RotFuchs 221 – Juni 2016

Eine österreichische Antifaschistin,
deren jüdische Eltern ermordet wurden

Erinnern an Mia Förster-Schönfeld

Prof. Dr. Gerhard Oberkofler

Geboren wurde Mia Förster am 27. August 1922 in Wien. Ihr Vater war ein polnisch-jüdischer Kaufmann aus der Westukraine, ihre Mutter eine tschechische Jüdin. Die „gutbürgerliche“ Familie Förster wohnte im III. Wiener Gemeindebezirk und legte Wert auf eine gute Ausbildung ihrer einzigen Tochter.

Mia Förster besuchte die als „Stern-Schule“ bekannte Lehr- und Erziehungsanstalt im I. Wiener Bezirk. Als 16jährige erlebte sie im März 1938 den Machtantritt der deutschen und österreichischen Faschisten. „Nur auf Arier“ war nun auf den Sitzbänken des Wiener Stadtparkes zu lesen. Was dachte die junge Frau in diesem Frühling, der auch der beginnende Frühling ihres Lebens sein sollte? Die Autorin Gitta Deutsch meint, wenigstens die Natur sei in diesem grauenhaften Wien anständig geblieben: „Der Flieder duftete wie eh und je.“ Aber das konnte nicht wirklich ein Trost sein, so wie ja das schöne Österreich auch kein Trost für die vielen, in der Gegenwart vergeblich auf Solidarität wartenden jungen Frauen aus den Kriegsgebieten der Welt in ihrer Angst, Bedrohung, Absonderung und Erniedrigung ist.

Die „Stern-Schule“ wurde geschlossen, die Eltern ließen ihre Tochter eine Lehre als Hutmacherin und Modistin beginnen, um sie so irgendwie auf das Exil vorzubereiten. Im September 1940 gelang der Familie die Flucht aus Wien nach Jugoslawien, von dort konnte Mia Förster auf Wunsch der Eltern die Überfahrt nach den USA antreten. Die Eltern blieben in Jugoslawien, das 1941 von der hitlerfaschistischen Wehrmacht überfallen wurde. Am 2. März 1944 erhielt Mia in den USA einen letzten Brief von ihnen. Er kam aus einem Internierungslager auf der Insel Rab, wo deutsche „Herrenmenschen“ die Juden zusammengetrieben hatten. Den Ort der Ermordung ihrer Eltern konnte Mia nach dem Krieg trotz vieler Bemühungen nicht feststellen.

In den USA hat sich die kurze Zeit als Modistin beschäftigte Mia Förster dafür zu interessieren begonnen, welche Kräfte hinter Faschismus und Krieg stehen. Sie entlehnte in einer New Yorker Bibliothek zur Verwunderung der dortigen Bibliothekare Werke von Marx, darunter den „18. Brumaire des Louis Bonaparte“ und „Klassenkämpfe in Frankreich“. Die Freie Österreichische Jugend sprach Mia Förster an, und schon bald wurde sie wegen ihrer intellektuellen und organisatorischen Begabung Leiterin von drei österreichischen Jugendgruppen in New York. Sie lernte dabei den aus Wien vertriebenen Thomas Schönfeld (1923–2008) kennen.

Mia Förster und Thomas Schönfeld hätten aufgrund ihrer Arbeitsdisziplin und ihres Intellekts in den USA ein bequemes bürgerliches Leben mit den üblichen Belohnungen führen können. Statt dessen entschieden sich beide, am Aufbau eines neuen demokratischen und solidarischen Österreich mitzuwirken. Was für eine Hoffnung! Daß sie Kommunisten geworden waren, machte ihr Anliegen nicht einfacher. Vor ihrer Rückkehr nach Wien (1947) heirateten Mia und Thomas. Der schloß, da Mia darauf bestand, sein Chemie-Studium an der Wiener Universität ab, profilierte sich als herausragender Schüler des viele Jahre aus politischen Gründen von einer Universitätsprofessur ferngehaltenen Engelbert Broda und wurde die radiochemische Kapazität seiner Alma mater.

Mia Schönfeld war im Sommer 1947 einige Zeit in Paris beim Weltbund der Demokratischen Jugend tätig. In Wien wurde sie dann Organisationsleiterin der Bezirksorganisation Wieden der KPÖ. Bei internationalen Kongressen arbeitete sie als Dolmetscherin. An der Vorbereitung des ersten Wiener Ostermarsches 1963 waren sie und Thomas als Initiatoren beteiligt.

immer wieder wurde Mia Schönfeld in Wien an das Schicksal ihrer Eltern in Jugoslawien erinnert. Das war besonders der Fall während der Affäre um den schwer belasteten Wehrmachtsoffizier Kurt Waldheim aus dem Stab des Kriegsverbrechers Alexander Löhr, der für die Bombardierung Belgrads verantwortlich war.

1972 – die KPÖ hatte ihren Zenit, ihre beste Zeit überschritten – gründete Mia Schönfeld den von der Wiener Partei mit Skepsis begleiteten Kommunistischen Kulturkreis (KKK), in dessen Rahmen viele Veranstaltungen mit Filmen, Lesungen und Diskussionsabenden stattfanden. Mit einer sachkundigen Freundin organisierte sie zum Beispiel einen Gesprächsabend über Städtebau. Die Tyrannis der kleinbürgerlichen Wiener Kulturgesellschaft war indes nicht zu durchbrechen, da sich diese wie eh und je opportunistisch orientierte.

Mia Schönfeld hat alle ihre Leistungen ohne jegliche Vergütung und ohne Applaus von anderen, auch nicht von der KPÖ, vollbracht. Sie war souverän und nicht zu korrumpieren. Das Scheitern des ersten Versuchs, in Teilen Europas eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen, hat Mia Schönfeld als Marxistin ohne erkennbare Resignation zur Kenntnis genommen, ihre Ideale blieben unverändert. Das Engagement von Mia Schönfeld für die Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse und für eine gerechtere und solidarische Welt sowie ihr Kampf für ein wirklich menschliches Zusammenleben, ja letztlich für kommunistische Lebensverhältnisse als Endziel war nicht spektakulär, bleibt aber wegweisend.

Die 2012 verstorbene Mia Schönfeld war eine österreichische Kommunistin, die aber nicht in der KPÖ in ihrer späteren Verfaßtheit sein wollte. Sie trug niemals ein revolutionäres Fähnchen vor sich her und war im Brechtschen Sinne eine pessimistische Optimistin.

Die Erinnerung an diese beherzte Frau und Mutter zweier Kinder möge in der im politisch-moralischen Sinne korrumpierten österreichischen Gesellschaft, in der von Konsumismus, Banalismus und Opportunismus begleiteten Kriegswelt der Gegenwart zum Nachdenken herausfordern und jene ermutigen, die auf eine bessere Zukunft menschlichen Lebens hoffen. Ihr Weg kann auch den vielen geflüchteten Frauen Kraft vermitteln, die sich innerlich bereits auf eine Rückkehr in die Heimat vorbereiten, um sich dann an deren Wiederaufbau zu beteiligen.