Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

2.3
Aufbewahrungskosten

Aufbewahrungskosten sind eine besondere Form von Zirkulationskosten. Wir stellten schon wiederholt fest, daß die Kontinuität, der ununterbrochene Ablauf des Kreislauf- und Reproduktionsprozesses, eine wesentliche Bedingung für die Verwertung des Kapitals ist. Kontinuität sowohl im Ineinandergreifen von Produktion und Zirkulation, also

G – W < A
Pm
… P
… W' – G' ,

als auch in den verschiedenen Phasen des Produktionsprozesses. Sie bedingt, daß sich bestimmte Geldfonds, also Akkumulations- und Reservefonds, einerseits als objektive Ergebnisse und Voraussetzungen des Kreislauf- und Reproduktionsprozesses und andererseits unfreiwillig durch Stockungen in der Zirkulation, beim Absatz der Waren, bilden.

Aus gleichen Gründen bilden sich auch stoffliche Fonds, Fonds von produktivem Kapital und Warenfonds: Vorräte an produktivem Kapital und Warenvorräte. Diese Fonds sind Bedingung für den ununterbrochenen Reproduktionsprozeß des Kapitals. Sie sind notwendig für den normalen Verlauf jedes individuellen und gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, unabhängig von seiner gesellschaftlichen Form, unabhängig auch von der Warenform. Die Warenform der Vorräte ist nur ihre spezifische Form in der Warenproduktion.

Je entwickelter die Warenproduktion, desto größer der Warenvorrat. Je entwickelter der gesellschaftliche Charakter der Produktion, desto notwendiger und größer auch der Vorrat an produktivem Kapital, an Arbeitsmitteln, Rohstoffen und Hilfsstoffen.

Der Vorrat an produktivem Kapital wie auch der Warenvorrat existieren in Gebrauchswertform. Als Vorräte befinden sie sich noch nicht oder nicht mehr im Produktionsprozeß, sondern sie bilden entweder dessen Voraussetzung oder sind sein Ergebnis und gehen in den Zirkulationsprozeß ein. Solange die Produktionsmittel oder Konsumtionsmittel die Form von Vorräten haben, unterliegt ihr Gebrauchswert natürlichen Einflüssen. Sie müssen daher gelagert werden. Zu diesem Zweck werden Gebäude, Lagerhallen, Silos errichtet, werden Maschinen und Werkzeuge zur Wartung notwendig und vor allem muß Arbeit aufgewandt werden. Die Erhaltung und Aufbewahrung der Vorräte verursacht demnach Kosten.

Da sich die Vorräte nicht im Produktionsprozeß befinden, sondern nur in seinem Vorfeld oder direkt in der Zirkulationssphäre sind, ist die für ihre Erhaltung aufgewandte notwendige und vergegenständlichte Arbeit eine Form der Zirkulationskosten. Jedoch unterscheiden sie sich von den reinen Zirkulationskosten, denn diese entspringen ausschließlich der Metamorphose, dem Formwandel, von Ware und Geld, von Warenkapital und Geldkapital. Die Kosten der Vorratshaltung dagegen ergeben sich aus der Wartung des Gebrauchswerts der Waren. „Der Gebrauchswert wird hier weder erhöht noch vermehrt, im Gegenteil, er nimmt ab. Aber seine Abnahme wird beschränkt, und er wird erhalten. Auch der vorgeschoßne, in Ware existierende Wert wird hier nicht erhöht. Aber neue Arbeit, vergegenständlichte und lebendige, wird hinzugesetzt.“37 Die für die Lagerung und Wartung der Vorräte aufgewandte Arbeit vermehrt die gesellschaftlich notwendige Arbeit, die in der ihren Gebrauchswert vermindernden Ware verkörpert ist. „Ihre Auslage wirkt daher wie eine Verminderung der Produktionskraft der Arbeit, so daß ein größres Quantum Kapital und Arbeit erheischt ist, um einen bestimmten Nutzeffekt zu erzielen.“38

Karl Marx nennt diese Form der Zirkulationskosten Unkosten.39 Durch diese Art der Werterhöhung werden die Waren verteuert, ohne an Quantität und Qualität zu gewinnen.

Bei der Vorratshaltung und -wartung wird der gesellschaftliche Reichtum nicht erhöht. Er vermindert sich trotz der aufgewandten Arbeit. Diese hält die Verminderung aber in Grenzen. Eine niedrigere Vorratshaltung würde die Unkosten senken. Das könnten die Kapitalisten dann erreichen, wenn erstens die Produktion der Materialien und Hilfsstoffe kontinuierlich verläuft, so daß sie diese stets und unmittelbar vom Produzenten beziehen können und nur einen kleinen Vorrat, zum Beispiel an Kohlen oder Heizöl, zu halten brauchen. Zweitens wird ihr Bestreben dann gefördert, wenn die Transport- und Kommunikationsmittel genügend entwickelt sind. Drittens spielt auch die Entwicklung des Kreditsystems eine Rolle, das ihnen ermöglicht, den Wert der Waren schon zu realisieren, ehe ihr Gebrauchswert realisiert wurde, so daß sie laufend die Elemente des produktiven Kapitals beziehen können.

Die Arbeit, die durch die Vorratshaltung und -wartung den Waren Wert hinzufügt, ohne den Gebrauchswert zu erhöhen, vielmehr bei Verminderung der Quantität und Qualität des Gebrauchswerts, fügt ihnen unter kapitalistischen Bedingungen auch Mehrwert zu.

Die Unkosten, die in der Zirkulation durch die normale Vorratshaltung entstehen, werden den individuellen Kapitalisten ersetzt. Sie werden durch die Erhöhung des Wertes der Waren auf alle Kapitalisten, die die entsprechenden Waren beziehen, aufgeteilt und sind objektiv Abzüge vom gesellschaftlichen Reichtum. „Kosten also, die die Ware verteuern, ohne ihr Gebrauchswert zuzusetzen, für die Gesellschaft also zu den faux frais der Produktion gehören, können für den individuellen Kapitalisten Quelle der Bereicherung bilden. Andrerseits, soweit der Zusatz, den sie dem Preis der Ware hinzufügen, diese Zirkulationskosten nur gleichmäßig verteilt, hört ihr unproduktiver Charakter dadurch nicht auf.“40

Anders verhält es sich mit den Kosten, die durch die Verausgabung von Arbeit für Warenvorräte entstehen, die sich infolge der Widersprüche des kapitalistischen Reproduktions- und Zirkulationsprozesses bilden. Es handelt sich also um solche Vorräte, die durch Absatzstockungen, disproportionale Produktion einzelner Produktionszweige, Teilkrisen und allgemeine Überproduktionskrisen entstehen. Diese Kosten gehen nicht in den Wert der Waren ein, da dieser Warenvorrat nicht als Bedingung des ununterbrochenen Verkaufs, sondern aus der Unverkäuflichkeit der Waren entstand. Drastisch bemerkte Karl Marx zu diesem Fall: „Die Ausgaben, welche die Erhaltung dieses Vorrats in Baulichkeiten, zusätzlicher Arbeit etc. erheischt, bilden positiven Verlust. Der schließliche Käufer würde ihn auslachen, wenn er sagte: Meine Ware war während sechs Monaten unverkaufbar, und ihre Erhaltung während dieser sechs Monate hat mir nicht nur soundso viel Kapital brachgelegt, sondern außerdem x Unkosten verursacht. Tant pis pour vous (um so schlimmer für Euch), sagt der Käufer. Da neben Euch steht ein andrer Verkäufer, dessen Ware erst vorgestern fertig geworden ist. Eure Ware ist ein Ladenhüter und wahrscheinlich mehr oder minder angenagt vom Zahn der Zeit. Ihr müßt also wohlfeiler verkaufen als Euer Rival.“41

Außer den bisher erwähnten Zirkulationskosten entstehen noch solche, die sich aus der Verpackung, der Sortierung, der Teilung der Waren beim Verkauf usw. ergeben. Hier handelt es sich um eine Art Fortsetzung der Produktion in der Zirkulation. Der Gebrauchswert erfährt einige für den Verkauf und die Konsumtion der Waren notwendige Veränderungen. Wie bei der Vorratshaltung geht die dafür aufgewandte lebendige und in Form von Packmaterial, Waagen, Werkzeugen aufgewandte Arbeit, soweit sie sich in gesellschaftlich notwendigem Umfang hält, in den Wert der Waren ein und bildet Mehrwert. Sie vergrößert aber nicht den gesellschaftlichen Reichtum, sondern ist ein Abzug von ihm, aber sie ist gesellschaftlich notwendig, da die Waren ohne diese Arbeit weder ihren Wert noch ihren Gebrauchswert realisieren können.