RotFuchs 236 – September 2017

Erfolgreicher Streik für Freiheit und Würde

Mumia Abu-Jamal

Feier nach der Bekanntgabe der Beendigung des Hungerstreiks der palästinensischen Gefangenen am 27. Mai in Ramallah

Ende Mai 2017 konnten palästinensische politische Gefangene einen eindrucksvollen Sieg über die repressiven Haftbedingungen in israelischen Gefängnissen verkünden. Nachdem Vertreter der israelischen Gefängnisverwaltung Konzessionen gegenüber den Häftlingen gemacht hatten, erklärten diese ihren Hungerstreik nach einundvier­zig Tagen für beendet.

Nach Angaben der israelischen Offiziellen waren insgesamt mehr als 1570 Häftlinge an dem Streik beteiligt. Rund 800 Gefangene hungerten noch, als sie am Vorabend des heiligen Fastenmonats Ramadan ihre Kampfmaßnahme nach mehr als zwanzig­stündigen Dauerverhandlungen einstellten. Achtzehn der Streikenden befanden sich zu diesem Zeitpunkt mit schweren gesundheitlichen Komplikationen zur stationären Behandlung im Krankenhaus.

Der Hungerstreik wurde von Marwan Barghuthi angeführt, einem politischen Gefan­genen, den die israelische Besatzungsmacht seit dreizehn Jahren in Haft hält. Bar­ghuthi ist Kommandeur der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO.

(Laut der US-Zeitung „Liberation“, dem Blatt der „Party for Socialism and Liberation“, erklärte der Streikführer, der Hungerstreik sei „der längste kollektive Streik“ und „ein heldenhafter historischer Sieg in der fünfzigjährigen Geschichte der Gefangenen­bewegung“ gewesen. Er stelle einen „Wendepunkt“ in der Beziehung der palästinensi­schen Häftlinge zu den Offiziellen des israelischen Gefängnissystems dar. jW)

Mit ihrem Streik hatten die Häftlinge gegen schlechtes Essen, Überbelegung der Haftanstalten und mangelnde Bildungsangebote protestiert. Sie forderten eine Ver­besserung der medizinischen Versorgung und die sofortige Beendigung der Isola­tionshaft. Eine weitere Hauptforderung richtete sich gegen das, was die israelische Justiz „Administrativhaft“ nennt, also die Inhaftierung ohne jede Anklage und Gerichtsverhandlung.

Die palästinensischen Gefangenen erklärten, in all ihren Forderungen Erfolge erzielt zu haben. Der Hungerstreik, der unter dem Motto „Streik für Würde und Freiheit“ geführt wurde, war eine wagemutige politische Kampf­aktion gegen den israelischen Apartheidsstaat. Das „Palästinensische Unterstützungsnetzwerk für Gefangene“ lobte die Hungerstreikenden für ihre Standhaftigkeit und begrüßte ihren Sieg. Das Netzwerk kritisierte aber auch das Internationale Rote Kreuz, weil es sich nicht angemessen dafür eingesetzt habe, daß die Gefangenen wegen angeblicher „haus­haltspolitischer Bedenken“ der Regierung seit mehr als einem Jahr nur an einem Tag pro Monat und nicht wie zuvor an mindestens zwei Tagen Besuch von ihren Familien erhalten konnten. Der Staat Israel hält derzeit mehr als 6000 Palästinenser in Gefan­genschaft, darunter in rechtswidriger Weise auch viele Kinder und Jugendliche.

Neben dem Widerstand in den besetzten Gebieten spielte auch die internationale Soli­darität eine entscheidende Rolle beim erfolgreichen Kampf der palästinensischen Gefangenen. Prominente Unterstützer und politische Gefangene aus vielen Ländern hatten sich mit den Streikenden solidarisch erklärt. Darunter René Gonzáles von den „Cuban Five“, der fünfzehn Jahre in US-Gefängnissen eingesperrt war, und Oscar López Rivera. Der puertoricanische Unabhängigkeitskämpfer war erst kürzlich nach 36 Jahren hinter US-Gittern freigelassen worden.

„junge Welt“ vom 10. Juni 2017, Übersetzung: Jürgen Heiser