RotFuchs 229 – Februar 2017

Die Blockade Leningrads ist unvergessen

Ralf Richter

Ninel Koribskaja: 871 Tage

Anläßlich des 75. Jahrestages der Blockade Leningrads erinnert das Deutsch-Russische Kulturinstitut Dresden mit einer Kostenlos-Buchaktion an das Ereignis. Ziel ist es, eines der größten Kriegsverbrechen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: „871 Tage“ heißt das Gedenkbuch von Ninel Koribskaja. Vom 8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944 – also 871 Tage – dauerte die Blockade Leningrads durch die deutschen Faschisten. Erst in den letzten Jahren konnte sich die westdeutsche Geschichtsschreibung dazu durchringen, die Blockade als Teil eines völkerrechtswidrigen Vernichtungskriegs anzuerkennen. Gleichwohl spielt im Geschichtsunterricht die Blockade Leningrads sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland eine geringe Rolle, wenn sie denn überhaupt Erwähnung findet.

Das Buch „871 Tage“ wendet sich somit insbesondere an Geschichtslehrer und Schüler, die etwas über die Geschichte der Blockade erfahren wollen, und zwar aus der Sicht von damals Eingeschlossenen. Die Autorin Ninel Koribskaja war gerade zehn Jahre alt, als die Blockade begann, die sie gemeinsam mit ihrer Mutter durchlebte. Es beginnt mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, der für die Kinder Leningrads ein Tag wie jeder andere war. Das leicht verständliche Buch erschien 2014 in Moskau in deutscher Sprache. Im Rahmen eines Projekts der Stiftung Russkij Mir möchte das Deutsch-Russische-Kulturinstitut Dresden dieses Buch an Schulen und Kultureinrichtungen in ganz Deutschland verteilen, die ein Interesse daran haben, das aktive Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkrieges zu pflegen. Der Blockade fielen nach Schätzungen 1,1 Millionen Zivilisten zum Opfer – niemals zuvor hatte die Blockade einer Stadt während eines Krieges so viele Menschenleben gefordert. Vielen zumindest in Ostdeutschland Aufgewachsenen bekannt sein dürfte die Leningrader Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. Nachdem ein Sonderflugzeug mit der Partitur die Luftblockade durchbrochen hatte, konnte die Leningrader Erstaufführung mitten in der Blockade am 9. August 1942 vom Radioorchester Leningrad gespielt und von allen sowjetischen Rundfunksendern übertragen werden. Das Radio spielte für die Eingeschlossenen eine zentrale Rolle. Die Autorin schreibt: „Das Radio ist mein Leben, mein Freund, meine Erziehung.“ Während der langen Phase von Hunger und Not richteten Radiosendungen, aber auch zahlreiche Kulturveranstaltungen in der belagerten Stadt die Leningraderinnen und Leningrader auf, gaben ihnen Zuversicht.

Das reich bebilderte Antikriegsbuch erhält man beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut, Zittauer Straße 29, 01099 Dresden – per E-Mail ist die Einrichtung zu erreichen unter ed.ikrd@nedserdikrd. Bitte nicht vergessen, „871 Tage“ in die Betreffzeile zu schreiben!

Aus „Links!“, Dresden, November 2016