RotFuchs 215 – Dezember 2015

Ein mexikanischer Diplomat rettete
45 000 von den Faschisten Verfolgte

Die Großtat des Gilberto Bosques

Winfried Hansch

Der 4. Juli 2015 war der 20. Todestag des ehemaligen mexikanischen Generalkonsuls in Marseille. Gilberto Bosques und seine Mitarbeiter haben von 1938 bis 1942 über 45 000 Flüchtlingen, Antifaschisten, Juden, Interbrigadisten, Anhängern der Spanischen Republik, Hunderten Österreichern und Deutschen mit der Visa-Erteilung Schutz und Asyl in Mexiko gewährt. Darunter waren so bekannte Persönlichkeiten wie Anna Seghers, Ludwig Renn, Bodo Uhse, Steffie Spira, Hanns Eisler, Gustav Regler, Paul Merker, Jeanne und Kurt Stern, Franz Werfel und Alfred Döblin. Für alle war es ein „Visum ins Paradies“. Das Parlament Mexikos und Präsident Lazaro Cardenas wie auch sein Nachfolger Präsident Avila Camacho verkörperten mit ihrer gegen den Faschismus in Italien, Spanien und Deutschland gerichteten Politik das freie und hochherzige Mexiko jener Zeit. Mit dem Bund „Freies Deutschland“ entwickelte sich Mexiko-Stadt neben Moskau zum wichtigsten politischen Zentrum der deutschsprachigen antifaschistischen Emigration.

Gilberto Bosques (2. v. l.) am 16. September 1964 auf einen Empfang der mexikanischen Botschaft in Havanna mit den Führern der kubanischen Revolution (v. l. n. r.) Raúl Castro, Che Guevara und Fidel Castro

Gilberto Bosques und alle Angestellten des Konsulats wurden mit dem Kriegseintritt Mexikos auf seiten der Alliierten im Mai 1942 von der Gestapo festgenommen und bis Februar 1944 in Bad Godesberg interniert. Im Zuge eines Austausches gegen Gefangene der Alliierten kehrte Bosques in seine Heimat zurück. Als Botschafter Mexikos in Portugal (1944–1946) rettete er viele weitere Verfolgte.

Das faschistische Deutschland spielte im Spanienkrieg eine besonders üble Rolle. Vom Flugplatz Berlin-Gatow startete ein Teil der Legion Condor zu todbringenden Einsätzen nach Spanien. Die von Görings Luftwaffe am 6. April 1937 vernichtete baskische Stadt Guernica steht für immer als Auftakt zu den Massenbombardements des 2. Weltkrieges. Die Spanische Allee in Berlin-Dahlem erhielt ihren Namen, als die „Legion Condor“ nach „getaner Arbeit“ aus Spanien zurückkehrte. Doch in Ostberlins Stadtbezirk Friedrichshain steht das von Fritz Cremer geschaffene Denkmal zu Ehren der revolutionären Spanienkämpfer.

1980 verlieh die DDR Gilberto Bosques den „Stern der Völkerfreundschaft“ in Gold. In der Begründung hieß es: „Unser Volk wird nie vergessen, was Mexiko für die besten Vertreter des deutschen Volkes getan hat. Sie personifizieren die hohen Werte des Humanismus …“

Lange Zeit blieb Mexikos große Rettungsaktion in der BRD völlig unbekannt. Doch vom 2. Dezember 2012 bis zum 14. April 2013 wurde in der Akademie der Künste die Ausstellung „Letzte Zuflucht Mexiko. Gilberto Bosques und das deutschsprachige Exil nach 1939“ gezeigt.

Demokratisch gesinnte Menschen hierzulande wollten nicht in Vergessenheit geraten lassen, was die Vereinigten Staaten von Mexiko in der Zeit des Faschismus für Verfolgte aus Deutschland geleistet haben. Die Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft und Dr. Hans Modrow, ehemaliger Ministerpräsident der DDR, begrüßten dieses Projekt der Akademie der Künste. Wir halten es für angemessen, daß diese großartige humanistische Einstellung und die Rettung verfolgter Deutscher durch Mexiko in der Person ihres Konsuls Gilberto Bosques dauerhaft auch in Berlin gewürdigt werden sollten.

Für progressiv denkende Menschen ist auch eine weitere Etappe im Leben des Gilberto Bosques von besonderem Interesse. Auf eigenen Wunsch war er von 1953 bis 1964 Botschafter Mexikos in Kuba. Er kehrte in das Land zurück, in das er 1923 in letzter Minute vor den Erschießungskommandos des damaligen Präsidenten Plutarco Elias Calles geflohen war. Jetzt erlebte er den revolutionären Übergang von der Batista-Diktatur zum freien Kuba. Aus heutiger Sicht hat Bosques einen bedeutenden Anteil daran. Wieder unterstützte er Unterdrückte und rettete Flüchtlinge. Die Botschaft Mexikos erteilte von der Batista-Diktatur Verfolgten hundertfach Visa. Wenn die oftmals zuvor Gefolterten deren Tür erreichten, bekamen sie medizinische Hilfe, Visa und Tickets für die Reise. So auch der spätere Führer der kubanischen Revolution.

Fidel Castro wurde nach dem gescheiterten Sturm auf die Moncada am 26. Juli 1953 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach der Amnestie im Mai 1955 konnte er die Gefängnisinsel „Los Piños“ verlassen. Er und sein Bruder Raúl empfin­gen in der Botschaft Mexikos Visa mit der Unterschrift von Gilberto Bosques. Von Mexiko lief am 25. November 1955 die „Granma“ mit Kurs auf Kuba aus. Nach dem Sieg der kubanischen Revolution verband die Commandantes eine tiefe Freundschaft mit dem Botschafter Mexikos.

1964 in die Heimat zurückgekehrt, verließ Bosques den diplomatischen Dienst und brach mit der Regierungspolitik von Präsident Gustavo Diaz Ordaz. Das Tlatelolco-Massaker am 2. Oktober 1968 in Mexiko-Stadt bewertete er als Akt unbeschreiblicher Barbarei.

Das humanistische Wirken von Gilberto Bosques wurde zwar spät, dann aber in mehreren Ländern zugleich geehrt. Fünf Jahre nach seinem Tod – im Jahr 2000 – erhielt das Parlament des mexikanischen Bundesstaates Puebla seinen Namen. Am 14. Dezember 2011 beschloß der Nationale Senat Mexikos die Schaffung eines Zentrums für Internationale Studien „Gilberto Bosques“. Auch viele Schulen tragen seinen Namen.

Österreichs Regierung benannte am 4. Juli 2003 eine Straße unweit des Wiener UNO-Zentrums in „Gilberto-Bosques-Promenade“.

Die Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft wirbt für das Vorhaben, im Rahmen der Städtepartnerschaft Berlin-Mexiko einer Straße, einem Platz, einer Schule oder einer Bibliothek der deutschen Hauptstadt den Namen Gilberto Bosques zu verleihen.

Den Beitrag des Vorsitzenden der Alexander-von-Humboldt-Gesellschaft entnahmen wir den „Mitteilungen“ der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke.