Kapital und Mehrwert

3.3.2
Die auf Arbeitsteilung beruhende Kooperation –
die kapitalistische Manufaktur

Das Stadium der Manufaktur als eine „charakteristische Form des kapitalistischen Produktionsprozesses“85 ist das den Maschinen vorangegangene Stadium des Kapitalismus. Im Hinblick auf die Entfaltung des gesellschaftlichen Charakters der Produktion wurde dieses Stadium durch die nunmehr auf Arbeitsteilung beruhende Kooperation geprägt. Typisch war die zwischenbetriebliche Arbeitsteilung innerhalb der Werkstätten. Vom Standpunkt der innerbetrieblichen Arbeitsteilung erfolgte die Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Charakters der Produktion einmal über die heterogene Manufaktur, in der selbständig vorgefertigte Einzelteile zusammengesetzt wurden, und dann auch über die organische Manufaktur, in der der Arbeitsgegenstand zusammenhängende Fertigungsphasen, eine bestimmte Reihenfolge von Produktionsstufen durchlief.86 Die organische Manufaktur drückte bereits einen höheren Stand der Vergesellschaftung der Produktion aus als die heterogene, die zunächst nur unmittelbare Fortsetzung der bisherigen Produktionsmethoden darstellt.

Vom Standpunkt der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung war zwischen der zentralisierten und der dezentralisierten Manufaktur zu unterscheiden. Im letzten Fall überwog die Anwendung von Heimarbeit als Lohnarbeit; im ersten Fall fand Konzentration der Arbeitsoperationen in Produktionszentren statt, wodurch die Konzentration der zersplitterten Kleinproduktion gefördert wurde.

Sowohl durch zwischenbetriebliche Arbeitsteilung als auch durch Arbeitsteilung innerhalb der Werkstätten erfolgt eine beträchtliche Umgestaltung der Technik. Für die kapitalistische, auf der Arbeitsteilung beruhende Kooperation, das heißt für die Manufaktur, ist der „Teilarbeiter und sein Werkzeug“87 charakteristisch. Die Arbeitsteilung und die Kooperation als „gesellschaftliche Kombination des Produktionsprozesses“88 sind Formen der Produktivkraft der Arbeit, gesellschaftliche Produktivkräfte, die den Wirkungsgrad der Arbeit bedeutend erhöhen. Durch die tiefgehende innerbetriebliche Arbeitsteilung wurde der Arbeitsprozeß bis ins kleinste Detail aufgegliedert, so daß jeder Arbeiter nur noch einfache Handgriffe auszuüben brauchte. Auf diese Weise wurde eine außerordentliche Intensivierung der Arbeit erreicht, die vollständig auf Kosten der Arbeiterpersönlichkeit ging. Der Arbeiter wurde körperlich und geistig im Dienste der Produktion des relativen Mehrwerts verkrüppelt, der einzelne wurde zum integrierten Glied eines Gesamtarbeiters. „In der Manufaktur ist die Bereicherung des Gesamtarbeiters und daher des Kapitals an gesellschaftlicher Produktivkraft bedingt durch die Verarmung des Arbeiters an individuellen Produktivkräften.“89

Wir erleben heute diese körperliche Verkrüppelung und geistige Verödung bei den Arbeitern an den Takt- und Fließstraßen der großen Automobil-, Elektro- und Konfektionskonzerne als Quelle riesiger Mehrwertmassen.

Dieser Prozeß der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit, der zugleich zur Vervollkommnung der Werkzeuge führte, war zugleich ein Prozeß zur Vertiefung der Vergesellschaftung der Produktion und der Unterordnung der Arbeiter unter das Kapital. Die unmittelbare Abhängigkeit der einzelnen Tätigkeiten im arbeitsteiligen Arbeitsprozeß und damit auch der Arbeiter bedeutet nichts anderes, als daß der Arbeitsprozeß selbst vergesellschaftet ist. Dieser vergesellschaftete Arbeitsprozeß zwingt den einzelnen Arbeiter, sich dem Rhythmus der „Kontinuität, Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und namentlich Intensität der Arbeit“90 unterzuordnen. Das Ergebnis ist eine bedeutende Steigerung der Arbeitsproduktivität und damit des relativen Mehrwerts.

Wie die einfache Kooperation entsteht auch die auf Arbeitsteilung beruhende Kooperation, die Manufaktur, durch das Kapital, und die dadurch gebildete gesellschaftliche Produktivkraft erscheint als Produktivkraft des Kapitals. „Wie in der einfachen Kooperation ist in der Manufaktur der funktionierende Arbeitskörper eine Existenzform des Kapitals. Der aus vielen individuellen Teilarbeitern zusammengesetzte gesellschaftliche Produktionsmechanismus gehört dem Kapitalisten. Die aus der Kombination der Arbeiten entspringende Produktivkraft erscheint daher als Produktivkraft des Kapitals.“91

Der einzelne Arbeiter existiert nicht mehr als selbständige Produktivkraft, sondern nur als Glied des Gesamtarbeiters. Insofern ist er dem Kapital schon vollständig untergeordnet. Aber in der Manufaktur beruht die Funktion des Produktionsprozesses noch auf der handwerklichen Geschicklichkeit der Arbeiter. Darin findet die Ausbreitung und Vorherrschaft des Kapitals ein unüberwindliches Hindernis.

Mit der Entwicklung der Arbeitsinstrumente entstand die Voraussetzung für die Herstellung von Maschinen. Was drakonische Gesetze zur Durchsetzung der kapitalistischen Arbeitsdisziplin nicht vermochten, das wurde durch die Anwendung von Werkzeugmaschinen erreicht. Sie führte zum endgültigen Sieg der kapitalistischen Produktionsweise. „Dies Produkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit“ (die Werkstatt zur Produktion von Arbeitsinstrumenten) „produzierte seinerseits - Maschinen. Sie heben die handwerksmäßige Tätigkeit als das regelnde Prinzip der gesellschaftlichen Produktion auf. So wird einerseits der technische Grund der lebenslangen Annexation des Arbeiters an eine Teilfunktion weggeräumt. Andererseits fallen die Schranken, welche dasselbe Prinzip der Herrschaft des Kapitals noch auferlegte.“92

Dem Entwicklungsniveau des gesellschaftlichen Charakters der Produktion und damit des Arbeitsprozesses entsprach ein Entwicklungsgrad der kapitalistischen Eigentums- und Aneignungsverhältnisse des Verwertungsprozesses, der vor allem folgendermaßen charakterisiert werden kann:93

Hauptvertreter der Industrie waren in diesem Stadium der Produktion des relativen Mehrwerts sowie der Entfaltung des kapitalistischen Grundwiderspruchs schon nicht mehr der Bauer oder Kleinproduzent, sondern der Kaufmann und Manufakturist einerseits sowie der gewerbliche Arbeiter, der Lohnarbeiter andererseits. Gleichzeitig waren diese kapitalistischen Eigentums-und Aneignungsverhältnisse in diesem Stadium noch längst nicht voll ausgeprägt, noch relativ unentwickelt: Die Masse der Kleinbetriebe und das Vorherrschen der manuellen Arbeit stellten den Händler an die Spitze der Manufaktur, bedingten noch das Fortbestehen der Bindung an den Boden, die verschiedensten Formen der persönlichen Abhängigkeit und Schuldknechtschaft94, die stark ausgeprägte Seßhaftigkeit und die damit insgesamt vorherrschende Unbeweglichkeit der arbeitenden Bevölkerung sowie das Verharren in der uralten, überkommenen gesamten Lebensweise. Dadurch blieb eine Masse vermittelnder Elemente zwischen den sozialökonomischen Extremen der Manufaktur bestehen und hemmte die Entwicklung dieser Extreme.

Durch diese Merkmale ergab sich insgesamt ein solcher Grad der Entfaltung des kapitalistischen Grundwiderspruchs, daß einerseits von bereits tief verwurzelter Herrschaft des Kapitals gesprochen werden muß. Andererseits konnte die Manufaktur „die gesellschaftliche Produktion weder in ihrem ganzen Umfang ergreifen, noch in ihrer Tiefe umwälzen“95. Die kapitalistische Manufaktur drückte daher ein Stadium der Entfaltung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit aus, das historisch gesehen die unmittelbare Vorstufe der vollen Herausbildung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und damit des kapitalistischen Grundwiderspruchs darstellt. Der Widerspruch zwischen Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß, die Unterordnung der produktiven Arbeit unter den Verwertungstrieb des Kapitals hatte sich noch nicht „zum vollständigen Gegensatz“ herausgebildet.96 Das geschah erst durch das Aufkommen der maschinellen Großindustrie.

Auch für das Stadium der kapitalistischen Manufaktur blieb der Widerspruch zwischen zurückgebliebener technischer Grundlage und fortgeschrittenen kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnissen charakteristisch.

Die Manufaktur herrschte als die typische Form der kapitalistischen Produktion in Europa von der Mitte des XVI. bis zum letzten Drittel des XVIII. Jahrhunderts vor. Mit den großen geographischen Entdeckungen und der Verlagerung des Zentrums des Welthandels zu Beginn des XVI. Jahrhunderts nach England und Holland entwickelte sich in diesen Ländern die Manufaktur besonders schnell.