RotFuchs 212 – September 2015

Europas Schuldenkrise
ist nicht vom Himmel gefallen

Wolfgang Eife

In der bürgerlichen Gesellschaft sind die kapitalistischen Verhältnisse vielfältig. Als typisch erweisen sich nicht mehr Unternehmer, die selbst mitgearbeitet, ihren Betrieb aufgebaut und geleitet haben. Die derzeit bei den 0,003 % der Erdbevölkerung ausmachenden Superreichen, die über mehr als 30 Millionen Dollar verfügen, vorhandenen Vermögen sind in den meisten Fällen geerbt, die ursprünglichen und jetzigen Besitzer weitgehend unbekannt.

Heutige Kapitalisten übergeben ihr Vermögen in der Regel an Dienstleistungsgesellschaften und Banken. Sie erwarten, daß diese es vermehren – wie, ist ihnen völlig egal. Hunderttausende Banker und Bankangestellte stehen dafür weltweit bereit. Deren Arbeitsweise hat Sahra Wagenknecht gründlich untersucht und in ihren Schriften allgemeinverständlich dargelegt.

Wenn heute über die Finanzkrise berichtet wird, dann stehen die Banken in der Kritik, nicht aber die tatsächlichen Kapitalbesitzer, für welche die Banken gearbeitet und deren Vermögen sie vervielfacht haben. Unter jenen, die auf diese Weise in einen Finanzierungsnotstand geraten sind, befinden sich ganze Volkswirtschaften, da die betroffenen Staaten gezielt überschuldet wurden. Das eklatanteste Beispiel liefert Griechenland, das sich der Würgeschlinge der Kapitalbesitzer und der sie repräsentierenden Troika nicht zu entwinden vermag.

Die seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ständig angewachsenen Vermögen der Ultrareichen finden seit den 90ern nicht mehr genügend Anlagemöglichkeiten, weil durch die als „neoliberal“ bezeichnete Wirtschaftspolitik der führenden kapitalistischen Industrieländer fast schon alles privatisiert worden ist.

Die Banken gingen deshalb dazu über, mit dem ihnen „anvertrauten“ Vermögen auf den Geldmärkten zu spekulieren. Bekannt sind Entwicklungen wie der künstlich erzeugte Immobilienboom in den USA und die berüchtigten Hedgefonds, die Blasen gleichend den Anlegern anfangs Luft verschaffen und hohe Profite bringen. Doch jede Blase platzt einmal, wobei das vorgespiegelte Kapital damit auf seinen Realwert zurückfällt. Das normale Ergebnis ist der Verlust der Vermögen, die zur Spekulation eingesetzt wurden. Ganz einfach: Die meisten Banken in den Industrieländern haben sich total verspekuliert, so daß die von ihnen verzockten Vermögen der Kapitalisten in den Schornstein geschrieben werden mußten.

Damit aber die Multimillionäre und Milliardäre dennoch keine Verluste erleiden, haben die Regierungen der kapitalistischen Länder die Banken über „Rettungsfonds“ mit Milliardensummen ausgestattet. Dazu mußten diese Kredite aufnehmen und Schulden ausweisen, die auf Jahrzehnte hinaus nicht getilgt werden können. Immer wieder geht es um neue Kredite, um die alten zu bezahlen. Griechenland und auch andere Länder, die sie in Anspruch genommen haben, erhalten neue Kredite nur unter der Bedingung, den Lebensstandard der Massen weiterhin drastisch zu senken.

Von der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission werden konkrete Maßnahmen zur Lohn- und Rentensenkung, zum Verkauf staatlichen Eigentums und zur Entlassung von Personal gefordert, womit man demokratische Bemühungen in den betroffenen Ländern unterläuft.