RotFuchs 226 – November 2016

Hillary Clinton und die Kriegsgefahr

Jürgen Heiducoff

Der Wahlkampf in den USA geht in die Endphase. Wähler und politisch interessierte Bürger sollen den Eindruck gewinnen, es stünden grundsätzliche Veränderungen bevor. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner lassen ihre Spitzenkandidaten das Bild des künftigen Nordamerika und seiner Rolle in der Welt skizzieren. Der Republikaner Trump verkündete, er wolle die bisherige interventionistische, auf Regime Changes (Regierungs- bzw. Systemwechsel) orientierte Außen- und Sicherheitspolitik aufgeben und die Unsummen, die diese verschlang, in den USA selbst investieren, um z. B. die Infrastruktur zu erneuern oder die extremen sozialen Probleme zu lösen. Dazu soll der Militärapparat verkleinert, und viele der Militärbasen im Ausland sollen geschlossen werden. Die Verantwortung für die Verteidigung von Frieden und Freiheit in der Welt soll zum großen Teil mit anderen entwickelten Industriestaaten geteilt werden.

Uncle Sams Traum / Karikatur: Mohammed Az-Zawawi

Uncle Sams Traum / Karikatur: Mohammed Az-Zawawi

Dieser multipolare Trend in der Außen- und Sicherheitspolitik hat sowohl Rüstungslobbyisten als auch Neokonservative aufgeschreckt und sich der Politik Hillary Clintons zuwenden lassen. Sie sei nach deren Ansicht die bessere Oberbefehlshaberin. Denn ausgerechnet die „Demokratin“ Clinton schwört auf den weiteren Ausbau der Führungsrolle der USA. Mit einer kaum zu übertreffenden Arroganz stellt sie die Bedeutung und den Einfluß der Vereinigten Staaten weit über alle anderen Staaten. Das widerspiegelt auch das Verhältnis der Rüstungsausgaben der USA zu denen der übrigen Welt. Steht dahinter nicht die Überzeugung, daß nur mit Rüstung und Krieg der Rest der Welt bezwingbar sein könnte?

In ihrer Rede am 29. August vor dem Veteranenverband „American Legion“ in Cincinnati bekannte sich die demokratische Präsidentschaftskandidatin zum amerikanischen Exzeptionalismus. Dazu ist in einem Internet-Lexikon zu lesen: „Beim American Exceptionalism handelt es sich um eine Theorie, nach der die USA eine Sonderstellung innerhalb der entwickelten Industrienationen einnehmen.“

Es ist nicht neu, daß Frau Clinton für eine expansive Außenpolitik eintritt. Sie hatte bereits als US-Außenministerin im Jahre 2011 bestimmt, Asien als den größten Kontinent mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln den strategischen Zielen der USA unterzuordnen. Hillary Clinton hat auch nach 2011 die Containment-Strategie Washingtons gegenüber Peking stark vorangetrieben. Amerika sollte nach ihrer Auffassung für die nächsten 60 Jahre in der asiatisch-pazifischen Region präsent und dominant bleiben, was eine große Herausforderung für China und Rußland darstellt. Diese strategische Orientierung haben die USA seither nicht aufgegeben. Amerikanische Flottenverbände und strategische Bomber drängen in bedrohlicher Weise an die Küsten und Einflußgebiete des Reiches der Mitte – fernab vom eigenen Territorium.

Nach der Schaffung weitere Brandherde in Libyen und Syrien betreibt Washington als Führungsmacht der NATO eine direkte militärische Bedrohung der Russischen Föderation auch aus westlicher Richtung. Dazu dienen der Ausbau des Raketenschirmes und die Stationierung westlicher Truppen sowie Kriegsmanöver entlang der russischen Westgrenze. Parallel dazu soll Rußland mit Wirtschaftssanktionen geschwächt werden.

In der jüngsten Rede in Cincinnati rief Frau Clinton zur weiteren Modernisierung von Armee, Marine, Marineinfanterie und Luftwaffe auf, um sich „den sich entwickelnden Bedrohungen seitens Staaten wie Rußland, China, Iran und Nordkorea, seitens krimineller und terroristischer Netzwerke wie des IS“ stellen zu können. Damit sind die Feinde der Nation benannt.

Im weiteren behauptete Hillary Clinton wiederholt, daß hinter den Hackerangriffen auf die Zentrale der Demokratischen Partei russische Stellen stehen würden. Darauf folgte eine indirekte Kriegsdrohung gegen Rußland: „Als Präsidentin werde ich klarmachen, daß die USA Cyber-Angriffe wie jeden anderen Angriff behandeln werden. Wir werden darauf mit ernsthaften politischen, wirtschaftlichen und militärischen Gegenmaßnahmen reagieren.“ In diesem Kontext kündigte sie als eine ihrer ersten Handlungen im Oval Office an, eine Generalüberprüfung der Bereitschaft und der Eignung des vorhandenen Atomwaffenarsenals der USA für die Abwehr „künftiger Bedrohungen“ anzuordnen. Damit nehmen die Drohungen eine nukleare Dimension an. Es sollte nie vergessen werden, daß die USA als bisher einziger kernwaffenbesitzender Staat Nuklearwaffen gegen zivile Infrastruktur einsetzten. Hier könnte man zu der Feststellung neigen: Wer Hillary Clinton wählt, wählt den Krieg, wer den Krieg wählt, riskiert die Vernichtung dieses Planeten. Vor zwei Jahren hatte sie Wladimir Putin wegen seiner Ukraine-Politik auf eine Stufe mit Adolf Hitler gestellt. Rußland rückt zunehmend in den Fokus der Washingtoner Feindseligkeiten.

Insgesamt ein besorgniserregendes Szenario. Bei alledem sollte eines jedoch bedacht werden: Weder Trump noch Clinton werden Platz und Rolle der künftigen USA bestimmen. Dies bleibt wie bisher den kapitalträchtigen Drahtziehern im Hintergrund überlassen. Diese, vor allem die Neokonservativen, haben kein politisches Programm, das den Republikanern oder den Demokraten zuzuordnen ist. Sie haben nur ein Ziel: Maximierung ihres Profits bei beherrschbaren eigenen Risiken. Um diese gefährliche Balance zu halten, wird kräftig in die politischen Parteien investiert – mal in die eine und dann bei Bedarf in die andere. Allein im August betrugen die durch Hillary Clinton eingenommenen „Spenden“ 143 Millionen Dollar!

Finanzströme und Zuwendungen bestimmen die US-Politik seit jeher. Und wenn ein führender Politiker nicht das Lied seiner Geldgeber singt, wird ihm der Weg gewiesen, oder er wird kaltgestellt.

Diese Machteliten der USA, deren Kapital international gestreut ist, wissen allerdings sehr wohl um die eigenen Risiken, wenn sie ungefiltert außenpolitischen Extremismus zulassen würden. Sie sind wahrscheinlich die letzten, die an das von Clinton in Cincinnati beschworene amerikanische Engagement für Werte wie „Frieden und Fortschritt“ und an die Einzigartigkeit und „Unverzichtbarkeit der Nation“ glauben, ohne die die Welt in Chaos und Barbarei zurückfiele. Sie wissen auch um die Risiken einer „imperialen Überdehnung“ der Vereinigten Staaten, wenn sie sich weiter mit gewachsenen Kulturen dieser Welt anlegen. Selbst unter der Schwelle eines strategischen Krieges würde z. B. bei wirtschaftlichen Eruptionen in China auch die US-Wirtschaft erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden.

Es gibt eine zweifache Hoffnung auf die Vernunft, eine militärische Katastrophe zu verhindern: die Vernunft der Kapital-Eliten, die ihre Existenz nicht riskieren wollen, und die Vernunft der durch die USA bedrohten Großmächte (besonders China und Rußland), sich nicht provozieren zu lassen und die militärische Karte nicht zu spielen.