RotFuchs 213 – Oktober 2015

Das Ideal und die Wirklichkeit

Wolfgang Reinhardt

Dr. Peter Elz legte unter dem Titel „Wo Selbstbezichtigungen fehl am Platze sind“ seine Einschätzung der Stellung der DDR-Bevölkerung zum Volkseigentum dar. Ich teile sie nicht, sondern sehe es so wie Christa Luft: Bei der übergroßen Mehrheit der DDR-Bürger war kein Eigentümerbewußtsein vorhanden. Das habe ich leider während meiner Tätigkeit als Abteilungsleiter, Hauptabteilungsleiter und ehrenamtlicher APO-Sekretär im Fernmeldewerk Nordhausen festgestellt. Dort und in anderen VEB wurde während der Arbeitszeit „gepfuscht“. Handwerker fertigten mit betrieblichem Material Dinge für den persönlichen Gebrauch oder gar gegen Bezahlung für andere an. Man machte überlange Frühstücks- und Mittagspausen. Man duldete, daß Volkseigentum aus den Betrieben entwendet wurde. Erschwerniszuschläge, die gar nicht berechtigt waren, rechnete man ab. Um Erfolge „nach oben“ melden zu können, verleiteten die Büros für Neuererwesen Werktätige dazu, normale Leistungen als Neuerungen auszugeben. Das Unwesen mit den Persönlichen Planangeboten wird wohl auch manchen Lesern noch bekannt sein. Das alles konnte nicht zu einem positiven Eigentümerbewußtsein führen.

Widerstandslos demon-tierten diese Arbeiter noch vor der Umwandlung ihres VEB in eine GmbH bereits am 6. Juni 1990 die Leucht-schrift vom Betriebsdach.

Peter Elz weist zu Recht darauf hin, daß der Verlust ihrer Arbeitsplätze nach dem Umsturz bei den Werktätigen Wut und Verzweiflung hervorrief. Sie waren ohne Hoffnung, weil sie keine Erwerbsarbeit mehr hatten, nicht aber wegen des Verlusts ihres Betriebes. Diejenigen, die weiterarbeiten durften, waren nicht darüber empört, daß sie das nun in einem kapitalistischen Betrieb und nicht mehr in ihrem Betrieb taten.

Um den Werktätigen das Gefühl zu geben, Eigentümer ihrer Betriebe zu sein, hätte – abgesehen von den ersten Jahren nach Gründung der DDR – nicht die Partei die Betriebsdirektoren einsetzen dürfen, sondern sie hätten von den Werktätigen selbst gewählt werden müssen, wie es heute in Genossenschaften der Fall ist.

Richtig erscheint mir, daß erforderlich gewesen wäre, die ökonomischen Interessen der arbeitenden Menschen an das volkswirtschaftliche Ergebnis des Betriebes zu koppeln. Dann wären vermutlich auch die angeführten negativen Erscheinungen so nicht eingetreten.

Die Kritik von Peter Elz an der Haltung der PDL zum Staatseigentum teile ich, auch die Schlußfolgerung, daß künftige sozialistische Wirtschaftspolitik auf dem Volkseigentum beruhen muß. Das klappt aber auf keinen Fall im Wege der „Transformation“, wie es dem Forum Demokratischer Sozialismus in der PDL vorschwebt, sondern nur im Ergebnis einer revolutionären Umgestaltung des Systems.