RotFuchs 221 – Juni 2016

Fluchthelfer, Schleuser und kriminelle Schlepperbanden gestern und heute

Prof. Dr. Horst Schneider

Kürzlich las ich einen Bericht über den Prozeß gegen einen slowakischen Schleuser, der „Balkanflüchtlinge“ nach Deutschland geführt hatte. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.

Das brachte mich auf den Gedanken zu prüfen, was in der BRD mit jenen „Helfern“ geschehen ist, die DDR-Bürgern zur Flucht in die „Freiheit“ verholfen haben.

Am 15. März fragte ich in der „Ordenskanzlei“ des Bundespräsidenten an, ob und wie viele Bundesbürger dafür ausgezeichnet wurden, daß sie als Schleuser gewirkt hatten.

Susanne Bos-Eisolt beantwortete meine Frage so: „Von Bundespräsident Joachim Gauck ausgezeichnet wurden 14 Fluchthelfer und Tunnelbauer, die DDR-Bürgern uneigennützig bei der Flucht in die Freiheit in die Bundesrepublik geholfen haben, z. T. auch nach dem Mauerfall als Zeitzeugen in der Öffentlichkeit aktiv waren und damit zur Auseinandersetzung mit der Teilungsgeschichte beigetragen haben. Zur verständigen Unterscheidung von heutigen Schleusern und Fluchthelfern zu Zeiten der deutschen Teilung habe ich Ihnen einen Artikel aus der ,Welt‘ vom 29. Juli 2015 beigelegt. Herr Dr. Burkhart Veigel ist einer der oben genannten von Bundespräsident Joachim Gauck Ausgezeichneten.“

Für den Bundespräsidenten und damaligen Pfarrer Gauck sind also die Fluchthelfer von damals uneigennützige Helden.

Prüfen wir zunächst die verwendeten Begriffe. Susanne Bos-Eisolt gebraucht Schleuser und Fluchthelfer als Synonyme. Auch das Wort Schlepper taucht in den Medien auf. Der Duden unterscheidet zwischen den drei Begriffen nicht. Anders Dr. Burkhart Veigel, der im besagten „Welt“-Artikel behauptet, Fluchthelfer wie er hätten etwas Edles getan, die Schleuser hingegen seien Kriminelle. Die FAZ konstatierte: „Es sind die Schlepper, die Menschen in Seenot bringen, nicht die Europäer.“ Und der französische Präsident Hollande verurteilte die Schleuserbanden als Terroristen. Bomben, denen die Flüchtlinge zu entkommen suchen, sind für ihn und seinesgleichen kein Terror.

Prüfen wir nun die Argumentation des Fluchthelfers Dr. Veigel, der „650 DDR-Bürgern die Freiheit ermöglichte“ und ein Buch über seine „Heldentaten“ geschrieben hat: „Gemeinsam haben die Fluchthelfer des kalten Krieges und die mafiaartigen Strukturen gar nichts … Eine Gleichsetzung von Fluchthelfern durch die Berliner Mauer und Schleppern und Schleusern von heute verbietet sich.“

Aber ein Vergleich kann lehrreich sein. Da wären zunächst die Flüchtlinge und Fluchtwilligen und ihre Motive und Ziele zu vergleichen. Warum haben DDR-Bürger ihren Staat verlassen? Flohen sie vor Krieg und Bomben, vor Hunger und Not, vor unerträglichem Terror? Sie hatten Frieden, alle Bildungschancen, garantierte Arbeitsplätze und soziale Sicherheit. Unabhängig von ihren Fluchtgründen waren sie ein politischer Faktor im kalten Krieg. Sie schwächten das Wirtschaftspotential der DDR und halfen, mit ihren Fähigkeiten und ihrer Bildung die BRD zu stärken. Jede Republikflucht war ein politischer Sieg für die imperialistische Seite. Der Höhepunkt der politischen Instrumentalisierung derer, welche unseren Staat verließen, war jene Szene auf dem Balkon der BRD-Botschaft in Prag, die noch anläßlich von Genschers Tod vor wenigen Wochen in „Bild“ zur Schlagzeile taugte. Wer wüßte zu sagen, wie diese Ereignisse in afrikanischen und arabischen Ländern auf die dort Ausreisewilligen gewirkt haben müssen?

Heute kommen die meisten Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Libyen. Sie fliehen vor allem vor Krieg und Zerstörung, vor Not und Tod. Aber wer ist dafür verantwortlich? Zu nennen ist auch Präsident Gauck, der „deutsche Verantwortung“ darin sieht, die Bundeswehr weltweit einzusetzen. Die NATO, einschließlich die BRD, tragen den Krieg in andere Länder und „ernten“ Flüchtlinge. Guido Westerwelle hatte die Courage, kurz vor seinem Tod zu bekennen, daß Deutschland bei den Kriegseinsätzen nichts gewonnen habe. Das stimmt nicht ganz. Die deutschen Rüstungshaie machen Bombengeschäfte.

Der Vergleich der Motive und Ziele der Flüchtenden aus der DDR damals und den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten heute zeigt, daß es keine Deckungsgleichheit gibt. Dennoch sind auch sie Spielball der Politik. Der bisherige Tiefpunkt ist der „Flüchtlingspakt“ mit der Türkei. Die Bundesrepublik zahlt dafür, daß die Türkei die Flüchtlinge auffängt, die wiederum erpreßt sich den Eintritt nach „Europa“. Können die selbsternannten Kämpfer für „Freiheit und Menschenrechte“ noch tiefer sinken?

Dr. Burkhard Veigel sieht einen weiteren Unterschied zwischen DDR-Flüchtlingen und heute Flüchtenden in der Dimension dieser Bewegung und in der Tatsache, daß die Republikflüchtigen damals von der BRD begrüßt wurden, die heute Flüchtenden hingegen als illegal Einreisende betrachtet werden und von Abschiebung bedroht sind. Das beweist jedoch nur, daß selbst Menschenrechte durch Merkel und Co. – wie beim Schacher mit der Türkei – zur billigen Ware gemacht werden. Wenn die BRD-Regierung behauptet, Opferzahlen minimieren zu wollen, könnte sie das jederzeit tun. Es wäre für sie ein leichtes, ihren damaligen „Erfolg“ von Prag zu wiederholen. Sie müßte lediglich die Botschaften in afrikanischen und arabischen Ländern anweisen, Asylsuchenden jene Hilfe zu gewähren, die 1989 DDR-Bürger erhielten. Das sollte mit einschließen, den Ländern Schadensersatz zu leisten, in denen die Bundeswehr Schaden angerichtet hat. Merkels und Gaucks Politik kommt den meisten Deutschen teuer zu stehen. Eine Wende zum Guten verlangt Widerstand gegen Dummheit und Verbrechen.