Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

7.
Die Zirkulation des Mehrwerts

Im Zusammenhang mit der Untersuchung des Kreislaufs des Kapitals wies Karl Marx auf ein Problem hin, das sich aus der Rolle des Geldumlaufs im Zirkulationsprozeß des Kapitals ergibt. Er stellte fest, daß die Kapitalisten zum Ankauf der Produktionsmittel und Arbeitskräfte eine bestimmte Geldsumme ausgeben, die die Größe von c + v hat. Nach vollzogenem Produktions- und Verwertungsprozeß verfügen sie über Waren im Werte von c + v + m. Haben sie diese Waren verkauft, besitzen sie eine größere Geldsumme, als sie für den Kauf der Produktionsmittel und Arbeitskräfte ausgegeben haben. Sie ist um den Mehrwert vergrößert.

Karl Marx warf nun die Frage auf: Wo kommt das Geld für den Mehrwert her? Diese zunächst verblüffende Frage löst sich verhältnismäßig einfach auf der Grundlage der Marxschen Theorie vom Geld und Geldumlauf. Wie kommt das Geld überhaupt in die Zirkulation? Das Geld wurde zum allgemeinen Äquivalent, weil es in Form von Gold und Silber als Ware produziert wurde und den anderen Waren als ihnen etwas Gleiches, als Verkörperung des Wertes gegenüberstand. Die Produzenten der Geldware (Gold und Silber) kauften dafür Waren, und das Gold verblieb in der Zirkulation, wo es als Zirkulationsmittel, Zahlungsmittel und Schatz fungiert.73

Einmal in der Zirkulation, bestimmt sich die zur Zirkulation notwendige Geldsumme durch das von Karl Marx entdeckte Geldumlaufgesetz74:

Preissumme der Waren = Masse des als
Zirkulationsmittel
funktionierenden Geldes
Umlaufsanzahl gleichnamiger Geldstücke

Die Frage lautet daher nicht: Woher kommt das Geld zur Realisierung des Mehrwerts?, sondern: Woher kommt das Geld überhaupt? Ein Teil der gesellschaftlichen Arbeit muß, wie Karl Marx lehrt, jährlich der Produktion von Geldmaterial geopfert werden. Die Produktion von Geldmaterial verursacht faux frais, das heißt unproduktive, aber notwendige Kosten. „Ein Teil der gesellschaftlichen Arbeitskraft und ein Teil der gesellschaftlichen Produktionsmittel muß also in der Produktion von Gold und Silber jährlich verausgabt werden.“75

Um also den Wert der Waren sowie den Mehrwert zu realisieren, das heißt in Geld zu verwandeln, muß eine entsprechende Menge Geld in der Zirkulation sein. Vergrößert sich die Masse und damit die Preissumme der Waren und bleibt die Umlaufsgeschwindigkeit unverändert, dann muß mehr Geld in die Zirkulation fließen. Vermindert sich die Warenmenge und die Preissumme unter denselben Umständen, dann muß sich die zirkulierende Geldmenge vermindern und ein Teil des Geldes als Schatz niederschlagen.

Zu der Frage, woher das Geld des um den Mehrwert vergrößerten Warenwerts kommt, schrieb Karl Marx: „Die allgemeine Antwort ist bereits gegeben: Wenn eine Warenmasse von x × 1000 Pfd. St. zu zirkulieren, so ändert es absolut nichts am Quantum der zu dieser Zirkulation nötigen Geldsumme, ob der Wert dieser Warenmasse Mehrwert enthält oder nicht, ob die Warenmasse kapitalistisch produziert ist oder nicht. Das Problem selbst existiert also nicht …

Indes existiert allerdings, vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion, der Schein eines besondren Problems. Es ist nämlich hier der Kapitalist, welcher als der Ausgangspunkt erscheint, von dem das Geld in die Zirkulation geworfen wird. Das Geld, das der Arbeiter zur Zahlung seiner Lebensmittel ausgibt, existiert vorher als Geldform des variablen Kapitals und wird daher ursprünglich vom Kapitalisten in Zirkulation geworfen als Kauf- oder Zahlungsmittel von Arbeitskraft.“76

Betrachten wir nur das Verhältnis von Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse, so geht das Geld von den Kapitalisten aus, denn diese besitzen das Geld und kaufen dafür Produktionsmittel und Arbeitskräfte. Bei einfacher Reproduktion verbrauchen die Kapitalisten den gesamten Mehrwert für ihre individuelle Konsumtion. Das heißt, sie verwandeln ihre Waren einschließlich Mehrwert in Geld und das Geld wiederum in Waren – einerseits in Produktionsmittel und Arbeitskräfte und andererseits in Mittel für die individuelle Konsumtion.

Erste Frage: Woher kommt das Geld für die Realisierung des Mehrwerts? Es kommt aus derselben Quelle wie das Geld für die Realisierung des Warenwerts überhaupt. In der Zirkulation besteht kein Unterschied zwischen Wert und Mehrwert, sondern die Waren haben einen Wert, unabhängig davon, ob sie kapitalistisch oder nichtkapitalistisch produziert sind, und dieser Wert muß in Geld verwandelt werden. Diese notwendige Geldsumme muß in der Zirkulation sein. Wem aber gehört das Geld? Das Geld gehört ebenso wie die Produktionsmittel und Konsumtionsmittel den Kapitalisten. Die Arbeiter erhalten Geld und Lebensmittel nur durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft. Das bedeutet, daß die Kapitalisten neben den Produktionsmitteln und Konsumtionsmitteln immer eine bestimmte Geldsumme haben müssen, die sie als Geld und Geldkapital in die Zirkulation werfen. Daraus ergibt sich die zweite Frage: An wen verkaufen die Kapitalisten ihren Mehrwert? Sie verkaufen sich den Mehrwert gegenseitig. „In der Tat, so paradox es auf den ersten Blick scheint, die Kapitalistenklasse selbst wirft das Geld in Zirkulation, das zur Realisierung des in den Waren steckenden Mehrwerts dient. Aber notabene: sie wirft es hinein nicht als vorgeschoßnes Geld, also nicht als Kapital. Sie verausgabt es als Kaufmittel für ihre individuelle Konsumtion. Es ist also nicht von ihr vorgeschossen, obgleich sie der Ausgangspunkt seiner Zirkulation ist.“77

Wir gingen von der einfachen Reproduktion aus. Jeder Kapitalist verbraucht demzufolge den ganzen Mehrwert individuell. Das kann er aber nur, wenn er seinen Mehrwert in Warenform verkauft, um für das Geld Waren anderer Art für die individuelle Konsumtion zu kaufen. Die Kapitalisten verkaufen sich also ihren Mehrwert gegenseitig, denn sonst könnte keiner von ihnen den Mehrwert individuell konsumieren. Der Mehrwert läßt sich demnach in Geld realisieren, weil das Geld in Waren realisiert werden kann. Obwohl der Mehrwert Zweck und Ziel der kapitalistischen Produktion ist, ist die Geldform des Mehrwerts auch nur ein vorübergehendes Stadium, da dieses Geld nur Kapital bleibt, wenn es von neuem in Produktionsmittel und Arbeitskräfte, also in die Elemente des produktiven Kapitals, verwandelt wird. Daher tritt das scheinbare Problem – woher das Geld zur Realisierung des Mehrwerts kommt – auch bei erweiterter Reproduktion, bei der Akkumulation des Kapitals auf.

„Die allgemeine Antwort ist wieder dieselbe: Die Preissumme der zirkulierenden Warenmasse ist vermehrt, nicht, weil die Preise einer gegebnen Warenmasse gestiegen, sondern weil die Masse der jetzt zirkulierenden Waren größer ist als die der früher zirkulierenden Waren, ohne daß dies durch einen Fall der Preise ausgeglichen wäre. Das zur Zirkulation dieser größern Warenmasse von größrem Wert erforderte zuschüssige Geld muß beschafft werden entweder durch erhöhte Ökonomisierung der zirkulierenden Geldmasse – sei es durch Ausgleichung der Zahlungen etc., sei es durch Mittel, welche den Umlauf derselben Geldstücke beschleunigen – oder aber durch Verwandlung von Geld aus der Schatzform in die zirkulierende Form.“78

Den im Zusammenhang mit der Zirkulation des Mehrwerts aufgetretenen Problemen werden wir noch einmal bei der Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals79 begegnen. Ein sich dahinter verbergendes Problem, das von den Vulgärökonomen und Apologeten des Kapitalismus verbreitet wurde, ist: Wenn also die Kapitalisten sich gegenseitig den Wert ihrer Waren und damit den Mehrwert realisieren, dann könnte es doch keine Wirtschaftskrisen im Kapitalismus geben.

Karl Marx hatte aber darauf hingewiesen, daß im Kapitalismus aufgrund des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln keine vorausplanende Abstimmung der Bedürfnisse erfolgen kann, daß sie „post festum“, erst nach der Produktion, als ein von außen wirkendes Zwangsgesetz erfolgt und dadurch unter großen Störungen. Vor allem aber ist der Grundwiderspruch des Kapitalismus Hauptursache der periodischen Überproduktionskrisen. „Widerspruch in der kapitalistischen Produktionsweise: Die Arbeiter als Käufer von Ware sind wichtig für den Markt. Aber als Verkäufer ihrer Ware – der Arbeitskraft – hat die kapitalistische Gesellschaft die Tendenz, sie auf das Minimum des Preises zu beschränken.“80

Die Marxsche Analyse und Darlegung der Probleme des Kreislaufs und Umschlags des Kapitals haben uns vom Einzelkapital zum gesellschaftlichen Gesamtkapital geführt, und es wurde angedeutet, wie sich die antagonistischen Widersprüche, von denen schon das Einzelkapital durchdrungen ist, im gesellschaftlichen Maßstab entfalten. Die Kenntnis dieser Probleme und Widersprüche erleichtert daher das Verständnis der Probleme und Widersprüche des gesellschaftlichen Gesamtkapitals.81