RotFuchs 215 – Dezember 2015

Anstelle einer kirchlichen Fürbitte …

Günter Herlt

Auf der alternativen Festtagssitzung der ostdeutschen Verbände, die am 3. Oktober in Berlin stattfand, trug der namhafte DDR-Fernsehpublizist Günter Herlt folgende Litanei vor.

Gott schütze den Kapitalismus – nachdem ihn seine Heiligkeit, der Papst, mehrfach an den Pranger gestellt hat!

Du zögerst bei solcher Andacht, denn er erscheint dir oft ungerecht, rabiat und wahnsinnig? Das darf dich nicht irritieren. Er ist so. Das liegt in seiner Natur. Und er hat fast alle überrollt, die ihm dazwischengefunkt haben. Doch nun würgen sein Größenwahn und seine Gewissenlosigkeit immer mehr Völker und Erdteile. Die Welt scheint aus den Fugen. Wer hat sie ausgehebelt?

Er tarnt seine Brechstangen als „humanitäre Hilfeleistung“. Doch seine unersättliche Gier und sein Machtstreben unterminieren jede Humanität. Die alles beherrschenden Geldgeber machen ihn unbeherrscht.

Wir müssen lernen, ihn zu bändigen – gerade, wenn er sich unbändig gibt. Er schwenkt gerne die Wimpel der Werte. Doch er fördert viel mehr die gemeinen Sinne als den Gemeinsinn.

Er profitiert vom wuchernden Egoismus, Nationalismus und Chauvinismus. Doch unter diesen Giftschwaden ersticken zu viele Mitmenschen.

Es gibt auch „weiße Raben“ unter den Kapitalisten, die längst begriffen haben: „Man darf dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden!“ Es gibt aber noch nicht genügend Ochsen, die begriffen haben, daß sie keine sein müssen. Doch der Wind dreht sich!

Wenn jene, die das Sagen haben, wie Pech und Schwefel zusammenhalten, müssen jene, die das Fragen haben, aufeinander zugehen, um zu begreifen: Wir sind stärker!

Natürlich fragen die Herrschenden: Wer jammert hier im Überfluß?

Wer rebelliert, wo selbst Untätige ein Einkommen zum Auskommen haben? Tatsächlich gibt es kein materielles Bedürfnis, das der Kapitalismus nicht umgehend befriedigen könnte. Das fällt ihm so leicht, daß er unentwegt neue Bedürfnisse produziert, um produzieren und kassieren zu können. 10lagiges Toilettenpapier, 99 Sorten Nagellack, Autos, die alleine in die Wolfsburg „zurückfinden“, tausend Tapetenmuster, Millionen Lieferanten im Internet ... Sag nur, was du brauchst.

Aber sage nicht, du brauchst gute Arbeit für guten Lohn, um nützlich und ehrlich dein Brot zu verdienen! Sage nicht, du brauchst eine verläßliche friedfertige Zukunft als Dach der Familie!

Das schafft er nicht. Seit Jahrhunderten nicht! Immer nur punktuell und zeitweilig. Stets bietet er manches für manche. Nie alles für alle. Nicht mal alles Wesentliche für alle Gutwilligen. Und er hat eine Armee von Meinungsmachern, die erklären, warum das ein Traum bleiben soll. Doch für die, die es betrifft, ist es die Hölle. Die ersaufen zu Tausenden im Meer, um zu entkommen! Die stürmen die Wohlstandsfestungen und lassen sich lieber anpöbeln und abschieben, als weiter wie Getier zu vegetieren, dort, wo seine teuflische Raffgier als menschliche Tüchtigkeit gefeiert wird.

Dabei durchwühlen und verpesten seine „Global Player“ die Erde, daß sie zunehmend unbewohnbar wird. Am schnellsten dort, wo die Beute mit dem Kriegsbeil geteilt wird. Das fördert den Stuhlgang der Börse. So bringen auch die verlorenen Schlachten märchenhafte Gewinne.

Er wird das immer „Freiheitsgewinn“ nennen, weil es die Seinen tatsächlich freier macht. Sie kamen vom 10fachen zum 100fachen Profit. Weil Gott mit ihnen ist?

Aber nein! Dessen amtierender Stellvertreter in Rom hat gerade wieder beklagt, daß diese  Wirtschaftsweise tötet!

Die Freiheit, das aufzuhalten, ist kostbar, aber sehr begrenzt!

Und weil der Sieg der Vernunft nur der Sieg der Vernünftigen sein kann, wird so irrsinnig viel Klugheit in die Verblödung investiert.

Wer das nicht sieht oder glaubt, gehört schon zu den Opfern.

Wir aber nicht! Amen!