RotFuchs 229 – Februar 2017

Grenze und Grenzregime der DDR

„Halt! Stehenbleiben!“

Fregattenkapitän a. D. Hans Fischer

In den vergangenen Jahren wurden in Ost und West zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema Grenze (Demarkationslinie, innerdeutsche Grenze, Mauer, Staatsgrenze, Systemgrenze, Grenze NATO / WV), herausgegeben, zumeist um die Grenztruppen der DDR und andere bewaffnete Organe der DDR zu diskreditieren.

Im Gegensatz dazu erschien in jüngerer Zeit ein empfehlenswertes Buch von Armeegeneral a. D. Heinz Keßler und Generaloberst a. D. Fritz Streletz mit dem Titel „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben. Zeitzeugen und Dokumente geben Auskunft“. Hier wird aus strategischer Sicht der geschichtliche Verlauf der Ereignisse an der Grenze vom Kopf auf die Füße gestellt.

In Vorbereitung auf den 70. Jahrestag der Gründung der Grenzpolizei/Grenztruppen der DDR verlegte edition ost nun das Buch „Halt! Stehenbleiben! Grenze und Grenzregime der DDR“. Sechzehn Autoren stellen sich häufig gestellten Fragen und beantworten sie aus ihrer Sicht. Dieses Buch setzt die Ausführungen der beiden Generale zum Thema Grenzfragen fort, ergänzt und vertieft deren Aussagen im Detail. Gleich zu Beginn wird das geltende Völker- und Staatsrecht kommentiert und eine strenge Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen des Grenzregimes der DDR überzeugend dargelegt. Welche Vermessenheit unserer Feinde, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen! Schande über alle, die diesen Begriff prägten und auch heute noch vertreten!

Positiv hervorzuheben ist die Beschreibung der strafrechtliche Verfolgung nicht nur politischer Exponenten, sondern auch der zahlreichen Grenzsoldaten, die ihren Wehrdienst in Ehren erfüllten. Die Aufhebung des Rückwirkungsverbots ist ein eklatanter Verstoß gegen internationales Recht. Selbst bei den Römern, einer Sklavenhaltergesellschaft, galt der Grundsatz: „Nulla poena sine lege“ (Keine Strafe ohne Gesetz).

Gut beschrieben sind die Krisen und krisenhaften Erscheinungen, die eine ständige Anpassung des Grenzregimes an die Veränderung der militärpolitischen Lage erforderten – so die militärische Sicherung der Staatsgrenze nach dem 13. August 1961 oder das Verhalten der Grenzer am 9. November 1989.

Anerkennenswert ist auch die Behandlung der Komplexität des Themas. Kaum ein Problem, mit dem unsere Grenzer zu tun hatten, blieb unerwähnt. Das hatte zur Folge, daß nicht alles bis zum Letzten durchdacht wurde. So folgen manche Überschriften westlicher Sprachregelung. Hin und wieder erscheint auch zum Grenzregime der Gedanke: Das wollten wir eigentlich nicht! Das forderte das Oberkommando!

Über das Geschehen am Brandenburger Tor in den kritischen Tagen im November 1989 hätte man gern mehr erfahren. Leider werden die Autoren der Antworten nicht genannt. Warum? Stehen sie nicht zu ihren Äußerungen? Dann wäre es besser gewesen, sie nicht zu veröffentlichen. Es mindert den Wert des Buches. Und eine letzte kritische Bemerkung: Die Abschnitte „Es heißt, daß die NVA die Besetzung Westberlins plante und dafür den Häuserkampf probte“, aber auch „Mit welchen Waffen wären die Grenztruppen der DDR in Westberlin eingefallen?“ gehören nicht in ein solches Werk, das sich mit dem Grenzregime zur Sicherung unserer Staatsgrenze beschäftigt (nicht aber mit der operativen Planung zur Abwehr eines Angriffs aus westlicher Richtung).

Wer wissen will, wie es an der Grenze und bei unseren Grenzern zuging, der sollte dieses Buch lesen. Junge und unvoreingenommene Leser werden einen Zuwachs an Erkenntnissen und Wissen erhalten.

Diese Publikation ist ein wertvoller Beitrag zur Verbreitung der historischen Wahrheit und gegen die Diskriminierung unserer Grenzer

Hans Bauer (Hrsg.):

Halt! Stehenbleiben!
Grenze und Grenzregime der DDR

edition ost, Berlin 2016, 262 Seiten
ISBN 978-3-360-01869-4

14,99 €