RotFuchs 222 – Juli 2016

Der Sozialismus, für den wir kämpfen

Klaus Glaser

Seit 25 Jahren bemühen sich Wissenschaftler und „Chefideologen“, die der kapitalistischen Weltordnung hörig und bedingungslos zu Diensten sind, den Menschen eine Idee von einem „revidierten Sozialismus“ zu präsentieren. Aber auch Wortführer der Partei Die Linke versuchen, ihren Mitgliedern einen „demokratischen Sozialismus“ schmackhaft zu machen, der als das eigentliche Ziel einer neuen zu erstrebenden Gesellschaft präsentiert wird.

Als Gregor Gysi in einem Interview gefragt wurde, wie er sich einen demokratischen Sozialismus vorstelle, antwortete er: „Demokratischen Sozialismus kann ich nicht erklären, in den muß man hineinwachsen.“

Grundsätzlich ist festzuhalten, daß zwischen sozialistischer und bürgerlicher Demokratie unterschieden werden muß. Wenn man eine Richtungsentscheidung in dieser Frage umgeht, kann der Begriff „demokratischer Sozialismus“ beliebig interpretiert werden, was möglicherweise auch gewollt ist. Man will suggerieren, diese beiden politisch und ökonomisch völlig gegensätzlichen Wertvorstellungen könnten in einem „demokratischen Sozialismus“ zusammenwirken, sozusagen wie geklont eine Einheit bilden. Doch das käme wohl dem Versuch gleich, Wasser mit Feuer zu vereinen. Aus sozialistischer und bürgerlicher Demokratie eine Gemeinsamkeit zusammenzimmern zu wollen, um daraus einen „demokratischen Sozialismus“ aus der Taufe zu heben, scheitert an der Unvereinbarkeit dieser beiden politischen Herrschaftsformen.

Mit solchen revisionistischen Thesen wird versucht, den wissenschaftlichen Sozialismus zu ersetzen oder gleich ganz zu liquidieren. Seit vielen Jahren wird immer wieder die gleiche Idee eines bisher noch nie verwirklichten sozialdemokratischen Weges zum Sozialismus aus der Schublade geholt und unter Berufung auf Eduard Bernstein neu aufpoliert. Führende Politiker der PDL beteiligen sich an dem von den bürgerlichen Parteien wieder neu angeheizten „Diktaturen“-Vergleich, um die Diktatur des Proletariats mit verbrecherischen Diktaturen der Vergangenheit in einen Topf zu werfen.

In der DDR war die Diktatur des Proletariats die Form unserer sozialistischen Demokratie, in der die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern und der schaffenden Intelligenz die Staatsherrschaft über die Gesellschaft übernommen hatte. Das war die wesentliche Voraussetzung dafür, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die private Aneignung des erzielten Gewinns abzuschaffen. Das ist auch der entscheidende Unterschied zur bürgerlichen Demokratie, in der die Besitzer der Produktionsmittel und deren bürgerliche Vertreter im machtausübenden Staatsapparat mehr Rechte besitzen als die Mehrheit des arbeitenden Volkes einschließlich der an den Rand der Gesellschaft Getriebenen.

Nichts rechtfertigt auch die Diskussion über den Unterschied sogenannter freier Wahlen in den beiden deutschen Staaten. In der DDR gab es eine Einheitsliste der in der Nationalen Front gemeinsam agierenden Parteien und Massenorganisationen, sie stellten natürlich auch einvernehmlich das Ministerkabinett und arbeiteten somit gemeinsam an der Entwicklung des Staates. Im Gegensatz dazu heißt es, die wirklich freien Wahlen gäbe es in der Bundesrepublik, weil man hier zwischen den einzelnen Parteien wählen könne, um die Politik zu bestimmen. Ja, man kann bei Wahlen sein Kreuzchen beliebig anbringen, doch wer auch immer als Sieger aus ihnen hervorging, es blieb bei der Politik, die man eigentlich abwählen wollte. Wie war das bei Konrad Adenauer mit den Oppositionellen und Andersdenkenden? Es wurde schon in den 50er Jahren begonnen, echte Opposition mundtot zu machen. FDJ-Verbot, KPD-Verbot, DFD-Verbot, DKBD-Verbot … Und unter der Regierung von Willi Brandt kam dann der berüchtigte Radikalenerlaß. Zehntausende Andersdenkende verloren ihren Arbeitsplatz.

Die bereits in der sowjetischen Besatzungszone eingeleiteten antifaschistischen Aktionen, die erfolgte Säuberung des Staates von faschistischen Elementen, die teilweise auf der Grundlage von Volksbefragungen erfolgte Enteignung der Kriegsverbrecher und den faschistischen Krieg unterstützenden Fabrikbesitzer, der privaten Banken und Versicherungen – das alles hatte die Macht des Faschismus gebrochen und die kapitalistische Produktionsweise in Ostdeutschland beendet.

Antifaschismus wurde in der DDR Staatsdoktrin. 40 Jahre lang ging von deutschem Boden kein Krieg aus. Heute wird gegen einen „verordneten“ Antifaschismus polemisiert. Antifaschisten, die für ihre Haltung in Konzentrationslagern und Zuchthäusern gesessen haben, muß man den Antifaschismus nicht verordnen und den Menschen, die in Hitlers Krieg Angehörige verloren haben, ebenfalls nicht. In der Alt-BRD war Antifaschismus nicht erwünscht. Wer frühere Nazibedienstete, vom Sicherheitshauptamt über Gestapo bis hin in die Justizbehörden, zu Bundesbeamten ernennt, kann keinen Antifaschismus gebrauchen. Die aus den Konzentrationslagern Zurückgekehrten landeten oftmals wieder als „Staatsfeinde“ in den Gefängnissen der Bundesrepublik. Und das ist „die beste und echteste Demokratie der Welt“? Demokratie erschöpft sich nicht in der Teilnahme an Wahlen für die unterschiedlichsten Volksvertretungen.

Den Bürgern der DDR wurde der erarbeitete Entwurf einer neuen Verfassung zur Diskussion vorgelegt. Über 30 000 Zuschriften und mehr als 3000 Vorschläge, die nachträglich in die Verfassung eingearbeitet wurden, zeugen von einem außerordentlich demokratischen Verfahren. Im Gegensatz dazu wurde das Volk der BRD weder 1949 bei der Inkraftsetzung des Grundgesetzes um seine Meinung gefragt, noch wurde ihm nach der Einverleibung der DDR durch die BRD ein Grundgesetz zur demokratischen Entscheidung vorgelegt.

Natürlich gab es in der DDR nicht wenige Defizite, Irrtümer, Fehler und auch Irrwege. Doch allein auf sie konzentrieren sich die vom Antikommunismus besessenen Geschichts-„Aufarbeiter“. Die wahre Geschichte ist dabei zur Nebensache geworden, da es nur darum geht, angeblich „demokratiefeindliche Führungsformen im SED-Staat“ als Begründung für die Notwendigkeit der fortgesetzten Delegitimierung der DDR heranzuziehen. Je größer der Abstand zu jener Zeit, um so schamloser und größer werden die Lügen. Man bezeichnet diese Zeit grundsätzlich als „Staatssozialismus“ und tituliert ihn neuerdings auch als „Parteisozialismus“, wobei die vielseitigen Errungenschaften, die in jener Zeit erreicht wurden, verschwiegen werden.

Leider hat die SED nach und nach das Volk immer mehr aus der politischen Verantwortung entlassen. Sie bezog die Bürger in die Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft nur noch halbherzig ein, entfernte sich immer mehr von der Basis. Das war die Nische, die sich Oppositionelle, kräftig unterstützt von bundesdeutschen „Dozenten“ und Geldgebern zu eigen machten. Andererseits dürfen wir die DDR nicht als eine Art Insel betrachten, die nur von Wasser umgeben ist. Sie lag an der Nahtstelle beider Gesellschaftssysteme und war „der andere Teil Deutschlands“. Vergessen wir nicht die jahrelangen Embargos, Handelshindernisse, Preiskriege, Sanktionen, aber auch die vielen Sabotageakte und Brandattacken gegen Volkseigene Betriebe und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, die uns oftmals am planmäßigen Aufbau der Gesellschaft hinderten.

Aus all dem läßt sich eine Erkenntnis ziehen: Sozialistische Demokratie und wissenschaftlicher Sozialismus gehören zusammen – und dafür kämpfen wir.