Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

3.5.1.2
Die Produktionszeit

Das Verhältnis von Arbeitszeit und Produktionszeit haben wir schon kurz behandelt. „Arbeitszeit ist immer Produktionszeit, d. h. Zeit, während deren das Kapital in die Produktionssphäre gebannt ist. Aber umgekehrt ist nicht alle Zeit, während deren das Kapital sich im Produktionsprozeß befindet, deswegen notwendig auch Arbeitszeit.“60

Arbeitsprozeß und Produktionsprozeß sind identisch, wenn der Arbeiter mit dem Werkzeug oder der Maschine den Arbeitsgegenstand bearbeitet und ein Produkt erzeugt oder als Glied des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters tätig ist. Arbeitsprozeß und Produktionsprozeß trennen sich voneinander, wenn, wie in der Landwirtschaft, der Bauer oder Landarbeiter das Feld bestellt hat und die Saat dem Naturprozeß des Wachsens überläßt. Beide vereinigen sich wieder, wenn Unkraut beseitigt, Kopfdünger und Schädlingsbekämpfungsmittel gestreut und schließlich geerntet wird. Die zeitweilige Trennung von Arbeits- und Produktionsprozeß hat sich in wachsendem Maße auch in der Industrie entwickelt. Zum Beispiel wird in der chemischen Industrie und in der Mineralöl verarbeitenden Industrie der Produktionsprozeß durch den Arbeitsprozeß eingeleitet, der Fortgang der Produktion technisch beherrschten Naturprozessen überlassen, zwischendurch wieder mit dem Arbeitsprozeß vereinigt und am Schluß durch die Wiedereinschaltung menschlicher Arbeit abgeschlossen.

„In allen diesen Fällen besteht also die Produktionszeit des vorgeschoßnen Kapitals aus zwei Perioden: Einer Periode, worin das Kapital sich im Arbeitsprozeß befindet; einer zweiten Periode, worin seine Existenzform – die von unfertigem Produkt – dem Walten von Naturprozessen überlassen ist, ohne sich im Arbeitsprozeß zu befinden. Ob diese beiden Zeiträume sich stellenweis duchkreuzen und zwischeneinanderschieben, ändert nichts an der Sache. Arbeitsperiode und Produktionsperiode decken sich hier nicht. Die Produktionsperiode ist größer als die Arbeitsperiode. Aber erst nach Zurücklegung der Produktionsperiode ist das Produkt fertig, reif, also aus der Form von produktivem Kapital verwandelbar in die von Warenkapital. Je nach der Länge der nicht aus Arbeitszeit bestehenden Produktionszeit verlängert sich also auch seine Umschlagsperiode.“61

Das Entscheidende im Verhältnis von Arbeitsprozeß und Produktionsprozeß ist die Feststellung, daß der Arbeitsprozeß immer Produktionsprozeß ist, daß es keinen Produktionsprozeß ohne einleitenden Arbeitsprozeß gibt. Der Arbeiter muß den Produktionsprozeß vorbereiten und die Produktionsmittel in Bewegung setzen, erst dann ist es Produktionsprozeß als bewußter Prozeß menschlicher Tätigkeit. Naturprozesse allein sind keine Produktionsprozesse.

Mit der Entfaltung der wissenschaftlich-technischen Revolution werden Naturprozesse immer häufiger als Arbeitsmittel verwendet. Diese Entwicklung schilderte Marx in genialer Vorausschau: „Es ist nicht mehr der Arbeiter, der modifizierten Naturgegenstand als Mittelglied zwischen das Objekt und sich einschiebt; sondern den Naturprozeß, den er in einen industriellen umwandelt, schiebt er als Mittel zwischen sich und die unorganische Natur, deren er sich bemeistert. Er tritt neben den Produktionsprozeß, statt sein Hauptagent zu sein. In dieser Umwandlung ist es weder die unmittelbare Arbeit, die der Mensch selbst verrichtet, noch die Zeit, die er arbeitet, sondern die Aneignung seiner eignen allgemeinen Produktivkraft, sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper – in einem Wort die Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums, die als der große Grundpfeiler der Produktion und des Reichtums erscheint.“62

Aus dieser Entwicklung ergeben sich für die Verwertung des Kapitals einige Probleme. Mit der Verwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft wächst der Anteil des fixen Kapitals am vorgeschossenen Kapital und vermindert sich relativ das variable Kapital, die Anzahl der von einem gegebenen Kapital beschäftigten Arbeiter. Zugleich scheidet, wie Karl Marx darlegte, der Arbeiter immer mehr aus dem unmittelbaren Produktionsprozeß aus, zu dem er sich „als Wächter und Regulator“63 verhält.

Heißt das nun, daß damit die Produktion von Wert und Mehrwert erlischt? In seiner Lehre von der produktiven und unproduktiven Arbeit stellte Karl Marx fest, daß mit der Vergesellschaftung des kapitalistischen Produktionsprozesses das Produkt Ergebnis der Arbeit eines gesellschaftlichen Gesamtarbeiters wird, wobei das einzelne Glied dieses Gesamtarbeiters nicht unmittelbar Hand anzulegen braucht. Die Anwendung von Naturprozessen als Arbeitsmittel und auf dieser Grundlage von automatisierten Produktionsprozessen entwickelt zugleich den gesellschaftlichen Gesamtarbeiter auf einer höheren Stufe, der „sein Verständnis der Natur und die Beherrschung derselben durch sein Dasein als Gesellschaftskörper“64 zur Produktivkraft entwickelt.

Diese gewaltige Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, die zugleich eine weitere außerordentliche Entwicklung der Vergesellschaftung des kapitalistischen Produktionsprozesses ist, treibt notwendigerweise über die kapitalistischen Produktionsverhältnisse hinaus, verschärft also den Grundwiderspruch des Kapitalismus und fordert seine Ablösung durch den Sozialismus.

Kehren wir zurück zum Verhältnis von Arbeitszeit und Produktionszeit. Die Differenz zwischen der Arbeitszeit und der Produktionszeit berührt vor allem die Bewegung des zirkulierenden Kapitals.

Erstens: Das zirkulierende Kapital kann sich in der Produktionszeit befinden, ehe es in den eigentlichen Arbeitsprozeß eingeht (Ablagerung von Holz in der Möbel- und Leistenfabrik).

Zweitens: Das zirkulierende Kapital kann sich in der Produktionszeit befinden, nachdem es den Arbeitsprozeß durchgemacht hat (Wirkung der Naturprozesse, zum Beispiel Gärung des Weins, Wachstum des Saatkorns).

Drittens: Die Produktionszeit wird stellenweise durch den Arbeitsprozeß unterbrochen (Feldbau).

Viertens: Ein großer Teil des Produkts, das in die Zirkulation eingehen kann, bleibt im aktiven Produktionsprozeß, und nur ein viel geringerer Teil geht in die jährliche Zirkulation ein (Forstwirtschaft und Viehzucht).

Die Differenz zwischen Produktionszeit und Arbeitszeit wirkt sich auf die verschiedenste Weise auf den Umschlag des Kapitals aus. Sie verlangsamt den Umschlag des Kapitals und führt dazu, daß ein Teil des fixen Kapitals eine bestimmte Zeit nicht ausgenutzt werden kann, wie zum Beispiel die Arbeitsmittel in der Landwirtschaft zwischen Saat und Ernte. Diese unterliegen dann dem natürlichen Verschleiß.