Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

3.1
Umschlag, Umschlagszeit und Umschlagszahl

Der bestimmende Zweck der kapitalistischen Produktion ist stets die Verwertung des vorgeschossenen Kapitals. Jedes industrielle Kapital muß daher, wenn es seinen Zweck erfüllen soll, ununterbrochen seinen Kreislauf von neuem beginnen. Ein Kapital, das nicht ununterbrochen in Bewegung ist, hört auf, Kapital zu sein. Eine Unterbrechung des Kreislaufs des industriellen Kapitals ist in den meisten Fällen ohne Schaden technisch nicht möglich, da der größte Teil des industriellen Kapitals aus konstantem Kapital besteht, das erst nach und nach verbraucht wird.

Der Kreislauf des Kapitals kann demnach kein vereinzelter Vorgang sein. Das Kapital muß stets von neuem in die Produktions- und Zirkulationssphäre geworfen werden, um sich zu verwerten. Den Kreislauf des Kapitals als einen sich immer wieder von neuem vollziehenden Prozeß bezeichnete Karl Marx als Umschlag des Kapitals und die Zeit, in der sich der Umschlag vollzieht, als Umschlagszeit. „Der Kreislauf des Kapitals, nicht als vereinzelter Vorgang, sondern als periodischer Prozeß bestimmt, heißt sein Umschlag. Die Dauer dieses Umschlags ist gegeben durch die Summe seiner Produktionszeit und seiner Umlaufszeit. Diese Zeitsumme bildet die Umschlagszeit des Kapitals.“46

Karl Marx war der erste Wissenschaftler, der den Umschlag des Kapitals und seine Bedeutung für die Verwertung des Kapitals vollständig untersuchte und die damit verbundenen Probleme, die für die kapitalistische Wirtschaft von ausschlaggebender Bedeutung sind, löste. Wie der Arbeitstag die natürliche Maßeinheit für die Funktion der Arbeitskraft ist, so ist die natürliche Maßeinheit des Umschlags des Kapitals das Jahr. Die Naturbasis dieser Maßeinheit liegt darin, daß, wie Karl Marx feststellte, die wichtigsten Bodenfrüchte der gemäßigten Zone, in der der Kapitalismus entstand, jährliche Produkte sind.47

Wenn wir davon ausgehen, daß ein in der Landwirtschaft angelegtes Kapital aufgrund der natürlichen Bedingungen einmal im Jahr umschlägt, und wenn wir diesen Umschlag als Maßeinheit nehmen, dann haben wir eine Vergleichsmöglichkeit der Umschlagsgeschwindigkeit, d. h. der kürzeren oder längeren Zeit, die die einzelnen Kapitale für ihren Umschlag brauchen.

Bezeichnen wir die Maßeinheit des Umschlags mit U und die wirkliche Umschlagszeit, die ein Kapital benötigt, mit u, dann erhalten wir die Umschlagszahl n als deren direktes Verhältnis:

n = U
u

Oder an einem konkreten Beispiel dargestellt: Die Maßeinheit des Umschlags des Kapitals ist ein Jahr oder 12 Monate. Beträgt die Umschlagszeit eines bestimmten Kapitals 3 Monate, dann ist seine Umschlagszahl 4, das bedeutet, es schlägt viermal in einem Jahr um.

12 = 4
3

Ist dagegen die Umschlagszeit eines bestimmten Kapitals 18 Monate, dann beträgt die Umschlagszahl ⅔, oder es schlägt in einem Jahr nur ⅔ mal um.

12 = 0,666
18

Von dem langsamen oder schnellen Umschlag des Kapitals hängt der Verwertungsgrad des Kapitals ab, denn für den Kapitalisten ist die Umschlagszeit seines Kapitals die Zeit, während der er sein Kapital vorschießen muß, um es zu verwerten und in der ursprünglichen Gestalt zurückzuerhalten. Wir sahen schon, daß auf die Dauer der Umschlagszeit sowohl in der Produktions- als auch in der Zirkulationssphäre mehrere Umstände einwirken. Hierbei erhält auch das unterschiedliche Verhalten der einzelnen Teile des produktiven Kapitals im Produktions- und Verwertungsprozeß eine besondere Bedeutung. Karl Marx entdeckte, wie wir aus dem Studium der Mehrwerttheorie wissen, daß das Kapital, vom Standpunkt des Verwertungsprozesses betrachtet, aus dem konstanten Kapital (c) und dem variablen Kapital (v) besteht. Der Wert des konstanten Kapitals wird unverändert auf das neue Produkt übertragen, während der Wert des variablen Kapitals reproduziert und zugleich ein neuer Wert, der Mehrwert, hinzugefügt wird. Das variable Kapital verändert also im Produktionsprozeß seine Größe, es vermehrt sich.

Was das konstante Kapital betrifft, so verhalten sich seine Bestandteile sehr verschieden. Der Wert der Arbeitsgegenstände (Rohstoffe usw.) wird während eines Produktionsprozesses vollständig auf das neue Produkt übertragen. Die Übertragung des Wertes der Arbeitsmittel (Gebäude, Maschinen) dagegen erfolgt stückweise und hängt vom physischen und moralischen Verschleiß ihres Gebrauchswertes ab. Die Wertübertragung der Arbeitsmittel erfolgt demnach in mehreren aufeinanderfolgenden Produktionsprozessen. Dieses unterschiedliche Verhalten der verschiedenen Bestandteile des konstanten Kapitals und des variablen Kapitals wirkt auf die Umschlagszeit des Kapitals und damit auf seine Verwertung ein.