RotFuchs 218 – März 2016

Überlegungen einer um Klarheit ringenden Kampfgefährtin

Brief aus der Wetterau

Gabi Faulhaber

Seit einiger Zeit lese ich den „RotFuchs“, meist mit großem Interesse. Heute möchte ich Euch einige Überlegungen wissen lassen.

Im „RotFuchs“ wurde kontrovers diskutiert, ob es angebracht sei, Mitglied der Partei Die Linke zu sein oder ob nicht eher eine weiter links stehende Organisation unterstützt werden sollte. Beide Teilnehmer der Debatte führten Gründe an, die auf jeden Fall überlegenswert sind. Dennoch erschien mir dieser wichtige Disput nicht fundiert genug geführt worden zu sein. Ich finde es aber gut, daß der Meinungsaustausch begonnen wurde. Bevor entschieden werden kann, wie man kämpft, müßte aus meiner Sicht eine tiefergehende generelle Analyse der aktuellen Gesellschaft versucht werden. Vielleicht werde ich ja demnächst mehr dazu im „RotFuchs“ lesen.

Es war einmal … Als der Frieden in der DDR-Hauptstadt noch eine sichere Heimstatt hatte, wurde ihr durch den Weltfriedensrat dieser Titel verliehen.

Ich sehe es in aller Kürze so: Der sogenannte Neoliberalismus hat es geschafft, wichtige Wurzeln der linken Bewegung zu kappen. Die Geschichte der Klassenkämpfe ist nicht mehr einfach zugänglich, selbst die bürgerlich-demokratische Historie wurde verschüttet. Eine vielfältige linke Kultur ist aus der Gesellschaft immer mehr verdrängt worden. Derzeit entwickeln sich wenig alternative antikapitalistische Lebens- und Kunstformen. Unsere Sprache, unsere linken Begriffe wurden entstellt und nicht selten mit anderen Inhalten gefüllt. Sie können nicht mehr einfach von links benutzt werden.

Neoliberalismus bedeutet Kapitalismus auf dem Durchmarsch: Auch Bereiche, die bisher noch teilweise der Verwertung des Kapitals entzogen waren – z. B. öffentliche Dienste, Ehrenämter, ja sogar Wohltätigkeit – wurden und werden durch Sparprogramme und Privatisierungen den Profitinteressen total unterworfen. Echte Reformen für die Mehrheit der Menschen durchzusetzen, erscheint unter den Bedingungen des Neoliberalismus kaum möglich. Die Bedeutung von Reformen ist in ihr Gegenteil verkehrt worden. Wenn heute eine „Reform“ angekündigt wird, bedeutet sie in den meisten Fällen Rückschritt für die Mehrheit der Menschen. Widerstand kommt als Abwehrkampf daher, Visionen enden oftmals am engen Horizont. Das geschieht trotz Globalisierung, die ja nichts anderes bedeutet als enthemmtes Profitinteresse mit weltweitem Zugriff. Dazu gehören Wirtschaftskriege, Stellvertreterkriege, Bürgerkriege, Drohnenkriege, Cyberkriege …

Was soll man angesichts all dessen tun?

Ich weiß es nicht, jedenfalls nicht allein. Doch einige Schlußfolgerungen erscheinen mir logisch: Weil die Revolution ja nicht auf der Tagesordnung steht und schon Reformen kaum noch möglich, zumal konsum- und kapitalfreie Räume selten geworden sind, müssen wir nicht gerade hier derzeit die Frontlinie aufmachen? Brauchen wir jetzt nicht dringend breite Allianzen für ein Antikriegsbündnis, für soziale Politik? Linke Ideen müssen neue Wurzeln schlagen und wachsen. Vielfältig und im offenen Diskurs, keinesfalls exklusiv … in Gestalt einer nur wenigen vorbehaltenen „reinen Lehre“.

Derzeit erscheint mir Die Linke als die am wenigsten sektiererische Kraft. Am wenigsten, was ja auch heißt, daß linke Politik nicht genug Verankerung bei den Menschen hat und nicht den richtigen Ton trifft, um ausreichend Widerstand zu erzeugen.

Klar, ich lehne die Bestrebungen ab, im Salon des Kapitals und der bürgerlichen Parteien salonfähig zu werden. Im Kreistag der Wetterau erlebe ich, wie wenig demokratisch wirksam Parlamente sind, wenn es keinen außerparlamentarischen Druck gibt. Ich halte regelmäßig die Luft an, daß die linke Bundestagsfraktion standhaft gegen alle Auslandseinsätze stimmt. Ich ärgere mich, daß Mitglieder der Atlantikbrücke in dieser Fraktion sind und kann keinen Wert an sich darin erblicken, wenn Ramelow Ministerpräsident ist. Die linke Bewegung muß auf jeden Fall dazulernen und sich positionieren.

Was wünsche ich mir von einer Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland? Natürlich, daß über linke Geschichte geschrieben wird, wie Ihr das ja auch tut. Aber darüber hinaus sollte mehr über aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen berichtet werden und wie sie einzuschätzen sind. Vielleicht auch anhand von Beispielen aus den konkreten Konflikten. Berichte, die Mut machen, zum Nachdenken anregen. Und ich wünsche mir Analysen dieser Gesellschaft und eine lebendige Diskussion über die Möglichkeiten, wie linke Alternativen entwickelt und verankert werden könnten.

Es schreiben viele erfahrene Genossinnen und Genossen im „RotFuchs“. So bin ich sicher, daß daraus eine lehrreiche Lektüre entsteht. Herzliche Grüße aus der Wetterau.