RotFuchs 213 – Oktober 2015

Hiroshimas Friedenspark
erinnert an das atomare Inferno

Henning Petershagen

Siebzig Jahre nach der Katastrophe sprüht Hiroshima vor Leben. Doch in seinem Zentrum ist ein Wort in hohem Maße präsent: Frieden.

Bis zum 6. August 1945 lebten in Nakajima 4 400 Menschen. Seither ist dieser Stadtteil Hiroshimas, der auf einer Insel des Flusses Ota liegt, unbewohnt – aber ständig gut besucht: An seiner Stelle erstreckt sich heute der Friedenspark mit der bekannten Friedensglocke, die jedes Jahr im Gedenken an die Atombombenopfer vom 6. August angeschlagen wird.

Markanteste Stelle des Parks ist die „Atombomben-Kuppel“ – die Ruine eines stattlichen Bauwerks aus dem Jahr 1915, das einst als Ausstellungshalle gedient hatte. Alle Menschen, die sich darin aufgehalten hatten, wurden durch die Bombe getötet. Das Gemäuer und die darauf sitzende Stahlkonstruktion für die Kuppel haben Hitze und Druckwelle schwerbeschädigt überstanden.

Diesen damals vielleicht vierjährigen Jungen fotografierte Klaus Steiniger Anfang Mai 1971 im Friedenspark von Hiroshima.

Ganz in der Nähe explodierte am Morgen des 6. August um 8.16 Uhr in 600 Metern Höhe die erste Atombombe. Die grauenhafte Dimension dieses Ereignisses wird wohl nie jemand voll erfassen können, aber eine Idee davon vermittelt das Friedensmuseum am anderen Ende des Parks.

Nachdem der Hitzeblitz den Menschen Kleider und Haut versengt hatte, riß ihnen die anschließende Druckwelle beides vom Leib. Zerfetzte, blutdurchtränkte Kleidungsstücke von Schülern, die sich damals bei einem Arbeitseinsatz im Freien aufgehalten hatten, sind die grauenvollen Zeugnisse jenes Vernichtungsschlages.

Ein vollkommen anderes Bild zeigt sich unterhalb der Nachbildung von „Little Boy“. Das ist der an Zynismus nicht zu überbietende Name der ersten Atombombe. In einer Vitrine sieht man etwa drei Dutzend winzige Papierkraniche. Es sind nur einige von den insgesamt tausend, die ein zwölfjähriges Mädchen gefaltet hat – in der vergeblichen Hoffnung, damit ihre Leukämie zu besiegen. Sadako war zwei Jahre alt, als die Atombombe unweit der elterlichen Wohnung am Himmel gezündet wurde. Die Druckwelle fegte sie aus dem Haus. Sadako selbst blieb unverletzt. Als die Mutter mit ihr floh, kam der berüchtigte „schwarze Regen“ über sie: der radioaktive Niederschlag. Doch während 140 000 Stadtbewohner das Jahr 1945 nicht überlebten, entwickelte sich Sadako zunächst normal. Sie brachte es sogar zur schnellsten Schülerin ihrer Schule. Doch als sie elf Jahre alt war, bildeten sich auf ihrem Körper plötzlich Blasen und rote Flecken: Leukämie.

Im Krankenhaus begann Sadako die kleinen Kraniche zu falten. Nach achtmonatigem Überlebenskampf starb sie am 25. Oktober 1955.

Ihre Klassenkameradinnen riefen dazu auf, ein Denkmal für die toten Kinder von Hiroshima zu errichten. Über 3 100 Schulen in Japan und anderen Ländern folgten dem Aufruf. Das bronzene Denkmal steht heute im Friedenspark. Es zeigt ein Mädchen mit gefaltetem Kranich.

Der leicht redigierte und gekürzte Artikel von Henning Petershagen erschien am 18./19. Juli 2015 in der „Märkischen Oder-Zeitung“ (MOZ).