RotFuchs 220 – Mai 2016

Beim legendären Segelschulschiff kann von Rente keine Rede sein

Die „Wilhelm Pieck“ wird 65 Jahre alt

Ursula Rosentreter

Der 26. Mai diesen Jahres ist für einige ehemalige Schiffbauer der Warnowwerft ein besonderer Tag. Vor 65 Jahren lief hier das Segelschulschiff „Wilhelm Pieck“ vom Stapel. Wir erinnern uns: Zum 75. Geburtstag des Präsidenten der DDR hatten die Werktätigen des Landes Mecklenburg aufgerufen, ein spezielles Geschenk zu präsentieren. So wurde die Idee geboren, für den Präsidenten eine Segeljacht zu bauen. Spenden und Verpflichtungen kamen aus vielen Betrieben, so ging der Bau zügig voran. Es war der erste Stahlschiffneubau der DDR. Zur Freude der Schiffbauer kam der Präsident zum Stapellauf und nahm das Präsent in Augenschein. Er legte fest, die Jacht solle ein Schiff der Jugend sein. So ist es im Logbuch der Schonerbrigg zu lesen. Dank unzähliger Aufbaustunden im ganzen Land konnte die Übergabe bereits am 2. August 1951 erfolgen. Wilhelm Pieck ließ es sich nicht nehmen, zusammen mit den „FDJ-Matrosen“ auf „große“ Fahrt zu gehen.

Der gleichnamige Enkel
von Kapitän Ernst Weitendorf
mit dessen Kapitänsmütze

Seitdem heuerten auf der „Wilhelm Pieck“ unzählige junge Leute an und erlernten hier die Grundbegriffe des Segelns. In den ersten 35 Jahren zählte die Gesellschaft für Sport und Technik, der das Schiff übergeben worden war, mehr als 5000 Kursanten. Die meisten von ihnen bereiteten sich auf ihren Dienst bei der Deutschen Seereederei oder der Volksmarine vor. Rund 20mal ankerte die Brigg vor 1990 in ausländischen Häfen.

Die jungen Leute bewiesen in allen Situationen Mut, Ausdauer und Einsatzbereitschaft. Eigenschaften, über die auch heute noch jeder Seemann verfügen sollte.

Die „Greif“ gehört mit ihrer
Länge von 41,00 m und
einer Breite von 7,60 m
auf den Weltmeeren
zu den kleineren Seglern.
An Bord finden jeweils
44 Mitsegler, einschließlich
der Besatzung, Platz.

Foto:
Archiv Robert Rosentreter

Bis 1955 führte Kapitän Ernst Weitendorf das Schiff. Er befand sich bereits im Ruhestand, ließ sich jedoch für das Unternehmen „Jugendschiff“ begeistern. Mit seinen 69 Jahren war er einer der letzten deutschen Segelschiffskapitäne überhaupt. Sein imposanter Vollbart verlieh ihm dazu den notwendigen Respekt. Dieser Fahrensmann kannte Kap Hoorn von mehreren Umsegelungen. Ihre erste Reise unternahm die „Wilhelm Pieck“ dann 1952 zu unseren polnischen Nachbarn, nach Gdynia.

In den Folgejahren wurden mehrere Modernisierungen und Ergänzungsbauten durchgeführt, um den neuen Anforderungen zu entsprechen. Erwähnenswert ist vor allem der Bau des Ruderhauses, das längst nicht mehr aus Holz ist, sowie die Ausrüstung mit Radar und einem Bugstrahlruder, überdies die Erhöhung der PS-Zahl von 100 auf 233. Auch die Ausrüstung der Kombüse mit Strom gehört dazu.

Nach 1990 ergab sich eine völlig neue Situation.

In der Bevölkerung und bei den Politikern wurden konträre Meinungen zum Erhalt des Schiffes vertreten. Nach langen Beratungen in der Bürgerschaft der Hansestadt Greifswald und Verhandlungen mit der Treuhand wurde beschlossen, die Unterlagen für den Erwerb des Schiffes und ein Betreiberkonzept zu erarbeiten.

Unterstützung erhielten die Greifswalder von der Pamir-Passat-Vereinigung in Lübeck und vielen Freunden des Schiffes. Am 31. Mai 1991 konnte die Vereinbarung unterzeichnet werden.

Im Februar hatte sich der Förderverein Greif e. V. gegründet und mit der Arbeit begonnen. Ein Gesichtspunkt hierbei war der ideale Liegeplatz in Greifswald-Wieck. Die Stadt stellte Mittel für die Rekonstruktion zur Verfügung und beschloß, den Namen zu ändern. Am 14. Mai erfolgte die Eintragung der „Greif“ ins Schiffsregister. Dank moderner Geräte und Einrichtungen speckte sie in kurzer Zeit 10 Tonnen Gewicht ab. So wird mit der Segelfläche von 570 qm eine Geschwindigkeit von 14 Knoten erreicht. Bereits 1991 – zur ersten Hanse Sail – lief die „Greif“ Rostock an und war Teilnehmer der Segelregatta. So ist es seither alljährlich. Großes Interesse finden natürlich die Ausfahrten auf der Ostsee. Insgesamt stehen in diesem Jahr nicht weniger als 58 Ein- oder Mehrtagestouren im Plan. „Hand für Koje“ ist längst ein geflügeltes Wort und heißt, die Mitsegler machen sich während der Fahrt nützlich, wo es geht und es ihnen möglich ist. Besonderes Interesse wird gewiß die für 2017 geplante Tour nach St. Petersburg finden.

Neben vielen Auslandsreisen gab es im Jahr 1974 eine Besonderheit. Im 2-Jahres-Rhythmus fand seit Mitte der 50er Jahre die Operation Sail statt. 1972 beteiligte sich erstmals ein polnisches Schiff daran. Obwohl die „Gorch Fock“ der Bundesmarine als Favorit galt, holte die „Dar Pomorza“ den Sieg. Dieser bewirkte ein Umdenken in der sozialistischen Welt. „Nicht fernbleiben bei den Regatten, sondern mitmachen“ hieß dann die Devise. Nun war Gdynia das Ziel der nächsten Wettfahrt. Der Start erfolgte in Kopenhagen. Zu den Teilnehmern gehörten je zwei sowjetische und polnische Segler und schließlich die „Wilhelm Pieck“, ihr erstmaliger Aufenthalt in einem NATO-Land fand internationales Interesse.

Das Logbuch der „Greif“ verzeichnet in seiner 65jährigen Ge-schichte sieben Kapitäne. Helmut Stolle, der langjährige Fahrensmann, führte den Rahsegler nicht weniger als 27 Jahre. Von ihm übernahm vor 16 Jahren Wolfgang Fusch (62) das Kommando. Die Konzeption der letzten 25 Jahre hat sich gut bewährt. Regelmäßige Segeltörns – ein Jahr voraus geplant – finden reges Interesse. Der Förderverein zählt heute mehr als 500 Mitglieder. Die jüngste Inspektion in der Stralsunder Werft bestätigte, daß die „Greif“ ein modernes, gut ausgestattetes Schiff in einem vorzüglichen Zustand ist. „An Rentenzeit der 65jährigen ist vorläufig nicht zu denken!“ sagt Kapitän Fusch.

Na dann: Allzeit gute Fahrt! Die Kollegen der Warnowwerft haben seinerzeit gute Arbeit abgeliefert.