Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

3.5.1
Produktionszeit und Umlaufszeit

Der Kreislauf jedes einzelnen industriellen Kapitals bewegt sich in zwei Sphären: der Produktionssphäre und der Zirkulationssphäre. Die Zeit, während der es sich in der Produktionssphäre befindet, ist seine Produktionszeit, und die Zeit, während der es sich in der Zirkulationssphäre befindet, ist seine Zirkulationszeit oder Umlaufszeit. „Die gesamte Zirkulationszeit eines gegebnen Kapitals ist gleich der Summe seiner Umlaufszeit und seiner Produktionszeit.“57

Karl Marx wandte hier den Begriff der Zirkulationszeit in zweifachem Sinne an: einmal als die Zeit, in der sich das industrielle Kapital in der Zirkulationssphäre befindet, und das andere Mal als die gesamte Zeit, in der es den Kreislauf in beiden Sphären durchläuft. Die Dauer des Aufenthalts in jeder der beiden Sphären ist durch objektive, das heißt vom Willen der Kapitalisten unabhängige Bedingungen bestimmt.

Die Produktionszeit ist erstens durch die Dauer des Produktionsprozesses bestimmt. Diese hängt sowohl von „den natürlichen und technischen Bedingungen als auch von der Qualifizierung der Arbeiter und der Intensität ihrer Arbeit ab. Die Produktionszeit selbst besteht wieder aus der eigentlichen Arbeitszeit, in der der Arbeiter durch seine konkrete Arbeit den Gebrauchswert der Waren und durch seine abstrakte Arbeit den Wert und Mehrwert produziert, und aus jenem Teil, in dem Naturprozesse ohne unmittelbare Anteilnahme des Arbeiters den Produktionsprozeß vollziehen. Solche produktiven Naturprozesse sind zum Beispiel der Gärungsprozeß von Bier und Wein, die Kochprozesse bei der Gewinnung von Zellulose oder Zucker, der Schmelzprozeß von Eisen, Stahl usw.

Die Unterscheidung von Arbeitszeit und Produktionszeit, in der Naturprozesse wirksam sind, ist von großer Bedeutung für die Produktion von Wert und – was für die Kapitalisten ausschlaggebend ist – von Mehrwert. Nur in der Arbeitszeit, das heißt während der Zeit, in der der Arbeiter unmittelbar am Produktionsprozeß beteiligt ist, wird sowohl der Wert der Produktionsmittel auf das neue Produkt übertragen als auch Wert und Mehrwert erzeugt. In der Produktionszeit, in der nur die Naturprozesse wirksam sind, wird kein Wert und Mehrwert produziert, aber der Wert der verbrauchten Produktionsmittel wird auf das neue Produkt übertragen, obwohl der Arbeiter in dieser Zeit nicht unmittelbar am Produktionsprozeß beteiligt ist. Diese Naturprozesse werden jedoch durch die Arbeit des Arbeiters eingeleitet und sind dadurch ein Teil des Produktionsprozesses.

Die Produktionszeit ist zweitens durch die Dauer des Aufenthalts der Produktionsmittel, insbesondere der Arbeitsgegenstände, im Vorbereitungsstadium für den Produktionsprozeß bestimmt. Gewisse Rohstoffe, zum Beispiel Holz, müssen, ehe sie in den eigentlichen Produktionsprozeß eingehen, vorgelagert werden, um produktionsfähig zu sein. Diese Zeit des Aufenthalts im Vorbereitungsstadium ist, soweit sie den normalen technischen Bedingungen entspricht, ein Teil der Produktionszeit. In dieser Zeit wird weder Gebrauchswert noch Wert und Mehrwert erzeugt, aber der Aufenthalt in der Produktionssphäre wird verlängert.

Die Länge der Produktionszeit wird schließlich drittens durch die Pausen im Produktionsprozeß bestimmt, die naturgemäß durch die Einteilung des Tages in Tag- und Nachtzeit entstehen. In der Zeit, in der der Produktionsprozeß ruht, wird kein Gebrauchswert, Wert und Mehrwert erzeugt, aber die Produktionsmittel, insbesondere die Arbeitsmittel (Gebäude, Anlagen, Maschinen usw.), unterliegen natürlichen Einwirkungen, sie verrosten beispielsweise. Der dadurch entstehende Wertverlust verteuert die Waren.

Die Dauer der Produktionszeit wird demnach durch eine Anzahl von Faktoren beeinflußt, die den natürlichen und technischen Bedingungen des Produktionsprozesses entspringen und darum für die kapitalistische Produktionsweise von großer Bedeutung sind.

Die Umlaufszeit wird durch die Dauer des Aufenthalts des Kapitals in der Zirkulationssphäre bestimmt. Diese hängt erstens von der Art der Waren ab. Handelt es sich um Produkte, die laufend aus der Produktion kommen und in die produktive oder individuelle Konsumtion eingehen, wie zum Beispiel Industriegüter und Rohstoffe, dann kann der Aufenthalt in der Zirkulation verhältnismäßig kurz sein. Handelt es sich um Produkte, die periodisch erzeugt werden, beispielsweise Agrarprodukte, dann ist eine gewisse Vorratsbildung auch in der Zirkulation notwendig.

Die Dauer der Umlaufszeit hängt zweitens von den Zufällen ab, die sich aus dem anarchischen Charakter der kapitalistischen Warenproduktion ergeben, bei Absatzstockungen zu unfreiwilliger Vorratsbildung in der Zirkulationssphäre führen und dadurch die Umlaufszeit verlängern.

Die eigentliche Umlaufszeit umfaßt die Zeit des Kreislaufs des individuellen Kapitals, in der die Waren verkauft und gekauft werden. In dieser Zeit findet weder eine Veränderung am Gebrauchswert noch am Wert der Waren statt. Die Umlaufszeit ist in jeder Warenproduktion notwendig, da in dieser Zeit der Wert der Waren und im Kapitalismus auch der Mehrwert realisiert wird und zugleich die Elemente des produktiven Kapitals gekauft werden. In der Umlaufszeit wird das Kapital dem Wertbildungs- und Verwertungsprozeß entzogen. Je länger die Umlaufszeit, desto geringer die Verwertung des Kapitals. „Umlaufszeit und Produktionszeit“, lehrte Karl Marx, „schließen sich wechselseitig aus. Während seiner Umlaufszeit fungiert das Kapital nicht als produktives Kapital und produziert daher weder Ware noch Mehrwert.“58

Aus der Produktionszeit und aus der Umlaufszeit des Kapitals ergeben sich demnach Probleme, die für die Verwertung des Kapitals von größter Bedeutung sind. In der Produktionszeit produziert das Kapital Gebrauchswert und Wert. Es verwertet sich, obgleich darin auch die Zeit enthalten ist, in der es zwar im Produktionsprozeß, aber nicht im Verwertungsprozeß steckt. In der Umlaufszeit findet weder Produktion noch Verwertung statt.

Daraus ergeben sich folgende wichtige Schlußfolgerungen. Erstens: Je mehr die Arbeitszeit, das heißt die Zeit der unmittelbaren Teilnahme der Arbeiter am Produktionsprozeß, mit der Produktionszeit übereinstimmt, desto größer die Verwertung des Kapitals. Zweitens: Je kürzer die Umlaufszeit, das heißt die Zeit des Aufenthalts des Kapitals in der Zirkulationssphäre, desto größer die Verwertung des Kapitals.

Die Geschwindigkeit, mit der das Kapital sowohl die Produktionssphäre als auch die Zirkulationssphäre durchläuft, ist demnach ein wichtiger Faktor für die Verwertung des Kapitals.