RotFuchs 232 – Mai 2017

Die Solidarität geht weiter

Konstantin Brandt

In der Erinnerung sehr vieler DDR-Bürger ist Solidarität nicht nur eine Worthülse wie im Godesberger Programm der SPD, sondern gelebtes Miteinander am Arbeitsplatz, in der Brigade, im Kulturensemble, in der Freizeit, ja, eigentlich in jeder noch so kleinen Gemeinschaft. Hilfe, Solidarität beschränkte sich aber nicht allein darauf, dem anderen zu jeder Zeit und in jeder Situation unter die Arme zu greifen – einfach so, ohne etwas zu fordern oder einen Vorteil davon zu erhoffen. Tätige Solidarität ging weit über die Landesgrenzen hinaus.

1953 spürte ich in meiner eigenen Familie, was Solidarität bedeutet. Mein Vater wurde zum Direktor der Medizinischen Fachschule Berlin berufen, weil die Direktorin mit ihrem Ehemann, einem angesehenen Architekten, nach Nordkorea ging, um dem vom Krieg gezeichneten Land zu helfen. Er beteiligte sich am Aufbau einer völlig neuen Stadt. Das ist meine erste Erinnerung an gelebte Solidarität, wie sie aus dem Wesen unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates erwuchs.

Während die „Arbeiterpartei“ SPD von Heimat- und Menschenliebe nur sprach, nahmen wir die Freundschaft mit anderen Völkern und die internationale Solidarität sehr ernst.

DDR-Solidaritätsaktionen mit dem heldenhaft um seine Freiheit kämpfenden Volk von Vietnam sind unvergessen. Kaum jemand blieb davon unberührt. Junge Pioniere sammelten Zeitungen, Flaschen und Altstoffe, um den Erlös auf ein Spendenkonto einzuzahlen. Die FDJ organisierte Solidaritätsveranstaltungen, Künstler traten ohne Gage auf, Parteimitglieder spendeten regelmäßig von ihrem Gehalt. Höhepunkt der jährlichen Spendenaktion war der auf dem Berliner Alexanderplatz stattfindende Solidaritätsbasar. Mit all diesen Aktivitäten und deren Erlöse konnten lebensnot­wendige Dinge, Solidaritätsgüter, Maschinen und Anlagen für den Wiederaufbau Vietnams, Kambodschas und anderer Länder gekauft werden.

Wenn sich heute Politiker, auch der Linkspartei, zur DDR äußern, tun sie meist so, als habe es sie nie gegeben. Dabei wirkt sie selbst nach nahezu drei Jahrzehnten seit ihrer Einverleibung durch die BRD noch kräftig nach. Ich kann die Freude des Kabarettisten Uwe Steimle nachvollziehen, der gleich bei seiner Ankunft in Vietnam zwei Kirow-Kräne sah, die nach so vielen Jahren immer noch funktionierten. Was aber noch viel wichtiger ist: Die DDR lebt in den Herzen der dortigen Menschen. Tausende haben bei uns – auch in Schwerin, wo ich ihnen in einem unserer größten Werke, dem VEB Plastmaschinenwerk, begegnete – einen Beruf erlernt, um danach mitzuhelfen, ihre Heimat nach den Zerstörungen durch die US-Aggression wieder aufzubauen. In solidarischer Verbundenheit standen wir an der Seite des tapferen vietnamesischen Volkes.

DDR-Solidaritätsbrigaden, die vor Ort aktive Aufbauhilfe leisteten, waren auch in Afrika. Die Menschen in Mozambique, Angola, Burkina Faso und anderen Ländern dieses Kontinents erinnern sich noch gut. Wer zu uns kam, erlernte einen Beruf oder bekam die Möglichkeit zu studieren. Und das waren nicht die Söhne und Töchter der Stammesfürsten!

Die bei Kämpfen im Ringen um den Aufbau von Volksdemokratien in Afrika verwun­deten Menschen wurden auch in unseren Krankenhäusern gepflegt. Darunter viele Kämpfer gegen das Apartheid-Regime in Südafrika und Namibia. Der Neokolonialis­mus der herrschenden imperialistischen Mächte (USA, Großbritannien, Frankreich, aber auch die BRD) konnte zeitweilig zurückgedrängt werden. Auch hier standen wir DDR-Bürger auf der richtigen Seite der Barrikade.

Wir unterstützten die Regierung von Salvator Allende in Chile. Erich und Margot Honecker fanden dort später nicht nur ihr letztes Exil, sondern auch viele Freunde, die nicht vergessen hatten, was Solidarität bedeutet.

Wir kämpften um die Freilassung von Angela Davis, der US-amerikanischen Bürger­rechtlerin und Kommunistin, genauso wie für den Führer des ANC in Südafrika, Nelson Mandela, während Politiker der BRD das Apartheid-Regime in Pretoria mit Waffen versorgten und das Pinochet in Chile gewähren ließen.

Vergessen wir nicht: Es gibt nur eine Welt. Auch heute sind wir dazu verpflichtet, internationalistische Solidarität zu üben.