RotFuchs 188 – September 2013

Herbert Ziergiebel – ein Autor
der wissenschaftlichen Phantastik

Siegfried R. Krebs

Am 25. September vor 25 Jahren verstarb in Berlin der Schriftsteller Herbert Ziergiebel nach kurzem schwerem Krebsleiden im Alter von 66 Jahren. Er wurde am 27. Juni 1922 im niedersächsischen Textilarbeiterzentrum Nordhorn geboren und war nach einer Schlosserlehre als technischer Zeichner tätig. Seinen Wunsch, Ingenieur zu werden, konnte er sich seinerzeit nicht erfüllen.

Bereits in jungen Jahren beteiligte sich Ziergiebel aktiv am antifaschistischen Widerstandskampf, vor allem durch Verbreitung von Flugblättern. Einer drohenden Verhaftung im Jahre 1942 wegen des Auffindens illegaler Druckschriften in seiner Wohnung konnte er sich durch die Flucht entziehen. Er tauchte zunächst in Tirol unter, wurde aber im selben Jahr in Innsbruck von der Gestapo aufgespürt und ins KZ Dachau eingeliefert. Von dort flüchtete er unter abenteuerlichen Umständen kurz vor der Befreiung des Lagers durch die Amerikaner. In Dachau wurde Herbert Ziergiebel von deutschen und luxemburgischen Mithäftlingen in die Kommunistische Partei aufgenommen. Sein weiterer Weg führte ihn nicht zurück in die angestammte Heimat, sondern in die sowjetische Besatzungszone.

An der Berliner Humboldt-Universität studierte er Philosophie und Geschichte. Anschließend war er für einige Jahre als Journalist, u. a. in Budapest, tätig. Ende 1956 wurde er von dort zurückgerufen. Neben seiner journalistischen Arbeit hatte Ziergiebel bereits Anfang der 50er Jahre erste literarische Werke – so die Hörspiele „Auf Wiedersehen, Gustav“ und „Kapitän Brown verliert seine Wette“ – verfaßt. 1956 erschien als Ergebnis einer Reportagereise in die Volksrepublik Albanien „Der letzte Schleier – Albanische Reisebilder“. Es war der erste und wohl auch letzte Reisebericht über das Land der Skipetaren, der in der DDR herauskam.

Ziergiebels erster Roman „Rebellen“ um Ferdinand von Schill wurde bereits 1953 veröffentlicht. Eine ins Auge gefaßte Fortsetzung des historischen Stoffes konnte allerdings im Zusammenhang mit der damaligen Formalismus-Debatte nicht erscheinen. Man warf Herbert Ziergiebel vor, adlige Offiziere hätten ihm statt der Volksmassen als Helden gedient.

Es folgten zeitgeschichtliche Romane und Erzählungen, wie „Das Gesicht mit der Narbe“ (1959 erschienen, dann 1962 von der DEFA unter dem Titel „Die letzte Chance“ mit Armin-Mueller-Stahl in der Hauptrolle verfilmt) und im selben Jahr „Satan hieß mich schweigen“, in denen er sich mit seiner Haftzeit im KZ, seiner Flucht und den Wirren danach auseinandersetzte. Eine erste Skizze zu „Das Gesicht mit der Narbe“ war bereits 1955 als autobiographische Kurzgeschichte unter dem Titel „Die Flucht aus der Hölle“ veröffentlicht worden. Sein fast vergessener Roman „Wenn es Tag wird“ (1963) ist ein familienbiographisches Werk, das in der Zeit der Weimarer Republik handelt.

Ab Mitte der 60er Jahre wandte sich Ziergiebel der wissenschaftlich-phantastischen Literatur zu. 1966 erschien sein vielbeachteter Science-Fiction-Roman „Die andere Welt“, der – seiner Zeit weit voraus – die inneren Konflikte einer Raumschiffbesatzung schildert, welche durch einen Unfall ins Weltall hinauskatapultiert wurde und mit der Tatsache ihres nahenden Todes zurechtkommen muß. Das Buch erlebte zahlreiche Nachauflagen und wurde auch ins Tschechische und Ungarische übersetzt.

1972 folgte der Roman „Zeit der Sternschnuppen“, worin Ziergiebel auf originelle und humorvolle Weise die Frage nach Leben im Weltraum beantwortet. Der Held wird aus dem seinerzeitigen Hier und Heute samt Dackel Waldi von Außerirdischen aufgelesen, weil ihnen aufgefallen ist, daß das kaum gealterte irdische Mädchen, das sie vor ein paar tausend Jahren in Babylon mitgenommen hatten, nun einen Partner benötigen könnte. Großzügig setzen sie ihn und den Dackel aber doch noch einmal zu Hause ab, damit er sich zwischen seiner Heimat einerseits und einer Existenz zwischen den Sternen andererseits entscheiden kann. Er optiert gegen das Abenteuer.

Ab Mitte der 70er Jahre wurde es ruhiger um Herbert Ziergiebel. Im Schriftstellerverband hatte er sich gegen die Ausschlüsse von Mitgliedern wegen deren Haltung zur Biermann-Ausbürgerung gewandt. Zugleich machten ihm aber auch gesundheitliche Folgen seiner KZ-Haft immer mehr zu schaffen.

So veröffentlichte er nur noch die Science-Fiction-Erzählung „Die Experimente des Professors von Pulex“. Sie erschienen im Sammelband „Der Mann vom Anti“ und 1975 unter dem Titel „Vizedusa“, einer Zusammenstellung humoristischer Anekdoten. Allerdings erlebten seine beiden SF-Hauptwerke in der DDR und in Osteuropa etliche Nachauflagen.

Ziergiebel zog sich seit dieser Zeit immer mehr auf sein Grundstück „Manik Maya“ in Spreeau bei Berlin zurück, das seinen Lesern als Start- und Landeplatz von Raumschiffen aus den Romanen gut bekannt ist. Dort beschäftigte er sich viel mit Astronomie und verlegte sich mehr und mehr auch auf die Malerei. Dennoch sollten Probleme der Umwelt und der Zukunft der Menschheit Thema eines weiteren Romans werden. Dieser blieb aber, bereits auf mehrere hundert Seiten angewachsen, unter dem Arbeitstitel „Am Tag, als der Laleb kam“ unvollendet.

Der antifaschistische Widerstandskämpfer Herbert Ziergiebel hat, bei aller von ihm offen geäußerten Kritik an manchen Vorgängen in seiner Wahlheimat DDR, den kommunistischen Idealen bis zum Lebensende die Treue gewahrt. Vielbeachtete wissenschaftlich-phantastische Romane und Erzählungen aus seiner Feder zeugen davon.