RotFuchs 214 – November 2015

Engels, Bebel und Lenin –
Vorkämpfer der Ökologie

Heinz Ahlreip

August Bebels „Die Frau und der Sozialismus“ – das Buch kam 1879 heraus – gehört ohne Zweifel zu den Klassikern der sozialistischen Literatur. Es erreichte bis 1910 fünfzig Auflagen. Kein anderes sozialistisches Werk wurde von Arbeitern und Arbeiterinnen häufiger ausgeliehen. Schon bald eine Art Handbuch des Sozialismus, beeinflußte es das Denken ganzer Generationen. Bebel entwickelt und beantwortet darin – von seinem Kernthema ausgehend – einen Komplex hochwichtiger Fragen der Arbeiterbewegung. Eine davon lautet: Wie wird in einer „sozialistischen Gemein­wirtschaft“ und wie in einer „bürgerlichen Individualwirtschaft“ mit der Umwelt verfahren?

Lenin würdigte ganz unheroische Helden der freiwilligen Arbeit. Diese Komsomol-Brigade half 1931 beim Bau des Stahlwerks in Magnitogorsk.

Friedrich Engels verwies 1893 in seiner Schrift „Kann Europa abrüsten?” auf die verheerenden Folgen der Entwaldung Rußlands durch Holzexport und den Bau des Eisenbahnnetzes. Diese zog die Landwirtschaft arg in Mitleidenschaft. Immer mehr konnten die aus Zentralasien herüberwehenden staubhaltigen Trockenwinde den Schnee von agrarischen Nutzflächen wegfegen. Das Tauwasser und durch die Verstaubung auch das Regenwasser wurden zum Frühling hin nicht mehr auf­gesogen, Bäche und Ströme schwollen dagegen zu Überschwemmungen an. Im Sommer aber sank die Bodenfeuchtigkeit, so daß sie für die Wurzeln der Getreide­halme unerreichbar wurde. Hungersnöte in weiten Gebieten waren die Folge. Erinnert sei nur an 1891, als der Viehbestand der Bauern rapide abnahm. Auch Bebel hob in „Die Frau und der Sozialismus“ den Einfluß des Waldes auf die Feuchtigkeits­entwicklung der Region hervor. In „Das hungernde Rußland“ stellten Parvus und Dr. Lehmann fest, daß die Mißernten ganz wesentlich mit den maßlosen Waldrodungen zusammenhingen. So verschwanden im Regierungsbezirk Stawropol mit der Zeit fünf kleine Flüsse und sechs Seen, im Regierungsbezirk Busuluk vier Flüßchen und vier Seen und im Regierungsbezirk Samara sechs kleine Flüsse. Dörfer verloren ihren Zugang zu fließendem Wasser, und in manchen Regionen hatte man erst nach 60 Metern Bohrung Erfolg. So wurde der Ackerboden hart und rissig. Mit dem Fällen ganzer Wälder versiegten allmählich die Quellen und verminderte sich die Zahl der Regentage.

Wie später Lenin sah auch Bebel in der Elektrizität die entscheidende Produktivkraft des Sozialismus. Für ihn ist sie die gewaltigste aller Naturkräfte, die eine revolu­tionierende Wirkung auch bei der Sprengung der bürgerlichen Gesellschaft ausüben wird. Durch sie würden die Schornsteine aus dem sozialistischen Stadtbild verschwinden, nachdem Sonne und Wasser die Kohle als Energieträger verdrängt hätten. Prof. Rehbock aus Karlsruhe hatte die Rohenergie des auf der ganzen Erdoberfläche abfließenden Wassers auf acht Milliarden Pferdestärken geschätzt. „Unsere Wasserläufe, Ebbe und Flut des Meeres, der Wind, das Sonnenlicht liefern ungezählte Pferdestärken, sobald wir erst ihre volle und zweckmäßige Ausnützung verstehen“, sagte Bebel voraus. Das aber könne erst im Sozialismus der Fall sein.

Bebel, der am 13. August vor 102 Jahren starb, aktualisierte sein Buch bis 1913 ständig und bezog sich in seinen Forschungen zur Umwelt und deren Darstellung auch auf Werke der bürgerlichen Wissenschaft, wie das 1900 erschienene Buch des Berliner Professors Kohlrausch: „Die Energie der Arbeit und die Anwendung des elektrischen Stromes“, in dem der Gelehrte auf die Bedeutung der Sonnenenergie für die Wirtschaft aufmerksam gemacht hatte. Er pflichtet Kohlrausch bei, daß einige Quadratmeilen mit Kollektoren in Nordafrika ausreichen würden, den Energiebedarf des Deutschen Reiches zu decken. Bebel zitiert überdies den englischen Physiker Thomson: „Nicht allzu fern ist der Tag, da die Ausnutzung der Sonnenstrahlen unser Leben revolutionieren wird. Von der Abhängigkeit von Kohle und Wasserkraft befreit sich der Mensch, und alle großen Städte werden umringt sein von gewaltigen Appa­raten, regelrechten Sonnenstrahlenfallen, in denen die Wärme aufgefangen und die gewonnene Energie in mächtigen Reservoirs gespeichert wird …“.

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Bebel die Forschungsergebnisse des franzö­sischen Professors Berthelot, der außer dem Hinweis auf Sonnenwärme auch noch die Hitze des Erdinneren als Energieträger betonte. Man sei bereits technisch dazu in der Lage, einen Schacht bis auf 4000 Meter Tiefe zu bohren, so daß man gleich­bleibende Energievorräte für Jahrhunderte hätte. So sei eine Zukunft in Aussicht gestellt, in der die Erde ein Garten sein wird, „in dem man nach Belieben Gras und Blumen, Busch und Wald wachsen lassen“ könne …

Ich muß bei der Wiedergabe der professoralen Gedanken, denen Bebel weitgehend beipflichtete, bemerken, daß sie zunächst nur in technischer Hinsicht zu verstehen waren. Um die Jahrhundertwende bildeten sich dann in Deutschland kleinbürgerliche Vereine heraus, die Konzepte von Gartenstädten entwickelten. Ohnehin gab es eine Flut utopischer Literatur, die sich um ein „naturgemäßes Leben“ in der Zukunft drehte.

Der Autor Gerd Spelsberg wies 1988 auf Bellamys Roman „Im Jahr 2000“ (einen fiktiven Rückblick aus einem kommunistisch gewordenen Boston) hin, der sowohl in den USA als auch in Deutschland in hohen Auflagen, u. a. bei Reclam, herauskam. 1902 wurde die „Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft“ auf genossenschaftlicher Grundlage ins Leben gerufen. Sie betonte „deutlich die völkische Entwicklungslinie“. 1896 hatten der antisemitische Ingenieur Theodor Fritsch (Die Stadt der Zukunft) und 1897 der Engländer Ebenezer Howard (Garden Cities of Tomorrow) bereits entspre­chende Konzepte entworfen. Allen Utopisten war die Verherrlichung der Elektrizität als eine Art Allheilmittel gemein. Durch Lenins Aussage, der Kommunismus sei Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes, entstand zwar eine griffige Parole, die aber im innersten Kern noch nicht den Kommunismus verbürgen kann. Um den entscheidenden Schritt zur Abgrenzung von kleinbürgerlichen und technizis­tischen Gartenstadtkonzepten zu vollziehen, müssen wir fragen, was denn für Lenin zu seinen Lebzeiten das sichtbarste Anzeichen des Kommunismus gewesen ist. Es waren die als kommunistische Subbotniks bezeichneten freiwilligen Arbeitseinsätze, die er in seiner Schrift „Die große Initiative“ als den „faktischen Beginn des Kommunismus“ bezeichnete. Kollektives Arbeiten mit Gattungsbewußtsein ohne Bezahlung. So etwas aber war in den kleinbürgerlichen Gartenstadtkonzepten nicht vorgesehen.