RotFuchs 213 – Oktober 2015

Der kleine Fuchs und die braunen Mäuse

Edda Winkel

Als wir bei unseren Radelfahrten im Urlaub einmal von Rewal zurück nach Pogorceliza fuhren, liefen an einem Waldstück zwei Füchse über die Straße – in aller Ruhe. Wie es schien, Mutter und Kind: „So, ich zeig dir mal, wie man über die Straße geht. Kein Problem, das sind nur Fahrräder, da kann man sich Zeit lassen.“ So stand es im Brief meiner Freundin Martina.

Als der kleine Fuchs davon gehört hatte, erwachte seine Neugier. Er wäre nicht der erste, der aus dem heimatlichen Wald aus- und in eine der großen Städte einwanderte.

Die Stadt Tresten an der Elpe solle besonders sehenswert und weltbekannt sein, hatte der alte weise Uhu erzählt. Unser Fuchs, rasch entschlossen, schnürte auf dem Weg davon und kam richtig nach Tresten.

Karikatur:
Klaus Stuttmann

Monate später schlich er heimwärts, traurig schwankend, mit hängendem Kopf und durchgelaufenen Sohlen.

Der Uhu war entsetzt, als er den elenden Kleinen sah. Was war geschehen?

Der erzählte verbittert, daß es nicht am Straßenverkehr gelegen habe. Autofahrer hätten ihn freundlich angeschaut, an besonderen Lichtern sogar angehalten, um ihn durchzulassen. Auch an Nahrung habe es nicht gemangelt, besonders auf den Schulhöfen hätte es allerlei Futter gegeben, nur mit den Krähen sei darum Streit ausgebrochen. Die Unterkunft auf den Elpwiesen wäre ebensowenig ein Problem gewesen, sogar Freunde habe er dort gefunden.

„Ja um Himmels willen, was war es denn?“

Lange schweigt der Kleine, dann erzählt er leise:

„Es gab in der Stadt viele Bewohner, Menschen, Tiere, darunter auch Mäuse. Mit denen war es nicht auszuhalten. Sie trafen sich abends zu Tausenden, kreischend und in falschen Tönen pfeifend, eine richtige Plage.“

„Mäuseplage? Da hättet Ihr doch Fettlebe gehabt und brauchtet die Stadt nicht zu verlassen.“

„Stimmt, wenn es normale graue Mäuse gewesen wären, aber mitten unter ihnen, äußerlich nicht leicht zu erkennen, tauchten farblos bis schmuddelig braune Mäuse auf, Wortführer, die den anderen weiszumachen suchten, daß eingewanderte fremde Mäuse eine Gefahr für die Stadt seien. Die würden nicht den mitteleuropäischen Mäusekönig verehren, sondern einen arabischen. Sie seien nur gekommen, den hiesigen Mäusen ihre eingeschleppte Lebensweise aufzuzwingen, würden den Alteingesessenen fremde Sitten einreden, deren Kinder verderben und die Regeln der hiesigen Mäusegesellschaft beiseiteschieben wollen.

Überdies würden andere Fremde, aus unwirtlichen Landen oft unter großen Gefahren Eingewanderte, ihnen die Körner wegfressen und sie in ihrem beschaulichen Dasein stören.

Bestürzt schweigt der Uhu. Inzwischen haben sich viele Waldbewohner eingefunden. Sie verstehen nicht, was da geschehen ist.

„Könnten Heimische und Eingewanderte nicht ein bißchen voneinander lernen?“, fragt der kleine Hase.

„Das wollen die Bräunlichen nicht. Sie glauben, etwas Besseres zu sein und die Weisheit für sich gepachtet zu haben“, antwortet der Fuchs.

Und seine Mutter meint: „Zum Beispiel über Höflichkeit und Anstand erfahren heimische Kinder von ihren Eltern leider manchmal nicht das Einfachste, hin und wieder wäre gegenseitiges Abgucken nicht verkehrt.“

Nachdenklich sagt der Uhu: „Das schaffen ja nicht einmal die Menschen. Als die Mauer zwischen den deutschen Ländern gefallen war, wurden gute Erfahrungen des kleinen Landes einfach abgetan und kein Versuch unternommen, sie zu verstehen oder zu nutzen.“

„Warum habt ihr Füchse nicht einfach die häßlichen Mäuse gefressen?“, fragt jetzt der Igel.

„Das geht nicht, denn viele sind giftig, manche ungenießbar. Sie würden einen üblen Nachgeschmack hinterlassen!

Und sie sind von mäusischen Mäusen leider nicht immer zu unterscheiden. Viele Verblendete plappern aufgeschnapptes Gauklergeschrei nach, folgen falschen Tönen, ohne das eigene Gehirn einzuschalten. Man kann nicht sicher sein, die Räudigbraunen an ihren dummen platten Reden zu erkennen. Und würden diese gereizt, könnte das leere Stroh, das sie dreschen, höchst gefährliche Brände entfachen.“