RotFuchs 200 – September 2014

Als die NATO Jugoslawien überfiel

Dr. Ulrich Sommerfeld

Im März 1998 kam es in der Bundesrepublik Jugoslawien zu einem bewaffneten Konflikt, der durch die vom Westen geförderte und finanzierte kriminelle „Befreiungsarmee des Kosovo“ (UÇK) vom Zaun gebrochen worden war.

In einer zweiten Phase der Auseinandersetzungen, die von März bis Juni 1999 andauerten, griffen die NATO-Staaten direkt ein, um die von ihnen angestrebte Abspaltung Kosovos zu beschleunigen. Den Befehl zum völkerrechtswidrigen Losschlagen gab der damalige NATO-Generalsekretär Javier Solana am 23. März. Als Vorwand diente ein angeblicher „Hufeisenplan“ Belgrads zur Vertreibung der Albaner aus Kosovo. Der Überfall auf Jugoslawien weitete sich zu einer der größten Operationen mit Luftstreitkräften aus, die seit dem Zweiten Weltkrieg unternommen worden sind. Es handelte sich um einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Die Angriffe waren durch kein UN-Mandat gedeckt. Ex-Bundeskanzler Schröder hat im März 2014 die Beteiligung der BRD-Luftwaffe an dieser Aggression ein weiteres Stück enthüllt.

Binnen kürzester Frist setzten die USA ihr seit 1992 verfolgtes Konzept der Out-of-Area-Einsätze ohne UN-Mandat in der NATO durch. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten beschlossen am 24./25. April 1999 die neue militär-strategische Linie des imperialistischen Kriegspaktes. Die UNO als kollektives Sicherheitsinstrument wie auch die Vetomächte Rußland und China wurden dadurch de facto ausgehebelt.

Die Zerstörungen durch die NATO-Luftwaffe waren verheerend. Deren Angriffe zielten vor allem auf die Infra- und Wirtschaftsstruktur des Landes. Die Bundeswehr geht davon aus, daß 200 Fabriken und Kraftwerke, 45 Brücken, 5 zivile Flughäfen, 2 von 3 Ölraffinerien, 12 Eisenbahnlinien und 10 Straßenverbindungen in Serbien zerstört oder schwer beschädigt wurden. Belgrad bezifferte 1999 die materiellen Schäden mit mehr als 100 Mrd. Euro. Auch Wohnviertel waren Bombenziele. Innerhalb von 78 Tagen kamen bei den Attacken nach unterschiedlichen Angaben zwischen 2500 und 3500 Menschen, darunter 89 Kinder, ums Leben. Man zählte 12 500 Verletzte. 1031 Militärs und Polizisten fanden den Tod.

Die NATO-Luftstreitkräfte setzten Schütt- und Sprengbomben sowie Uranmunition ein. Noch heute liegen unzählige Blindgänger im Boden.

Im Zuge ihrer auf solche Weise eingeleiteten „Demokratisierung“ brachten die USA und die EU in Serbien jene politischen Kräfte ans Ruder, die dazu bereit waren, Präsident Slobodan Miloševic 2001 dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auszuliefern. Im Jahre 2002 wurde gegen ihn ein fingierter Prozeß eröffnet, dessen Ende er nicht mehr erlebte. Er starb am 11. März 2006 unter bis heute ungeklärten Umständen im Gefängnis. Inzwischen weiß alle Welt, daß nicht er, sondern ganz andere Leute vor Gericht gehört hätten.

Obwohl mit der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999 Souveränität und Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien offiziell garantiert wurden, betrieben USA, NATO und EU systematisch die Abspaltung der Kosovo-Region. Im Februar 2008 erklärte ein an die Macht geputschtes UÇK-Marionettenregime die Unabhängigkeit von Serbien.

Serbische Politiker gehen zwar offiziell davon aus, Kosovo nach wie vor als eigenes Staatsgebiet zu betrachten. Doch die jetzt in Belgrad den Ton Angebenden, die gegenüber NATO und EU äußerst handzahm sind, reden auch in dieser Frage sehr leise. Sie erhoffen sich durch Wohlverhalten erleichterten Zugang zu den Märkten Westeuropas und eine Eintrittskarte in beide Paktsysteme.

In der BRD gab es heftige verbale und mediale Auseinandersetzungen zu Schröders jüngsten Äußerungen. Die Grünen nahmen ihm seine Offenherzigkeit übel, zumal ihre Partei in damals mitgetragener Regierungsverantwortung endgültig den Nimbus einer halblinken Friedenskraft eingebüßt hatte. Der frühere Vizekanzler und Außenminister Joseph Fischer erreichte auf dem Sonderparteitag der Grünen in Bielefeld sogar die Zustimmung seiner Partei zu diesem ersten Kampfeinsatz der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg.