RotFuchs 217 – Februar 2016

Wie der BRD-Konzern Wintershall
aus Libyens Zerschlagung Rekordprofite zieht

70 Jahre nach Nürnberg

Günter Schwarze

Am 14. März 2013 veröffentlichte die „Ost-Thüringer Zeitung“ das Foto des Technikers Josef Heskamp beim Bedienen einer Chemiegroßanlage des bundesdeutschen Öl- und Gaskonzerns Wintershall. Der Begleittext zur Aufnahme lautete: „Erdöl aus Libyen und Erdgas aus Rußland haben dem Konzern 2012 erneut einen Rekordgewinn in die Kassen gespült. Das Ergebnis stieg um fast 13 % auf 1,2 Milliarden Euro. Der Umsatz des Konzerns erhöhte sich von 12,1 Mrd. Euro (2011) um 39 % auf 16,7 Milliarden.“

Das aufschlußreiche Material fiel mir kürzlich wieder in die Hände und animierte mich angesichts der gegenwärtigen Situation im arabischen Raum zu den folgenden Bemerkungen.

Allgemein, besonders aber von unseren Politikern, hört man nur noch das flache Gerede von der so überaus komplizierten Lage in Sachen Flüchtlingskrise. Über deren wirkliche Ursachen und ihre Bekämpfung wird indes nur in vagen Andeutungen geredet.

Im Hauptkriegsverbrecherprozeß standen Göring, Heß, von Ribbentrop, Keitel, Dönitz, Raeder, von Schirach und Sauckel 1946 in Nürnberg vor dem Tribunal der Völker.

Ob gewollt oder auch nicht, hat der OTZ-Redakteur seinerzeit im knappen Begleittext auf eine ganz wesentliche Ursache der gegenwärtigen Situation hingewiesen: Die rabiate Ausbeutung mehrerer Länder der Region durch westliche Großunternehmen. Wintershall ist dabei nur einer von vielen bundesdeutschen, europäischen und überseeischen Blutsaugern, die im Interesse der Erzielung von Maximalprofiten die in Ländern wie Libyen entstandene Situation bewußt mit herbeigeführt haben. Unsere christdemokratischen Volksvertreter samt Koalitionspartner sind dabei lediglich die Willensvollstrecker eben dieser Konzerne und das ungeachtet der Tatsache, daß viele von ihnen vor und während der sogenannten Wendezeit den pseudopazifistischen Bewegungen „Schwerter zu Pflugscharen“ und „Gewaltfrei leben“ Beifall gezollt haben, angehörten oder ihnen sogar vorstanden. Heute entsenden solche Leute gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit Bundeswehrsoldaten zur Durchsetzung völlig entgegengesetzer Ziele in etliche Länder. Diese erhalten dann für besondere „Heldentaten“ das Tapferkeitskreuz, während es andere bis zum General bringen. Und das ungeachtet der Tatsache, daß durch ihren Kriegseinsatz bis dahin funktionierende Nationalstaaten aus den Angeln gehoben, ihre Infrastruktur zerstört und unzählige Zivilisten getötet werden. Offiziell ist dann – wie bei dem durch die U.S. Air Force bombardierten Krankenhaus in Kundus – von Kollateralschäden die Rede. Kapitalhörige Marionetten, dadurch ans Ruder gelangt, gelten als das kleinere Übel. Hauptsache bleibt, erstmals oder wieder in den Besitz der begehrten Rohstoffquellen zu gelangen, um diese selbst ausbeuten zu können. Genau das ist nach Gaddafis durch NATO-Staaten herbeigeführtem Sturz, der in der Ermordung des Präsidenten gipfelte, in Libyen eingetreten. Um einen solchen Krieg führen zu können, greift man zu übelsten Tricks.

Karl Marx schrieb schon 1856 in einem mit der Schlagzeile „Englisch-Persischer Krieg“ getitelten Zeitungsbeitrag: „… dann wird das Opfer beschuldigt, irgendeinen angenommenen oder wirklichen Vertrag verletzt, ein imaginäres Versprechen gebrochen, eine Einschränkungsbestimmung überschritten oder irgendeinen nicht greifbaren Frevel begangen zu haben, und dann wird der Krieg erklärt.“ (MEW, Bd. 12, S. 71)

Begriffe wie Machthaber, Diktator, Schurkenstaat, Menschenrechtsverletzer und Tyrann müssen heute herhalten, um solche Kriege zu rechtfertigen. Im Namen von Demokratie, Freiheit und Menschlichkeit werden bis dahin zufrieden lebende Menschen wie in Libyen, das seinerzeit als der Staat Afrikas mit dem höchsten Lebensstandard galt, kurzerhand zu „Rebellen“ verwandelt, finanziell und militärisch gut ausgestattet und gegen ihre eigene Regierung in Marsch gesetzt. Geht diese Rechnung nicht auf, gilt der Einsatz des eigenen Militärs wie in Afghanistan, Mali und Syrien als Ultima ratio. Letztes Zufluchtsmittel des Königs – „Ultima ratio regis“ – stand seinerzeit auf den Kanonenrohren der Artilleristen seiner Majestät.

Karl Marx erinnerte an die Worte des Gewerkschafters J. Dunning: „Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit. … Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.“ (MEW, Bd. 23, S. 788)

Da spielt das Völkerrecht dann keine Rolle mehr. Der Export der westlichen Demokratie durch die imperialistischen Hauptstaaten besonders in die arabische Welt hat sich als Flop erwiesen. Die Geister, die ihre Politiker riefen, werden sie nun nicht mehr los. Die Flüchtlingsströme, die sich seit 2015 in die BRD ergießen, sind das beste Beispiel dafür.

Allerhand fadenscheinige Vorwände zur Begründung der „verschärften Sicherheitslage“ werden als vermeintliche Rechtfertigung der aufgeputschten Bevölkerung vorgegau(c)kelt. Das Volk wird systematisch auf große und größere Kriege, angeblich gegen den Terrorismus, eingeschworen.

Das Ganze geschieht makabrerweise 70 Jahre nach Beginn des Nürnberger Prozesses gegen die faschistischen Hauptkriegsverbrecher. Ein Anstoß zum Nachdenken!