RotFuchs 196 – Mai 2014

Kubas Ärzte betreuten weltweit 21 Millionen Patienten

Ein Ruhmesblatt des Humanismus

RotFuchs-Redaktion

Ein kleiner mittelamerikanischer Inselstaat, dessen Bürger ein monatliches Durchschnittseinkommen von weniger als 50 Dollar beziehen, hat die mächtigsten Länder der Welt seit Jahrzehnten in einer kardinalen Frage ausgestochen: bei qualifizierter ärztlicher Hilfe. Kuba unterhält derzeit mehr medizinisches Personal im Ausland als sämtliche hochentwickelten Staaten zusammengenommen. Im April 2012 arbeiteten 38 868 ausgebildete Fachleute in 66 Ländern – darunter 15 047 Ärzte, 22 % aller Mediziner des karibischen Landes. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten bereits 135 000 im kubanischen Gesundheitswesen Beschäftigte an Auslandseinsätzen einmal oder des öfteren teilgenommen.

In Havanna neigt man nicht zum Begriff „medizinische Hilfe“. Man empfindet ihn als zu bevormundend. Statt dessen spricht man von Zusammenwirken. Übrigens beteiligt sich Kuba auch nicht an sogenanntem Katastrophentourismus. Einsätze sind stets von längerer Dauer. Sie erstrecken sich in der Regel auf zwei Jahre, wobei im Bedarfsfalle die einen Kubaner durch andere abgelöst werden.

Ziel ist es, in den betreffenden Ländern ein belastbares eigenes Gesundheitssystem aufzubauen, wozu Kräfte aus der jeweiligen Bevölkerung einbezogen und ausgebildet werden. Die kubanischen Helfer leben unter und mit den jeweils Betreuten. Es versteht sich, daß alle medizinischen Leistungen unentgeltlich gewährt werden.

Von Bedeutung ist die Tatsache, daß die bei den Auslandseinsätzen verwandten Mittel und Methoden Kubas eigenes Gesundheitswesen widerspiegeln. Dort betrachtet man dessen Inanspruchnahme als in der Verfassung verankertes Menschenrecht. Die Ausbildung kubanischer Ärzte konzentriert sich auf die Vermittlung diagnostischer Fähigkeiten, da die Verfügbarkeit modernster Medizintechnik – vom Röntgengerät bis zum Ultraschall – im Ausland oft sehr begrenzt ist.

Kubas Gesundheitsfürsorge legt den Akzent auf Vorbeugung und Verhütung. Wenn Medikamente eingesetzt werden, verwendet man meist im Lande selbst hergestellte Präparate, zumal dieses dazu imstande ist, 80 % des Bedarfs aus heimischer Produktion zu decken. Die Arzneimittelpreise der Apotheken machen nur einen Bruchteil in anderen Ländern geforderter Beträge aus.

Havannas internationalistisches Hilfsprogramm wurde weltweit erst wahrgenommen, als Kuba 2005 nach dem Hurrikan „Katrina“, der in New Orleans enorme Schäden angerichtet und viele Menschenleben gefordert hatte, die sofortige Entsendung von 1500 Ärzten und Technikern in die USA anbot, was durch George W. Bush prompt abgelehnt wurde.

Dabei hatte sich der kleine Karibikstaat schon seit 1960 in ähnlicher Weise engagiert, als er in das von einer Erdbebenkatastrophe betroffene Chile seine Mediziner-Teams entsandte. 1963 folgte dann eine zahlenmäßig starke Equipe, die dem gerade befreiten Algerien Ben Bellas zu Hilfe kam.

Nachdem Castros Barbudos am 1. Januar 1959 in Havanna Einzug gehalten hatten, stand Kuba fast ohne Ärzte da. Nahezu die Hälfte des gesamten medizinischen Personals hatte sich nach Miami abgesetzt. Die revolutionäre Regierung konnte nur noch mit etwa 3000 approbierten Doktoren rechnen.

Inzwischen hat sich Kuba als Ärzte-Exporteur Nr. 1 profiliert, wobei es anderen Staaten ohne ideologische Bedingungen Unterstützung gewährt. Hunderte Mediziner arbeiten z. B. seit Jahren in Honduras, obwohl Raúl Castro 2009 scharf gegen die Ausschaltung des demokratisch gewählten Präsidenten Zelaya protestiert hatte. In gleicher Weise verurteilte Kuba den durch die Oligarchien herbeigeführten Sturz des paraguayischen Präsidenten Lugo im Jahr 2012, ohne seine Mediziner abzuziehen.

Als 1998 Hurrikan „Mitch“ über Zentralamerika hinwegfegte und 20 000 Opfer forderte, leitete Kuba sofort entsprechende Schritte ein, obwohl es zu einer Reihe von Staaten der Region keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Innerhalb weniger Tage trafen die ersten 424 Spezialisten in den Unglückszentren ein – am Ende waren es etwa 2000.

Auch in anderen Weltregionen erwies sich Kuba als hilfsbereitestes Land. Nach der 1986 eingetretenen Reaktorkatastrophe von Tschernobyl behandelten seine Mediziner in Krankenhäusern und Sanatorien der Insel 26 000 Betroffene, hauptsächlich Kinder. Das Programm lief aus, als es die UdSSR schon lange nicht mehr gab.

Ein besonders ruhmreiches Kapitel war Kubas Solidarität mit Haitis Bevölkerung. Seit dem Hurrikan „George“, der den Nachbarstaat 1998 verwüstete, waren dort ohne Unterbrechung 340 Fachleute als Helfer tätig. Nach dem Erdbeben vom Januar 2010 leistete Kuba den entscheidenden Beitrag, um ein Übergreifen der Choleraepidemie auf ganz Haiti zu verhindern. 76 897 Cholerapatienten wurden bei einer Sterblichkeitsrate von lediglich 0,35 % medizinisch behandelt.

Die größte aller Initiativen Kubas zur Verbesserung der Lage im Gesundheitswesen war und ist Venezuela gewidmet. Dort werden insgesamt 25 000 Medizinstudenten von kubanischen Professoren auf ihre künftige Tätigkeit vorbereitet. 8000 von ihnen – darunter 77 % Frauen – haben die Ausbildung bereits abgeschlossen.

Übrigens beschränkt sich die Hilfe Kubas keineswegs auf den eigenen Kontinent. Hochschullehrer von der Insel der Freiheit haben auch in Jemen, Guyana, Äthiopien, Uganda, Ghana, Gambia, Äquatorial-Guinea, Guinea-Bissau und Timor-Ost bei der Gründung medizinischer Bildungsstätten mitgewirkt.

Nicht unerwähnt bleiben sollte schließlich die Tatsache, daß Kubas ophtalmologisches Programm „Milagro“ gegen den Grauen Star bisher mehr als 2 000 000 Menschen in 34 Ländern die Sehkraft zurückgegeben hat.

In den 15 Jahren ihres Bestehens hat die kubanische medizinische Brigade 314 363 Menschen das Leben gerettet und insgesamt 20 946 528 Patienten betreut, davon 6 792 394 bei Hausbesuchen. In diesem Zeitraum wurden von ihr 373 513 chirurgische Eingriffe vorgenommen und 150 336 Geburten unterstützt.