RotFuchs 202 – November 2014

Treuhandnachfolgerin will 250 000 Hektar
Bodenreformflächen verscherbeln

Ein fetter Brocken

Eberhard Herr

Im Osten Deutschlands gibt es noch eine lukrative Möglichkeit, sehr viel Geld zu machen und etliche Millionen Euro in die Kassen des Herrn Schäuble zu spülen. Um was geht es? Der fette Brocken besteht aus 250 000 Hektar Ackerland, Wiesen und Forsten. Dabei handelt es sich um aus der demokratischen Bodenreform stammendes einstiges Feudaleigentum sowie um Forsten, die schon vor 1945 dem Staat gehörten.

Diese Flächen befinden sich derzeit „in der Obhut“ der bundeseigenen Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG) – einer Nachfolgeeinrichtung der berüchtigten Treuhand.

Die seinerzeitigen Verfasser des Gesetzes über die Tätigkeit der Treuhand – einer das DDR-Volksvermögen verschleudernden und verscherbelnden Institution – haben diese raffinierterweise damit beauftragt, jetzt auch noch den mächtigen Eigentumskoloß zu veräußern.

Was aber würde es bedeuten, wenn man tatsächlich zum Verkauf schritte? Nur zahlungskräftige Privatleute, vor allem aber Kapitalgesellschaften wie die KTG-Gruppe mit ihren rund 32 000 zusammengerafften Hektar könnten überhaupt Land erwerben. Denn buchstäblich über Nacht ist der Boden in den annektierten „neuen Bundesländern“ enorm teuer geworden. Mancherorts werden bereits 15 400 Euro je Hektar und sogar noch mehr gezahlt.

Hohe Bodenpreise regen überdies zum Verkauf bäuerlicher Eigentumsländereien an. Unterstellen wir folgenden Fall: Ein ehemaliges LPG-Mitglied hat nach der gesellschaftlichen Rückwärtswende seine sechs Hektar einstigen Bodenreformlandes einer neuen Genossenschaft – oftmals der LPG-Nachfolgerin – verpachtet. Nun bietet man ihm, sagen wir mal, 12 000 Euro je Hektar an. Da kann derjenige, den es betrifft, schon mal weich werden und die stattliche Summe einsacken.

Wenn so ein Beispiel aber Schule macht, besonders in Gebieten mit guten Böden, dürfte das einer heute florierenden Agrargenossenschaft im Sinne des bürgerlichen Rechts echte Probleme bereiten.

Andererseits haben manche von ihnen selbst Land von der „treuhandlichen“ BVVG gepachtet. Die Laufzeit der Verträge beträgt in der Regel 10 bis 12 Jahre. Werden diese Flächen gleichfalls verkauft, dann könnten sich die Probleme potenzieren. Auch wenn der Betrieb genügend Kapital für einen Landzukauf besitzt, steht keineswegs fest, ob ihn die BVVG als Käufer auswählt. Sind nämlich noch höhere Angebote da, dann gehen die Flächen an deren Bieter. So ist das nun einmal im Kapitalismus.

Auf jeden Fall dürfte eine nicht geringe Zahl von Betrieben – effektiv wirtschaftende große Genossenschaften – in arge Schwierigkeiten geraten. Es müßten Bodenareale verändert und Einschnitte in die Fruchtfolgen vorgenommen werden. Vor allem aber steht die bange Frage: Reicht das Eigenkapital, um das Land zu kaufen. Ob privat wirtschaftende Bauern die geforderten Summen aufbringen, 50 oder mehr Hektar Land zusätzlich zu erwerben, steht in den Sternen. Das Streben geht dahin, effektive Betriebsgrößen zu erreichen, was heutzutage wenigstens 150 bis 250 Hektar bedeutet. Besser wären allerdings 450 ha. Das sind Größenordnungen, die früher nur Gutsbesitzer ihr eigen nannten. Doch darunter lohnt es sich nicht, im Kapitalismus erfolgreich zu wirtschaften.

Ich meine hier natürlich nicht die „Nischenproduzenten“ – die Erzeuger von Ziegen- oder Schafskäse – oder jene, die wie früher auf zwei Hektar Land mit Pferd und Einscharpflug werkeln. Doch so kann man natürlich kein Volk ernähren. Überdies haben die bäuerlichen Familienbetriebe oftmals das Problem des männlichen Erben, der im Todesfalle des Hofbesitzers den Betrieb übernimmt und weiter bewirtschaftet.

In Anbetracht der Gefahren für Teile der Landwirtschaft, die – wie erwähnt – daraus erwachsen, daß die BVVG die Flächen verkauft, setzt sich die Partei Die Linke für eine langfristige Verpachtung ein. Dieser Gedanke dürfte im Bundestag keine Mehrheit finden. Die tonangebenden Parteien stehen auf Verkauf, wobei sie natürlich niemand anderen als Kapitalkräfte unter den Käufern sehen möchten. So wechseln Territorien aus der ungeliebten staatlichen Verwaltung in Privathand. Der Staat beschränkt sich auf das Kassieren von Steuern und Pachten.

Daß es auch ganz anders gehen kann, hat sich ja in der DDR gezeigt. Der genossenschaftliche Weg unter sozialistischen Bedingungen war und ist für die Bauern der beste. Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR schufen in den Dörfern eine breite Palette von Einrichtungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen. Nur einige seien hier erwähnt: Betriebskantinen mit Küchen; Krippen und Kindergärten; Sportanlagen; Kulturhäuser oder andere Einrichtungen dieser Art; neue Straßen; Waldstreifen; garantierte Ferienplätze im eigenen Land und im sozialistischen Ausland; genossenschaftliche Wohnungen. Auch der sozialistische Wettbewerb verhieß den Beteiligten materielle Vorteile.

Doch nun ist das Jammern allenthalben groß, weil die Dörfer immer mehr veröden. Die jungen Leute sind überwiegend weggezogen, und mit ein paar bäuerlichen Familienbetrieben ist das Problem nicht zu lösen. Harte körperliche Arbeit, wenig Freizeit, kaum Urlaub – das findet die Jugend keineswegs attraktiv. Ihr hatten es die großen spezialisierten Pflanzenbau- und Tierproduktionsbetriebe der DDR mit ihrer modernen Technik angetan. Damals fehlte es in den Dörfern nicht an Einwohnern. Viele junge Familien bezogen genossenschaftseigene Häuser. Die eigentlichen Verlierer des vor 25 Jahren eingeleiteten Prozesses zur Zerstörung der DDR waren daher vor allem Jüngere, die in den verbleibenden Betrieben kaum noch Arbeit fanden und deshalb nach dem Westen abwanderten.

Wenn ostdeutsche Landwirte und vor allem die als Wiedereinrichter bezeichneten neuen Privatbauern damals geglaubt hatten, sie könnten nun mit der Produktion nach Leibeskräften loslegen, dann hatten sie sich in den Finger geschnitten. Für Hauptprodukte wie Milch, Fleisch und Zuckerrüben gab es sofort eine „Quotenregelung“. Demgegenüber konnte die Landwirtschaft in der DDR produzieren, soviel sie wollte. Nun aber bestimmen Brüssel, „der Markt“ und sich ständig ändernde Preise das Geschäft.