vollziehende wissenschaftlich-technische Revolution ist Ausdruck einer qualitativ neuen Stufe in der Entwicklung der Produktivkräfte. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, daß der Mensch zum vollständigen Beherrscher der Produktivkräfte wird. Durch die Umwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft und die Automatisierung der Produktion wird es möglich, daß sich der Mensch aus dem unmittelbaren Produktionsprozeß herauslösen kann, die Arbeit aller sich in einen schöpferischen Prozeß verwandelt und zum ersten Lebensbedürfnis wird. Die Verwirklichung dieser Möglichkeit wird aber erst durch die Beseitigung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, unter sozialistischen Produktions- und Machtverhältnissen gewährleistet.

Die Vergesellschaftung der Produktivkräfte und der Produktion hat eine Entwicklungsstufe erreicht, auf der sie nicht nur über den einzelnen Betrieb, sondern über die Konzerne und Trusts und über die nationalen Grenzen drängt. Sie sind so vielfältig und komplex, so kolossal, daß sie nicht mehr in privatkapitalistischen Schranken eingezwängt und gehalten werden können. Die Entwicklung des monopolistischen Kapitalismus zum staatsmonopolistischen Kapitalismus, die Bildung internationaler Monopole und staatsmonopolistischer Vereinigungen im Rahmen der kapitalistischen Integration sind nicht nur ein Ausdruck der Macht des Monopolkapitals, sondern auch seiner Ohnmacht, die Produktivkräfte weiterhin vollkommen zu beherrschen und auszubeuten.

Die Entdeckung und Analyse des Wechselverhältnisses zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen durch Marx verhalf der Arbeiterklasse zu der bedeutsamen Erkenntnis, daß die Geschichte der Menschheit, der Aufstieg und Untergang der Völker und Reiche des Altertums wie des Mittelalters sowie die gesellschaftlichen Konflikte der kapitalistischen Gesellschaft keine bloße Anhäufung von Zufälligkeiten, sondern ein gesetzmäßiger Prozeß der Entwicklung vom Niederen zum Höheren ist. Darauf beruht die Gesetzmäßigkeit der Entwicklung und die voraussehbare Beseitigung des Kapitalismus und seiner Ablösung durch den Kommunismus.

Zwischen Basis und Überbau besteht ebenfalls ein gesetzmäßiges Wechselverhältnis. Im Vorwort zu seinem Werk „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ erklärte Marx, daß die Gesamtheit der Produktionsverhältnisse die ökonomische Struktur der Gesellschaft bildet, „die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen“. Im Anschluß daran trifft er die berühmte Feststellung: „Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.“69

Falsche und dem Marxismus feindliche Auffassungen haben diese grundlegende wissenschaftliche Erkenntnis so ausgelegt, als ob die reale Basis, die ökonomische Struktur der Gesellschaft, das alleinige und stets unmittelbar bestimmende Element in dem Verhältnis von Basis und Überbau und in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft überhaupt sei. Aber das ist ein Irrtum oder eine bewußt falsche Unterstellung.

Wie bei den Produktivkräften und Produktionsverhältnissen besteht auch zwischen der Basis und dem Überbau ein gesetzmäßiger Zusammenhang und ein Wechselverhältnis. Die jeweilige reale oder ökonomische Basis verlangt einen ihr gemäßen juristischen und politischen Überbau.

Der gesellschaftliche Charakter des Überbaus wird vom gesellschaftlichen Charakter der Basis bestimmt. Die vorsozialistischen Gesellschaftsformationen waren dadurch gekennzeichnet, daß die Elemente der neuen Basis schon im Schoße der alten Gesellschaft entstanden, sich entwickelten und auf einer bestimmten Stufe den alten Überbau sprengten und umwälzten. Wenn also die Produktivkräfte zu den Produktionsverhältnissen in einen unüberbrückbaren Widerspruch geraten und, wie Marx im Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ feststellt, eine Epoche der sozialen Revolution eintritt, wird auch der Überbau davon erfaßt. „Mit der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau rascher oder langsamer um.“70

Auf diese Weise entwickelte sich auch das Verhältnis zwischen kapitalistischer Basis und kapitalistischem Überbau, das sich in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich gestaltete, je nachdem, in welchem Ausmaß sich die kapitalistische Basis im Schoße der Feudalgesellschaft entwickelt hatte: in Frankreich zum Beispiel im Jahre 1789 durch den Sturz der Monarchie und die Beseitigung des juristischen und politischen Überbaus des Feudalismus; in Deutschland nach 1848/1849 durch den Verrat der Bourgeosie an der eigenen Revolution, durch die Aufrechterhaltung eines großen Teils des feudalen Überbaus und des allmählichen Eindringens der Elemente des kapitalistischen Überbaus.

Im Unterschied zu den vorsozialistischen Produktionsverhältnissen, insbesondere zum Kapitalismus, entstehen zwar die materiellen und subjektiven Voraussetzungen des Sozialismus im Schoße des Kapitalismus, es entsteht aber nicht die reale ökonomische Basis des Sozialismus. In keinem noch so entwickelten kapitalistischen Land entstehen sozialistische Produktionsverhältnisse, wie alte und neue Revisionisten und Reformisten behaupten, die von einem friedlichen Hinüberwachsen des Kapitalismus in den Sozialismus reden. Die sozialistische Basis entsteht erst nach der Beseitigung des kapitalistischen politischen und juristischen Überbaus und der Errichtung der wichtigsten Elemente des sozialistischen Überbaus in Form der Diktatur des Proletariats. Aus diesem Grunde ist auch eine Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus notwendig, in der die alte, kapitalistische Basis beseitigt und die neue, die sozialistische Basis geschaffen wird. Es ist eine Periode heftiger Klassenauseinandersetzungen, in der die Frage „Wer - wen?“ entschieden wird. Schon daraus ergibt sich, daß die Basis nicht nur auf den Überbau, sondern der Überbau auch auf die Basis wirkt, daß demnach ein Wechselverhältnis besteht. Marx weist zum Beispiel an vielen Stellen im ersten Band des „Kapitals“ nach, daß die staatliche Gewalt, einer der wichtigsten Teile des politischen Überbaus, sowohl als Geburtshelfer wie auch als Entwicklungsfaktor der kapitalistischen Basis wirkt. „Die aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt, um den Arbeitslohn zu ‚regulieren‘, d. h. innerhalb der Plusmacherei zusagender Schranken zu zwängen, um den Arbeitstag zu verlängern und den Arbeiter selbst in normalem Abhängigkeitsgrad zu erhalten. Es ist dies ein wesentliches Moment der sog. ursprünglichen Akkumulation.“71

Engels schilderte anschaulich das Grund- und Wechselverhältnis zwischen ökonomischer Basis und politischem und juristischem Überbau in einem Brief an Joseph Bloch: „Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin Verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus … üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form.“72