RotFuchs 221 – Juni 2016

Vor 245 Jahren wurde der große englische Sozialist geboren

Die utopischen Ideen Robert Owens

Steffen Kastner

Robert Owen

Unter den utopischen Sozialisten des 18., 19. Jahrhunderts ragt besonders ein Mann heraus: der Engländer Robert Owen.

Als Sohn eines Sattlers und Eisenwarenhändlers in dem kleinen britischen Städtchen Newton am 14. Mai 1771 geboren, wurde ihm von Hause aus das kommerzielle Denken mit auf den Lebensweg gegeben. Über die Stationen einer Unterlehrertätigkeit und der Arbeit als Verkäufer in Stamford, London und Manchester avancierte er, eben zwanzigjährig, zum Direktor einer modernen Baumwollspinnerei in Manchester. Schon hier deutete sich seine sozialreformerische, humanistische Grundhaltung an, mit der er daranging, menschenunwürdige Verhältnisse in der Fabrik abzuschaffen. Er sorgte für Arbeitserleichterungen, untersagte die üblichen Rohheiten gegenüber Frauen und Kindern und sorgte sich um den Schutz der Gesundheit.

Durch seinen Schwiegervater, den Präsidenten der Königlich-Schottischen Bank in Glasgow, kam er später in den Besitz der völlig verwahrlosten Baumwollspinnerei New Lanark. Hier sah er eine Möglichkeit, seine sozialreformistischen Pläne zu verwirklichen. Er ging von der Grundauffassung aus, daß bessere Umweltbedingungen den Menschen – wenn auch erst über Generationen hinweg – ethisch bessern müßten. So glaubte er – zunächst in New Lanark, später in Großbritannien und schließlich in der ganzen Welt – ihr Handeln zum Guten hin verändern zu können.

Owen reduzierte den Arbeitstag von 14 auf 11 Stunden, untersagte die Arbeit von Kindern unter 10 Jahren, richtete Kindergärten ein und entwickelte ein völlig neues Schulsystem, ließ für Arbeiterfamilien neue Häuser bauen, schuf eine demokratische Selbstverwaltung, entwickelte eine Art Konsum-Genossenschaft, verbesserte die maschinelle Ausrüstung der Fabrik, erhöhte die Löhne und richtete Fonds für den Unterhalt von Kranken und Alten ein. Er hatte sehr wohl erkannt, daß durch die Arbeiter der Profit der Unternehmer geschaffen wurde – und er empfand diese bestehende Ordnung als ungerecht. „Die Leute waren meine Sklaven“, stellte er fest und kam zu folgender Überlegung: „Und doch produzierte der arbeitende Teil dieser 2500 Menschen ebensoviel wirklichen Reichtum für die Gesellschaft, wie kaum ein halbes Jahrhundert vorher eine Bevölkerung von 600 000 erzeugen konnte. Ich frug mich: Was wird aus der Differenz zwischen dem von 2500 Personen verzehrten Reichtum und demjenigen, den die 600 000 hätten verzehren müssen?“

Friedrich Engels gibt in seiner Schrift „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ die Antwort auf diese Frage: „Er war verwandt worden, um den Besitzern des Etablissements 5 % Zinsen vom Anlagekapital und außerdem noch mehr als 300 000 Pfd. Sterling (6000 000 M) Gewinn abzuwerfen. Und was von New Lanark, galt in noch höherem Maß von allen Fabriken Englands.“ (MEW, 19/198 f.)

Robert Owen versuchte mit seiner philantropischen Grundauffassung eine bessere Gesellschaft anzustreben. Doch in seiner idealistischen Konzeption lag schon der Keim des Zusammenbruchs seines Vorhabens, denn sie war nicht darauf gerichtet, auf revolutionäre Weise die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse zu beseitigen. Er ging vielmehr davon aus, daß die „Sehenden“, die „Befreier“ des Proletariats die wirtschaftlich, politisch und geistig herrschenden Kreise sein müßten. Diese falsche Auffassung ließ ihn sich auch nicht an die Arbeiter wenden und hier Verbündete suchen, sondern er appellierte an Könige, Fürsten, Minister und Fabrikanten und forderte von ihnen Hilfe für seine Weltverbesserungspläne. Doch dort stieß er verständlicherweise nur auf Ablehnung.

Robert Owen, durch seine fehlgeschlagenen utopischen Projekte schließlich verarmt, mußte scheitern, weil er nicht die Rolle der Arbeiterklasse erkannte und die Revolution als Mittel der gesellschaftlichen Veränderungen ablehnte. Dennoch sind seine Ideen in das marxistische Gedankengut eingegangen, zählt er zu jenen Köpfen, die Wesentliches dazu beigetragen haben, daß aus dem Sozialismus eine Wissenschaft werden konnte.