RotFuchs 234 – Juli 2017

Ecuador entschied sich
mit Lenín für die Zukunft

Sergio Alejandro Gómez

Aufgrund des von der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im Februar eröff­neten Weges waren die Ecuadorianer Anfang April aufgerufen, erneut zu den Wahl­urnen zu gehen, um in einer zweiten Runde zwischen zwei entgegengesetzten Optionen zu entscheiden: der Zukunft und der Vergangenheit.

Auf der einen Seite repräsentierte der Kandidat der Alianza País, Lenín Moreno, die Kontinuität der Bürgerrevolution, die Millionen von Menschen in den letzten Jahr­zehnten von der Armut befreit und die Ressourcen des Staates dem Wohlergehen der Bürger zur Verfügung gestellt hatte. Auf der anderen Seite verkörperte der Multimill­ionär und Bankier Guillermo Lasso von der rechtsgerichteten Alianz Creando Oportu­nidades (CREO), die Rückkehr zum Neoliberalismus, der Ecuador zu Ende des vergan­genen Jahrhunderts an den Rand des finanziellen Bankrotts gebracht hatte.

Die Rechte hatte eine Kampagne entwickelt, mit der sie versuchte, sich als Option für einen „Wandel“ zu verkaufen. Aber die Ergebnisse beweisen, daß die Mehrzahl der Ecuadorianer sich nicht durch Vernebelungen hinters Licht führen ließ, sondern die objektiven Veränderungen wertschätzte, die das Land im letzten Jahrzehnt der Regierung des Präsidenten Rafael Correa erlebt hat.

Die Biographie des Kandidaten der Rechten ist eine Anhäufung der schlechtesten Praktiken lateinamerikanischer Eliten, die der neoliberalen Doktrin treu ergeben sind, in der private und familiäre Interessen mit Ambitionen von Unternehmen, Banken und Politikern vermischt sind.

Es handelt sich um die Hauptfigur des Neoliberalismus in Ecuador und einen der bekannten Vertreter der Parteienherrschaft, die zu Beginn dieses Jahrhunderts die Macht verlor, als kein Präsident es mehr schaffte, sein Mandat zu beenden.

Lasso war Wirtschaftsminister während der demokratisch-christlichen Regierung von Jamil Mahuad. Und wenn er auch die Regierung verließ, bevor die Finanzblase explo­dierte, ist er doch einer der Verantwortlichen der Krise, in die das Land zu Ende deren Zeit geriet. 1994 war er führend an der Annahme des Allgemeinen Gesetzes der Finanzeinrichtungen beteiligt, die die Liberalisierung der Finanzmärkte ermöglichte und die Grundlagen für das schuf, was in Ecuador als der „Bankfeiertag“ bekannt ist. Nach Jahren der Deregulierung brach 1999 das Bankensystem zusammen, und der Staat organisierte ein Rettungspaket auf Kosten des Einkommens der Bevölkerung und der Abschaffung sozialer Dienste.

Die aufgrund der „Panama-Papiere“ durchgeführten Untersuchungen deckten auf, daß Lasso ein Gutteil seiner Ersparnisse in Steuerparadiesen angelegt hat – peinlicher­weise bestand eine der Losungen seiner Kampagne darin, daß die Multimillionäre ihre Guthaben im Land anlegen sollten …

Der 63jährige Moreno ist Sohn von Lehrern aus der Grenzregion von Nuevo Roca­fuerte und erreichte es aus eigener Kraft, seinen Hochschulabschluß in Öffentlicher Verwaltung an der Zentraluniversität von Ecuador zu machen.

1998 verlor er durch einen Schuß in den Rücken während eines Überfalls die Beweg­lichkeit seiner Beine. Seitdem richtete sich sein Wirken darauf, jene sichtbar zu machen und für sie zu sprechen, die unter einer Behinderung leiden. Während seiner Tätigkeit als Vizepräsident führte er die solidarische Mission Manuela Espejo an, eine Einrichtung, deren Aufgabe es war, die erste Diagnose zur Situation der Behinderten von Ecuador zu erstellen. Von 2014 bis 2016 war er als Sonderbeauftragter des UNO-Sekretärs für Behinderung und Barrierefreiheit tätig.

Seine Präsidentschaftskampagne basierte auf der Kontinuität des Werkes der Bürger­revolution von Rafael Correa, wobei er aber zu jedem Zeitpunkt seinen eigenen Stil und eigene persönliche Fähigkeiten zeigte.

Nachdem er am Sonntag vom Sieg erfuhr, hob Moreno hervor, daß zu seinen Priori­täten die Einheit der revolutionären Kräfte gehöre.

„Wir werden jene Brüder wieder an uns annähern, die gegangen sind. Indigene Gruppen, Unweltschützer und junge Menschen müssen zurückkommen. All jene, die gegangen sind, werden zurückkommen müssen“, erklärte er bezüglich einiger Spal­tungen und Konflikte der letzten Jahre. „Wir werden anhören und verstehen, was es ist, was die ecuadorianischen Brüder wollen.“ Den Behörden des Nationalen Wahl­rates und den internationalen Beobachtern zufolge verliefen die Wahlen vollkommen normal, trotz der Witterungsunbilden in mehreren Küstenprovinzen. Der Tag war jedoch durch die Wahlumfragen an den Wahllokalen bestimmt, die gegensätzliche Ergebnisse ergaben. Das mit Lasso verbundene Consulting-Unternehmen „Cedatos“ gab als Sieger den Kandidaten von CREO bekannt, während „Perfiles de Opinión“ Moreno ansagte.

Mehrere Politiker, einschließlich des Präsidenten, riefen dazu auf, die offiziellen Ergebnisse abzuwarten und eine Polarisierung zu vermeiden. Lenín Moreno wies gegenüber seinen Anhängern darauf hin, daß es unverantwortlich sei, falsche Angaben von seiten eines Unternehmens anzubieten, das vom Kandidaten der Rechten bezahlt werde. Er rief zu Ruhe auf und bat darum, die Ergebnisse zu respektieren.

„Eine großartige Nachricht für das Große Vaterland: Die Revolution hat in Ecuador erneut gesiegt“, sagte der derzeitige Präsident, als die ersten Ergebnisse der zweiten Wahlrunde veröffentlicht wurden.

Correa ist zweifellos eine der zentralen Figuren der fortschrittlichen Welle, die die „lange neoliberale Nacht“ hinter sich ließ, die sich Lateinamerikas bemächtigt hatte.

Der Sieg vom 2. April bedeutet, daß das Werk über seine Person hinauswachsen wird, wenn auch alle Analysten erwarten, daß er weiterhin einer der einflußreichsten Poli­tiker seines Landes sein wird.

Der Sieg tritt in einem Moment ein, in dem wir einen Aufschwung der regionalen Rechten erleben und das internationale Panorama vom Voranschreiten von fremden­feindlichen und extremistischen Ideen in großen internationalen Mächten gekenn­zeichnet ist.

Ecuador war während der Regierung von Rafael Correa auch eines der Länder, die die Mechanismen der Integration förderten, auf die die Region heute zählt. Daher ist es so wichtig, daß die neue Regierung bereit ist, den Stab zu übernehmen. Auf jeden Fall sendet die Entscheidung der Ecuadorianer der Welt die klare Botschaft, daß die fort­schrittliche Welle in Lateinamerika weit davon entfernt ist, zu verschwinden.

Aus „Granma Internacional“ 4/2017, redaktionell bearbeitet