RotFuchs 220 – Mai 2016

Ein kleines Balkanland, das für negative Schlagzeilen sorgte

Historisches und Aktuelles
über Mazedonien

RotFuchs-Redaktion

Die „Mazedonische Frage“ spielte in der Großmachtpolitik imperialistischer Staaten von jeher eine besondere Rolle. Seit dem Jahresende 2015 ist der kleine Balkanstaat ohne Meereszugang dadurch in das Zentrum medialer Negativbeschreibungen geraten, daß er – selbst mit dem Rücken an der Wand – durch eine besonders gnadenlose Behandlung der sich auf der sogenannten Balkanroute gen Norden wälzenden Flüchtlingsströme für immer neue Schlagzeilen und erschütternde Bildübertragungen gesorgt hat. Im Folgenden wollen wir – Historisches und Aktuelles miteinander verbindend – unseren Lesern einige Hintergründe und Geschehnisse knapp erschließen.

Sie lassen sich durch Grenzzäune und Stacheldraht nicht aufhalten.

Sie lassen sich durch Grenzzäune und Stacheldraht nicht aufhalten.

Der Südbalkan ist seit anderthalb Jahrhunderten eines der umstrittensten Gebiete des europäischen Kontinents. Vier Nachbarn erhoben immer wieder Ansprüche auf Mazedonien. Dabei handelte es sich um Serbien, Bulgarien, Albanien und Griechenland. Unvergessen sind in diesem Zusammenhang die Worte des kaiserlich-deutschen Kanzlers Otto von Bismarck: „Jene, welche das Tal des Flusses Vardar kontrollieren, sind die Meister des Balkans.“

Das aus sechs Teilrepubliken bestehende und sich zum Sozialismus bekennende Jugoslawien Josip Broz Titos ging davon aus, daß dieses heikle Problem durch die Proklamierung einer zur SFRJ gehörenden Sozialistischen Republik Mazedonien mit Skopje als Hauptstadt für alle Zeiten gelöst worden sei. Doch auch dieser Teilstaat ging 1991 mit der Zerschlagung der zweiten jugoslawischen Republik unter. Damals gab es Bestrebungen, das mazedonische Territorium entweder in einen jugoslawisch-serbischen Staat oder in eine Nachfolgerepublik Mazedonien zu verwandeln.

Diese etablierte sich dann auch im November 1991. Doch schon bald darauf begann ein Interessenzusammenprall, der bis heute als „offene mazedonische Frage“ bezeichnet wird. Drei Hauptkonfliktfelder taten sich dabei auf. Erstens führten separatistische Bestrebungen zu der Forderung, das Landesterritorium zwischen slawischen Mazedoniern und ethnischen Albanern, die heute rund 30 % der Landesbevölkerung ausmachen, aufzuteilen. Zweitens wurden Zweifel daran gehegt, daß alle Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft den gewählten und in der Verfassung von 1991 verankerten Staatsbegriff „Republik Mazedonien“ angesichts der Tatsache akzeptieren würden, daß die UNO das Territorium offiziell als Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien bezeichnet. Drittens steht fest, daß besonders Griechenland und Bulgarien historische Ansprüche auf Teile Mazedoniens erheben, wobei die Beziehungen zwischen Titos Belgrad und Athen schon zu Zeiten der SFRJ an diesem alten Interessenkonflikt litten.

Nach der Zerschlagung der sozialistischen Staaten Europas und dem Untergang der SFRJ strömten massenhaft Flüchtlinge aus Albanien und der Region des Kosovo nach Mazedonien, was die ethnische Struktur seiner Bevölkerung deutlich veränderte. Die daraufhin entstehenden Spannungen hingen ganz wesentlich mit der sich rapide verschlechternden Wirtschaftslage in der Region zusammen. Diese war wiederum eine unmittelbare Auswirkung der Sanktionen westlicher Mächte gegen Ex-Jugoslawien, das den Haupthandelspartner Mazedoniens darstellte. Zur Verschärfung der Lage trugen die auf dem Balkan entfesselten Kriege und Bürgerkriege maßgeblich bei.

Als die Gewalt im Kosovo 1998/99 eskalierte und in einen blutigen militärischen Konflikt hinüberwuchs, wurde Mazedonien zu einer Festung der gemäßigten kosovarischen Opposition, zugleich aber auch von den antiserbischen Separatisten der UÇK überschwemmt. 2001 kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der mazedonischen Polizei und albanischen „Rebellen“. Die NATO folgte damals nur allzu bereitwillig dem Hilfsersuchen der prowestlichen Regierung in Skopje, ihre Truppenpräsenz in Mazedonien zu verstärken. Die dort als Albanische Nationalarmee (ANA) agierenden UÇK-Verbände lieferten den NATO-Einheiten bereitwillig ihre Waffen ab – eine großzügige Geste für die weltweite Bildschirm-Propaganda der Imperialisten. Die Arsenale wurden anschließend der UÇK im Kosovo übergeben.

Die seinerzeitige mazedonische Regierung unter Präsident Gruevski, die es immerhin gewagt hatte, den UÇK-Banden entgegenzutreten, wurde im Mai 2015 dafür durch die NATO abgestraft. Diese hatte zwei gewichtige Gründe: In Skopje war man nicht dazu bereit gewesen, sich an Sanktionen gegen Rußland zu beteiligen. Überdies bestand dort die Bereitschaft, sich dem von Moskau entwickelten Projekt „Turkish Stream“ anzuschließen – einer Pipeline, die sibirisches Erdgas nach Europa befördern sollte. Die Bestrebungen zu einer Kosovo-Lösung für Mazedonien zielten vor allem darauf ab, jegliche Zusammenarbeit des kleinen Balkanstaates mit Rußland zu blockieren.

Die bewaffnete UÇK-Rebellion, die sich dann 2015 gegen die Republik Mazedonien richtete, verfolgte vor allem das Ziel, die Regierung in Skopje durch eine weitere „farbige Revolution“ zu destabilisieren, wie sie sich bereits im Oktober 2000 in Belgrad ereignet hatte. Wie dort wurde auch in Mazedonien einer „nachrevolutionären Regierung“ das Regiment übertragen. Sie wird von den imperialistischen Hauptmächten finanziell und politisch unterstützt und hat Order aus Washington wie Brüssel, das territorial kleine, aber strategisch bedeutsame Südbalkanland endgültig in einen von den USA angestrebten und durch die NATO abgesicherten Satellitenstaat des Westens zu verwandeln.

Inzwischen stehen uns aus Mazedonien ganz andere Bilder vor Augen, denkt man an die verzweifelt gegen Stacheldrahtverhaue anrennenden Flüchtlinge, die zuvor schon alles riskiert hatten, um dann auf der inzwischen geschlossenen Balkanroute von der EU und den involvierten Balkanstaaten wochen- und monatelang im Stich gelassen zu werden.

Bis heute wird die DDR wegen ihres den Frieden in Europa bewahrenden Baus der Berliner Mauer ohne Unterlaß von jenen diffamiert, die kein einziges Wörtchen des Tadels für jene finden, welche eine antihumanitäre Sperrzone nach der anderen auf unserem Kontinent geschaffen haben.

RF, gestützt auf „Global Research“, Kanada, und „People’s World“, New York