RotFuchs 220 – Mai 2016

Wie 100 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden

Auskünfte aus erster Hand

Dieter Popp

Die bekanntlich zuerst Gauck-Behörde, dann Birthler-Behörde genannte Aktenverwertungsanstalt (BStU) wurde im Dezember 1991 gegründet. Im Januar 2011 wurde der Journalist Roland Jahn vom Bundestag zum neuen Leiter der Behörde auserkoren. Der jetzt 62jährige war im Juni 1983 von der DDR ausgebürgert worden.

Jeder Deutsche konnte ab 1991 bei der BStU einen Antrag auf Akteneinsicht stellen. Presseerklärungen zufolge ist die Anzahl der im Verlauf der letzten Jahre eingereichten Anträge auf „Stasi“-Akten-Einsicht laufend gestiegen, z.B. im Jahre 2012 von 80 000 auf 88 000. Auch 2014 wurden immer noch 68 000 Anträge gemeldet. Die bewußt ausgestreuten „Informationen“ haben offenbar die Neugier vieler Menschen geweckt. Auch zwei meiner Bekannten, die sich absolut sicher waren, daß es über sie Unterlagen geben müsse, stellten Anträge. Zu ihrem Erstaunen bekamen sie die Mitteilung, daß keine Akte existiere.

Die für die Öffentlichkeit wichtige Information kann also nicht nur darin bestehen mitzzuteilen, wie viele Anträge jedes Jahr registriert werden. Weitaus wichtiger wäre es, auch in Erfahrung zu bringen, wie viele Antragsteller eine negative Auskunft erhielten.

Am 3. November 2015 wurde ich zu der bei der Bundeswehr-Universität in Hamburg erfolgten Ausstellungseröffnung „Hamburger Politiker als Spione im Kalten Krieg“ eingeladen. Einziger Gastreferent war BStU-Chef Roland Jahn. In der anschließenden Diskussion konnte ich Fragen an jenen Mann stellen, dessen Vertrag 2016 ausläuft und dessen Zukunft unklar zu sein scheint. Ich wollte von ihm wissen, warum die Medien immer nur die Anzahl der eingehenden Anträge melden würden und nicht qualitativ darüber informierten, wie man die Akten auswertet. Roland Jahn antwortete mir: „Gehen wir von 5000 Eingängen im Monat aus, dann besteht etwa ein Drittel aus Wiederholungsanträgen, bei denen meist nichts vorhanden ist. Ca. 3000 gehen schließlich in die Bearbeitung, davon teilen wir etwa 1000 Antragstellern mit: ‚Wir haben nichts vorliegen‘, während in etwa 1000 Fällen nur Karteikarten geführt und weitere 1000 geprüft werden.“

Auf meine nächste Frage, wie viele Akten geschwärzt an die Antragsteller gingen, erfuhr ich von Herrn Jahn: „Wir schwärzen nur, um die Daten anderer in den Akten benannter Personen zu schützen.“

Auf meine dritte Frage, die ich ihm als Vorsitzender der „Initiativgruppe Kundschafter des Friedens fordern Recht“ beim anschließenden Empfang stellen konnte: „Wie lange dauert eine Bearbeitung, wenn nur Fakten des Anfragenden in der Akte stehen?“, erwiderte Jahn, diese könne er nicht beantworten.

In seinem Referat sagte Jahn u. a., daß seine Behörde jährlich 100 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bekomme. Viel Steuergeld, 26 Jahre nach der Einverleibung der DDR durch die BRD für Akteninhalte, die juristisch nicht mehr relevant sind! Die enorme Summe könnte gespart werden, wenn alle Akten in das Koblenzer Bundesarchiv endausgelagert würden.

Fazit: Es gibt also nur etwa 12 000 inhaltlich irgendwie relevante Antworten im Jahr. Bei einem Aufwand von 100 Millionen kostet den Steuerzahler demnach eine Antwort 8333,33 Euro unter Nichtberücksichtigung der Kosten für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Es geht immer noch darum, mit Hilfe willfähriger Medien von „Bild“ bis „Spiegel“ und besonders mit der BStU für 100 Millionen Euro den „Stasi“-Haß und die „Stasi-Keule“ am Leben zu halten. Einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn zum Thema „Geheimdienste heute“ vermögen Herr Jahn und seine illustre Behörde nicht zu liefern.