RotFuchs 207 – April 2015

Wuppertaler Projektgruppe beging Auschwitz-Tag
mit „Professor Mamlock“

Ein weltbewegendes Drama Friedrich Wolfs

Dr. Dirk Krüger

Die Wuppertaler Projektgruppe „Ernst Toller“ hatte aus Anlaß des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee zu einer szenischen Lesung des Dramas „Professor Mamlock“ von Friedrich Wolf eingeladen. Ihr Leiter Dr. Dirk Krüger schrieb eine Skizze über den herausragenden kommunistischen Schriftsteller und sein wiederholt verfilmtes Theaterstück.

Friedrich Wolf wurde 1888 als einziger Sohn jüdischer Eltern in Neuwied am Rhein geboren. Nach dem Abitur studierte er Medizin. 1920 erhielt er in Remscheid eine Anstellung als Stadtarzt. Seit November 1921 praktizierte Friedrich Wolf in Hechingen. 1927 übersiedelte er nach Stuttgart, wo er als Arzt für Naturheilkunde und Homöopathie tätig war.

1928 hielt er, nun bereits Mitglied der KPD, auf der Tagung des Arbeiter-Theater-Bundes Deutschlands die programmatische Rede „Kunst ist Waffe!“ Anfang März 1933 entging der 45jährige drohender Verhaftung durch seine Entscheidung für das Exil. Er floh über Österreich zunächst in die Schweiz, um seine Emigration dann in Frankreich fortzusetzen. Dort begann er die Arbeit am Schauspiel „Professor Mamlock“.

Im November 1933 reiste Wolf nach Moskau, um die Übersiedlung seiner Familie vorzubereiten. 1934, 1936 und 1937 wurden am „Deutschen Staatstheater Engels“ in Engels, dem Zentrum der Wolgadeutschen Autonomen Sowjetrepublik, und in Moskau Schauspiele von ihm uraufgeführt.

1938 befand er sich erneut in Frankreich. Er wollte als Truppenarzt zu den Internationalen Brigaden nach Spanien, kam aber zu spät, da diese bereits in Auflösung begriffen waren. Er lebte danach in Paris und später mit zahlreichen deutschen Exilschriftstellern in dem kleinen Mittelmeerort Sanary-sur-Mer, wo er für sie die ärztliche Betreuung übernahm.

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Friedrich Wolf als „verdächtiger Ausländer“ von den französischen Behörden verhaftet und im Lager Le Vernet, später in Les Miles, interniert.

1941 erhielt Wolf die sowjetische Staatsbürgerschaft und entzog sich damit seiner Auslieferung durch die Vichy-Regierung an Nazi-Deutschland. Er kehrte zu Frau und Kindern in die UdSSR zurück und beteiligte sich nach dem faschistischen Überfall auf vielfältige Weise am Kampf gegen den Aggressor.

1945 begab er sich nach Deutschland und nahm seinen ständigen Wohnsitz in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, für die er 1950/51 als erster Botschafter in Polen tätig war. Als Friedrich Wolf am 5. Oktober 1953 starb, hinterließ er der Nachwelt ein außerordentlich wertvolles literarisches Werk. Nach der Zerschlagung der DDR rückte der Name im Zusammenhang mit der Verfolgung seines Sohnes Markus, des langjährigen Leiters der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS, noch einmal ins öffentliche Bewußtsein.

Ohne über Friedrich Wolf viel zu wissen, erfreuen sich im Dezember Jahr für Jahr noch immer Millionen Kinder und Erwachsene an der hinreißenden Verfilmung seiner Geschichte „Die Weihnachtsgans Auguste“.

Friedrich Wolfs Schauspiel „Professor Mamlock“ ist in die Chronik des antifaschistischen Widerstandes wie die deutsche Nationalliteratur eingegangen. Stoff und Heldenwahl wurden von der Nachricht veranlaßt, daß der jüdische Chefarzt einer deutschen Klinik unter faschistischem Terror Selbstmord begangen hatte. Da Wolf selbst Arzt war und über gründliche Kenntnisse der gesellschaftlichen Situation wie über den Bewußtseinsstand der deutschen Intellektuellen verfügte, griff er das Thema auf.

Wolf begann mit der Arbeit an dem Schauspiel unmittelbar nach dem Reichstagsbrand und beendete sie im Juli 1933 auf der französischen Insel Brehat.

Die Premiere – noch unter dem Titel „Der gelbe Fleck“ – fand in Anwesenheit des Autors im Februar 1934 am Warschauer Kaminski-Theater in jiddischer Sprache statt, die eindeutiger akzentuierte deutschsprachige Erstaufführung erfolgte am 8. November 1934 im Züricher Schauspielhaus. Sie machte das Stück weltweit bekannt.

1946 erlebte „Professor Mamlock“ dann im Berliner Hebbel-Theater eine vielbeachtete Aufführung. Danach wurde das Stück auf zahlreichen Bühnen gezeigt. Ein Kritiker sprach sogar von einem „Triumphzug“. Heute ist es nahezu in Vergessenheit geraten und aus den Spielplänen der Bühnen verschwunden.

Der erste nach dem Schauspiel gedrehte Film kam 1938 in der Sowjetunion heraus und wurde zu einem Welterfolg. Konrad Wolf, ein anderer Sohn des Dramatikers, verfilmte „Professor Mamlock“ dann 1960/61 abermals und erzielte damit eine nicht minder starke internationale Resonanz. Der Untertitel „Tragödie der westlichen Demokratie“ deutet den Grundkonflikt an, den Wolf mit seinem Stück literarisch aufgreifen wollte. Der jüdische Arzt Professor Mamlock hat sich ein unveräußerliches Bild vom bürgerlichen Staat als dem Inbegriff von Gerechtigkeit geschaffen. Als ihn der faschistische Terror zu neuen Erkenntnissen zwingt, entschließt er sich zu spät und allein zum Widerstand. In seiner Verzweiflung wählt er den Freitod.

Wolf stellt die Frage nach Schuld und Verantwortung der Deutschen für die Errichtung der Hitlerdiktatur. Er bezeichnet sein Stück nicht als Tragödie, sondern nennt es ein Schauspiel, da es für seinen Helden Alternativen gegeben hätte. Diese verkörpert der Student Rolf, der 20jährige Sohn des Arztes. In ihm erwächst Mamlock ein echter weltanschaulicher Gegenspieler. An seine Seite stellt der Autor den jungen Proletarier Ernst. Die beiden vereint der Kampf gegen die Hitlertyrannei. Wolf konfrontiert das Schicksal seines Protagonisten bewußt mit einer zweiten Handlungslinie, die den illegalen Arbeiterwiderstand gegen die Faschisten ins Bild rückt. Rolf sieht die politische Blindheit der großen Masse der deutschen Bevölkerung – sein eigenes Elternhaus bietet ihm ein anschauliches Beispiel dafür – und erkennt die Notwendigkeit des politischen Kampfes.

Diese Figurengruppe (Rolf, Ernst), zu der letzten Endes auch die Entwicklung von Inge Ruoff hinführt, steht Mamlock als weltanschauliche Front gegenüber. Sie trägt in besonderem Maße dazu bei, das Schauspiel zu einem erschütternden Erlebnis zu machen, das dazu anregt, über eigenes Denken und Handeln in heutigen Auseinandersetzungen mit faschistischen und „rechtskonservativen“ Kräften nachzudenken.