RotFuchs 204 – Januar 2015

Ein Ettersburger „Initiativbau“

Peter Pöschmann

Nach den mich anwidernden „Mauerfall“-Arien, die im Bundestagsauftritt eines abgewrackten antikommunistischen Krakeelers kulminierten, drängt es mich, den Lesern des RF eine „Wendegeschichte“ besonderer Art zu erzählen.

Damals wohnte ich in Ettersburg, einem Ort unweit des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald. Unser Bürgermeister Lothar Geis war ein früherer Offizier der DDR-Grenztruppen. Der Gemeinderat und der Ortschaftsrat der Nationalen Front, den ich leitete, bildeten die „Lokalregierung“ und gaben den „Ettersburger Landboten“, eine beliebte Informationsquelle, heraus. 1988 planten wir einen „Initiativbau“, wie nicht im Staatsplan aufgeführte Vorhaben bezeichnet wurden. Es ging um die Befestigung von Straßen und Wegen. Seele dieses unter unseren Verhältnissen recht kühnen Unterfangens war Oberstleutnant der NVA a. D.  Kurt Kmetsch, damals Direktor des volkseigenen Weimarer Schlachthofes. Eine Straßenbaufirma sagte uns die notwendige materielle und logistische Unterstützung zu, während die Arbeitskräfte von der Gemeinde gestellt werden mußten.

Unser Projekt kam bald in die Gänge. Als anderswo DDR-Bürger bereits die „Wende“-Parole „Wir sind das Volk“ skandierten, sorgte dasselbe Volk in Ettersburg für Verbesserungen der Infrastruktur. Auch etliche Kritiker der DDR ackerten unverdrossen in der Straßenbaubrigade und überhörten das Geschrei anderer. Uns Kommunisten verschaffte die Aktion unter schwierigen Bedingungen Aufwind. Doch jene, welche die DDR aufs Kreuz legen wollten, hatten noch einen besonderen Pfeil im Köcher: „freie Wahlen“.

In Ettersburg befand sich das modernste Altersheim Thüringens. Am Wahltag stellte es zwei Drittel aller Stimmberechtigten des Ortes. Da es der CDU gelungen war, eine im Heim besonders beliebte Schwester als örtliche Spitzenkandidatin zu gewinnen, errangen die Schwarzen einen klaren Sieg. Lothar Geis wurde „ganz demokratisch“ abgewählt, an seine Stelle trat ein gewendeter Bürgermeister. Doch nach nur einer Wahlperiode mußte Kohls Mann die Segel streichen. Genosse Geis kehrte auf seinen Posten zurück.

Heute entrichten die alten Leute nicht mehr wie zu DDR-Zeiten 150 Mark im Monat für einen Heimplatz, sondern müssen bis zu 3000 Euro berappen. An den Rentenzahltagen stehen auch keine Angehörigen in der Schlange, weil für sie nichts abfällt. Im Gegenteil: Die meisten Jungen müssen für den Heimaufenthalt der Alten blechen.

Die damals von uns instandgesetzten Ettersburger Straßen und Wege aber sind weiterhin intakt: Es wird sie vermutlich noch geben, wenn wieder einmal bessere Zeiten anbrechen.