RotFuchs 214 – November 2015

Deutsche Medien in Springer-Stiefeln …

Eckart Spoo

Die „Bild-Zeitung“, so höre ich gelegentlich, sei nicht ernst zu nehmen. Wer Verstand und Geschmack habe, lehne es ab, sich mit diesem Blatt zu befassen. Leider läßt sich das Problem „Bild“ so nicht lösen. Denn „Bild“ ist die auflagenstärkste Tages­zeitung Europas. Wir können uns dieser Macht nicht einfach durch Nichtbeachtung erwehren. Mit ihren fetten Schlagzeilen drängt sie sich uns überall auf, an jedem Kiosk, an dem wir vorbeigehen. Ohne unsere Finger an der vielen schwarzen und roten Farbe schmutzig zu machen, nehmen wir bei bloßem Hinsehen Hetzparolen wie diese auf: „Die Schummel-Griechen machen uns unseren Euro kaputt.“ Man beachte das Wort unseren.

Ein anderes Zitat: „Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen.“ Oder: „In Wirklichkeit sind die Griechen doppelt so reich wie wir Deutschen.“ Wir Deutschen. Oder: „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen. Und die Akropolis gleich mit!“ Immerzu spritzt „Bild“ nationalistisches Gift, zum Beispiel so: „Deutschland hat auch Schulden, aber wir können sie jedenfalls begleichen, weil wir morgens ziemlich früh aufstehen und den ganzen Tag arbeiten.“ Wir. Und dann erhebt das Blatt aus dem Springer-Konzern auch noch den Vorwurf gegen Griechenland: „Es erpreßt Europa. Mit einem Referendum.“ Das klingt so, als hätte es ein Kabarettist erfunden, um es satirisch zu überdrehen: ... die faulen gierigen Pleite-Griechen, die doppelt so reich sind wie wir und uns beschummeln und erpressen und unseren Euro kaputtmachen.

Unmöglich, in dem braunen Schaum, den die Springer-Medien schlagen, einen klaren Gedanken zu finden. Ich sehe hinter solchen Kampagnen der „Bild-Zeitung“ den konsequenten Willen, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen. Soziales ins Nationale zu verkehren. Die Opfer der publizistischen Aggression als Täter darzustellen, die Erpreßten als Erpresser. Auch wenn uns das alles noch so aberwitzig erscheint, wir müssen es dennoch ernst nehmen, zumal es auf andere Medien abfärbt – bis hin zu kleinen Provinzblättern wie der „Esslinger Zeitung“, aus der folgender Satz zitiert sei: „Kein vernunftbegabter Mensch hätte sich vorstellen können, daß Europas Staaten­verbund vor einer wirtschaftspolitisch so unbedeutenden Nation den Kotau macht …“ Wenn ein deutscher Provinzjoumalist sich getraut, eine andere Nation als unbe­deutend abzutun, zudem ein Mitgliedsland der NATO und der EU, dann müssen dort ernste Sorgen aufkommen, die sich in Hakenkreuz-Karikaturen ausdrücken. Auch Rundfunkanstalten wie die Deutsche Welle marschieren mit, als wären sie in Springer-Stiefel gesteckt worden. Der Sender ließ einen griechischen Politikwissen­schaftler (Levteris Koussoulis) verkünden, die Regierung Tsipras habe immer schon den Plan verfolgt, „das Land zu isolieren und anschließend zu stalinisieren“. Wo solche wissenschaftlichen Weisheiten aufgeboten werden, bleibt wenig Platz auf den Zeitungsseiten und wenig Sendezeit im Rundfunk, um die Leser, Hörer und Zuschauer beispielsweise über die verheerenden Folgen der von Merkel, Schäuble und anderen Marktradikalen verordneten Austeritätspolitik zu informieren. … Über die bittere Armut, die sich in Griechenland ausgebreitet hat. Über die vielen Zigtausende von Flüchtlingen, die aus Asien und Afrika an die griechischen Küsten gelangt sind. Über die Notwendigkeit humanitärer Hilfe: Lebensmittel, Arzneimittel. Für solche Themen interessieren sich unsere Medien kaum.

Unsere Medien? Nein, „Bild“ und andere Konzernmedien sind nicht unsere, eben weil sie den Medienkonzernen gehören. Fast alles, was nicht öffentlich-rechtlich ist, gehört diesen wenigen Konzernen. Kein Wunder, daß sie sich inhaltlich kaum vonein­ander unterscheiden. Die langjährige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer von den Grünen sprach im Hinblick auf den Umgang mit Griechenland von der „mono­kulturellen Gleichförmigkeit fast aller öffentlich-rechtlichen Medien, der Talkshows und meisten politischen Kommentatoren“. Ähnlich besorgt hatte sie sich vor Monaten schon über den Umgang der Medien mit Rußland geäußert. Wahrheits­gemäße Berichterstattung ist nie so notwendig wie in Zeiten der Krise und des drohenden Krieges. Die „Bild-Zeitung“ aber, deren ganzer täglicher Inhalt so zuverlässig wahr ist wie der des Horoskops, das nie fehlt – die „Bild-Zeitung“ spielt in solchen Zeiten nie die Rolle des Mediators, des Vermittlers, der sich um gegen­seitiges Verstehen bemüht, um friedliche Verständigung, sondern allemal die Rolle des Scharfmachers.

Wer ist eigentlich gemeint, wenn „Bild“ so viel von wir, von uns spricht? In welche Gemeinschaft werde ich da einbezogen? Es ist die berühmt-berüchtigte westliche Wertegemeinschaft. Alle Mitarbeiter der Springer-Medien sind arbeitsvertraglich auf die transatlantische Partnerschaft mit den USA verpflichtet, also einseitig auf die NATO. Parteiischer Journalismus ist also gewollt, ist Zweck des Unternehmens. Das Wir definiert sich durch Abgrenzung gegen die, die als Feinde dargestellt werden, nämlich gegen alles, was links ist. Springer-Journalisten müssen sich auch zur Parteinahme für die Marktwirtschaft bekennen, für den Kapitalismus. Schon einmal zeichnete sich in Griechenland eine Linksregierung ab. Damals griffen die griechi­schen Obristen ein. Nach dem NATO-Plan „Prometheus“ ließen sie in Athen die Panzer rollen, verhafteten die Linken, schalteten die Demokratie ab. „Bild“ zeigte sich, ebenso wie führende CDU-Politiker, einverstanden mit dem Putsch.

Als Anfang dieses Jahres das griechische Volk das Linksbündnis Syriza mit der Regierung beauftragte, als Syriza tatsächlich begann, ein linkes Programm zu verwirklichen, und als das Volk mit einem Referendum mit großer Mehrheit diese Politik bekräftigte, steigerte „Bild“ sich und seine Leser tagtäglich in Haß und Häme und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur Unterwerfung Griechenlands. Die NATO bzw. EU-Staaten zwangen Syriza, das linke Programm Punkt für Punkt aufzugeben.

Gab es keine Alternative? Doch, sie liegt auf der Hand: Deutschland müßte nur endlich seine Schulden an Griechenland begleichen, nämlich die Anleihe zurück­zahlen, zu der das Nazi-Reich das besetzte Land gezwungen hat. Aber das ist für „Bild“ kein Thema.

Eckart Spoo in „weltnetz.tv“. Der Autor ist Herausgeber von „Ossietzky “, dem Nachfolgeblatt der „Weltbühne“.