RotFuchs 233 – Juni 2017

Anti-Kriegs-Denkmale
im sorbischen Crostwitz

Dr. Dieter Rostowski

Sorbische Kunst und Kultur gehörten zu DDR-Zeiten zum Alltag der Menschen in der Lausitz und wirkten über unsere Grenzen hinaus. So gab es im Rahmen internationa­len Zusammenwirkens viele Begegnungen sorbischer Kulturgruppen mit Funktionären der Domowina, dem Dachverband sorbischer Vereine und Vereinigungen, und Gästen aus dem sozialistischen Ausland. Ein solches Treffen fand am 22. Juli 1966, dem 22. Jahrestag Volkspolens, im Kreis Zagan statt. Dazu waren Erich Garten – damals stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz – eingeladen und der Vorsitzende des Kreisverbandes Kamenz der Domowina Georg Schäfer. Während der Feierlichkeiten erfolgte ein Besuch im Divisionsstab der Panzertruppen in Zagan. Im Mittelpunkt eines Gesprächs mit polnischen Offizieren stand die Befreiung der Lausitz unter Mitwirkung der 2. Polnischen Armee 1945. Wir erfuhren vom Heldenmut polnischer Einheiten, die an Operationen der 1. Ukrainischen Front in der Lausitz beteiligt waren. Die polnische Armee erlitt im Gebiet zwischen Kamenz und Bautzen im April 1945 hohe Verluste im Kampf gegen SS-Einheiten und die deutsche Wehr­macht.

Eingeweiht im Oktober 1967: Zum Gedenken der im Kampf gegen den Faschismus im April 1945 gefallenen polnischen Soldaten - ihr Opfer ist uns ewig Mahnung!

„Auf der Rückfahrt reifte bei Georg Schäfer und mir der Entschluß, neben der Würdigung der gefallenen Sowjetsoldaten auch für die polni­schen Kämpfer ein ehrendes Gedenken an ihren Opfermut zu schaffen. Da wir wußten, daß es um und in Panschwitz, Kuckau, Crostwitz und Horka die schwersten Kämpfe gab, sollte das Denkmal hier errichtet werden“, sagte Erich Garten später. Mit dem Entwurf wurde der Königsbrücker Bild­hauer Tausch beauftragt. Die Einweihung sollte zu Ehren des Jahrestags der Polnischen Volks­armee im Oktober 1967 erfolgen. In Stein gehau­en werden der sterbende polnische Soldat in der aufgehenden Morgensonne und die weinende sorbische Mutter gezeigt. Zur Bedeutung der Flammenschale betonte Georg Schäfer, daß sie getreu unserem Schwur als Flamme des Friedens, der Freundschaft und des Glücks der Völker brennen soll.

Anläßlich des 22. Jahrestags der Befreiung vom Faschismus berichtete die sorbische Presse ausführlich über das Geschaffene. Mit 18 Autos fuhren sorbische Jugendliche am 6. Mai 1967 gemeinsam mit ehemaligen Frontkämpfern der polnischen Armee und Soldaten der Sowjetarmee etwa 200 Kilometer auf den Straßen der Befreiung und hielten an ehemaligen Kampfstätten, wie im „Tal des Todes“ bei Panschwitz-Kuckau im Kreis Kamenz, zum Gedenken an.

Auch ein Jahr später gab es solche Aktivitäten: Am 6. Mai 1968 weilte eine Delega­tion aus Polen im Altkreis Kamenz, um die gefallenen Helden der polnischen Armee zu ehren. Ein ehemaliger Soldat der 2. Polnischen Armee (H. Kolczynski) füllte einen Pokal mit Lausitzer Erde, um sie in seine Heimat nach Polen mitzunehmen. Am 11. und 12. Mai beteiligte sich eine Delegation der Domowina bei der Enthüllung des Denkmals für die Gefallenen der 14. Panzerartilleriebrigade in Tomasz in der Volks­republik Polen. Und am 6. Oktober 1968 weilte eine Militärdelegation mit Angehö­rigen der 2. Polnischen Armee unter Leitung des Brigadegenerals J. Czarneck in Crost­witz am Denkmal, um der Gefallenen zu gedenken. Ein solches Gedenken fand auch am 1. November statt, als eine Delegation polnischer Arbeiter aus Thierbach mit dem polnischen Militärattaché in der DDR, Magister St. Pugar, das Denkmal besuch­te.

Diese Tradition wurde auch in den 70er Jahren gepflegt. Am 12. Oktober 1970 fand eine Manifestation der Freundschaft der sieben sozialistischen Armeen anläßlich des Manövers „Waffenbrüderschaft“ und der 27. Wiederkehr der Gründung der Polnischen Armee am Denkmal statt. Am 11. März 1975 weilte eine polnische Militärdelegation unter Leitung des Ministers für Nationale Verteidigung Polens, Armeegeneral Woj­ciech Jaruzelski, am Denkmal. Am 3. Mai 1975 führte die sorbische Jugend gemein­sam mit einer Delegation der Sowjetarmee unter Leitung des Kapitäns W. Mjelnik, mit Vertretern der 2. Polnischen Armee unter Leitung des Majors J. Borowick und Dele­gierten der Domowina unter Leitung von Jurij Gros und Vertretern des Zentralrats der FDJ einen Autocorso auf den Straßen der Befreiung durch.

Führende Offiziere der 2. Polnischen Armee dankten den Sorben und den Deutschen dafür, daß das Andenken an den Opfermut der Befreier in Ehren gehalten wird und regten an, bis zum 45. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus 1980 ein neues, größeres Denkmal zu errichten.

An den Vorbereitungen für das neue Monument am „Fulksberg“ und seinem Bau waren Einwohner von Crostwitz, Bürger der umliegenden Ortschaften, der Dresdener Bildhauer Johannes Peschel, polnische Zimmerleute und die Brigade „Ostrowski“ vom VEB Lausitzer Granit aus Bischheim-Häslich beteiligt. In mehr als 4500 freiwilligen Arbeitsstunden halfen sie, die gesamte Anlage zu erneuern.

Soldaten der polnischen und sowjetischen Armee sowie der NVA als Ehrenwache am Ehrenmal

Das sechs Meter hohe zweite Monument von 1980 stilisiert eine polnische Adlerschwinge und führt im oberen Teil das Adlerwappen.
Der Sockel des Denkmals, der zu Beginn der Veranstaltung verhüllt war, weist das Datum 28. April 1945 aus. Es ist das Datum, das auf den letzten sehr opferreichen Tag dieser Kämpfe im April verweist. Am Ehrenmal haben sich Soldaten der polnischen und sowjetischen Armee sowie der NVA als Ehrenwache postiert.

Am Sonnabend, dem 7. Juni 1980, fand ein großes Freundschaftstreffen mit interna­tionalen Gästen aus der Volksrepublik Polen und der UdSSR in Crostwitz statt. Schon in den Vormittagsstunden herrschte ein emsiges Treiben in Crostwitz. Etwa 4000 Teilnehmer waren zu diesem Freundschaftstreffen erschienen, in der Mehrzahl sorbi­sche und deutsche Bürger der Kreise Kamenz und Bautzen sowie viele polnische Menschen. Unter den Teilnehmern befanden sich etwa 200 polnische Kriegsvete­ranen, Abordnungen der Sowjetarmee und der Polnischen Armee, aber auch Abord­nungen der NVA. Mit einem militärischen Zeremoniell, an dem Ehrenformationen der Streitkräfte der UdSSR, der Volksrepublik Polen und der DDR teilnahmen, und mit den Hymnen der drei Staaten wurde die Kundgebung eröffnet.

Bei der Einweihung des zweiten Monuments (links Hans Modrow)

In Ansprachen des Politbüromitglieds der SED Horst Dohlus und Dr. Andrzej Werblan, bis 1980 Sekretär des ZK der PVAP, wurde der Beitrag der Kämpfer der 2. Pol­nischen Armee an der Seite der Roten Armee zur mili­tärischen Zerschlagung des Hitler-Faschismus gewür­digt. Etwa 2000 polnische Soldaten hatten in diesen Apriltagen 1945 hier ihr Leben gelassen. Für alle Teil­nehmer des Freundschaftstreffens bleibt der 7. Juni 1980 ein unvergeßliches Ereignis und Erlebnis, so auch für den Autor.

In den Achtzigern und den Jahren danach waren Jahres­tage der Gründung der Polnischen Armee oder der Befreiung Anlaß, in Crostwitz der gefallenen polnischen Soldaten und Offiziere durch polnische sowie deutsche und sorbische Delegationen zu gedenken. Heute kommen Touristen und Delegationen mit Kriegsveteranen aus Polen, um am Denkmal ihren im Kampf um die Befreiung vom Faschismus gefallenen Landsleuten die Ehre zu erweisen.