RotFuchs 186 – Juli 2013

3000 „Tafeln“, an denen Reiche nicht tafeln

Rico Jalowietzki

Immer wieder gibt es Jubiläen, die zum Nachdenken anregen sollten. In diesem Frühjahr beging man in der BRD den 20. Jahrestag der Tafel. Dabei sind Wand- oder Schiefertafeln natürlich nicht gemeint. Kristina Schröder (CDU) ist im Merkel-Kabinett für mehr als 900 Einrichtungen dieser Art mit 3000 Ausgabestellen die Ansprechperson. Die politisch besonders bornierte Familienministerin versucht das makabre Geschehen als „Erfolgsstory“ zu verkaufen. Beim 16. Bundestafeltreffen in Berlin erklärte sie: „Jeder Mensch kann einmal in seinem Leben in eine Situation kommen, aus der er sich allein nicht wieder befreien kann. Dann braucht man eine helfende Hand. Die Tafeln sind so eine helfende Hand – unaufdringlich, aber doch immer zur Stelle. Dieses Engagement ist bewundernswert.“

Weniger bewundernswert ist die Tatsache, daß von den Tafeln in der BRD die Hauptlast bei der Linderung extremer Armut getragen werden muß, während sich der Staat, der seine Bürger in diese Lage gebracht hat, vornehm zurücklehnt. Mehr noch: Er schmückt sich mit fremden Federn. Während das Wirken der mehr als 30 000 ehrenamtlichen Tafel-Helfer höchste Anerkennung verdient, gereicht dieses soziale Phänomen der BRD wohl kaum zur Ehre. Mit einem diesjährigen Ausgabevolumen von 302 Mrd. Euro gilt sie als eines der reichsten Länder der Erde. Allerdings werden von dieser Riesensumme gleich einmal 33,258 Mrd. Euro für den „Verteidigungs“-Etat „abgezweigt“, um die weltweiten Kriegseinsätze bestreiten zu können.

In der BRD nehmen etwa anderthalb Millionen Bedürftige regelmäßig die Hilfe der Tafeln in Anspruch, 30 % davon sind Kinder oder Jugendliche. Dieser skandalösen Situation hat die Zynikerin Kristina Schröder im „Jubiläumsjahr“ so salbungsvoll gedacht.

Die Tafeln können übrigens froh darüber sein, daß sich längst nicht alle Notleidenden bei ihnen einfinden. Einem noch größeren Ansturm wäre dieses humanitäre System wohl kaum gewachsen.

Übrigens: Gäbe es in der BRD stabile, auf Dauer gesicherte Arbeits- und Lebensbedingungen für alle, bestünde für Tafeln weder eine Notwendigkeit noch eine Existenzberechtigung. In der DDR wäre wohl niemand auf den Gedanken gekommen, sich eines solchen Hilfsmittels bedienen zu müssen. Die Solidargemeinschaft ihrer Bürger machte diese Zwänge unnötig.