RotFuchs 186 – Juli 2013

Interventionismus – Kern der Militärdoktrin der Bundeswehr

Oberst a. D. Dr.-Ing. Wolfgang Feix

Heute befinden sich Angehörige der Bundeswehr in zahlreichen Ländern, um die Machtinteressen des deutschen Imperialismus durchzusetzen. Derzeit unterhält sie 13 Einsatzkommandos im Ausland, die an Kriegen beteiligt sind oder Besatzungsfunktionen erfüllen. Die Skala reicht von einem einzelnen Militärbeobachter im Rahmen von UNAMA (Afghanistan) über 1500 deutsche KFOR-Soldaten in Kosovo bis zu 4900 ISAF-Okkupanten am Hindukusch. Der Aufwand zur Absicherung dieser Einsätze ist enorm. Die ausufernden Führungsstrukturen im Generals- und Offiziersbestand nach Neuausrichtung der Bundeswehr zu einer hochmodernen Interventionsarmee im ständigen Einsatz sind dementsprechend. Keine einzige Operation dieser Art hat mit der Wahrung nationaler Interessen etwas zu tun.

Seit dem Anschluß der DDR an die BRD entwickelte sich diese zu einer europäischen Großmacht. Sie suchte mit erheblichen militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Anstrengungen den Widerspruch zwischen einem ökonomischen Riesen und einem globalpolitischen Zwerg aufzulösen. Inzwischen mischt sie bereits maßgeblich im Weltgeschehen mit. Nicht zufällig „profilierte“ sich der CDU-Fraktionsführer Kauder im Bundestag mit dem Ausspruch: „In Europa wird wieder deutsch gesprochen.“

Das vorgetäuschte Image der BRD als Hort des Friedens und der Sicherheit ist reine Heuchelei. Dabei sollte sie sich in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und in Anbetracht zweier von Deutschland ausgegangener verheerender Weltkriege tatsächlich zu aktiver Friedenspolitik verpflichtet fühlen. Die von der DDR formulierte und später auch durch Kanzler Kohl unterschriebene Maxime, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe, ist für die BRD längst Schall und Rauch. Tatsächlich gehören Gewaltandrohung und Krieg längst wieder zu ihrem Handlungsspektrum.

Es war die Schröder/Fischer-Regierung aus SPD und Grünen, von der in den 90er Jahren die Militarisierung der bundesdeutschen Außenpolitik vorangetrieben wurde, indem sie sich an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien aktiv beteiligte. Inzwischen ist festzustellen, daß die internationalen Aktivitäten der BRD immer mehr im Haus des Ministers Thomas de Maizière – eines Exponenten besonders scharmacherischer Kreise des deutschen Imperialismus – geplant und organisiert werden. Der Kriegseinsatz der Bundeswehr, der seit dem 2. Januar 2002 in Afghanistan abläuft, zeugt davon. Mehr als elf Jahre Krieg ohne Aussicht auf einen militärischen Sieg – das muß jede Armee demoralisieren. Das für 2015 angekündigte Ende dieser Intervention wird bereits relativiert und dient wohl eher zum Einlullen der Bundesbürger.

Im Mai 2011 ließ de Maizière in Gestalt der „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ die Militärdoktrin der BRD modifizieren. Im März 2012 folgte das Dokument „Die Neuausrichtung der Bundeswehr. Nationale Interessen wahren – Internationale Verantwortung übernehmen – Sicherheit gemeinsam gestalten“, in dem man noch deutlicher zur Sache kam. Dort wird der gewachsene Einfluß der Bundeswehrführung auf die Politik der BRD besonders sichtbar. Man erkennt Traditionslinien zum einstigen Generalstab von Reichswehr und Wehrmacht.

Die politisch-ideologische Grundausrichtung der Armee des deutschen Imperialismus wird beibehalten: Antikommunismus und Kampf gegen den „Terrorismus“. Ziel ist die maximale Erhaltung, Stärkung und Ausdehnung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung auf der Welt.

Allerdings haben sich die Ansichten zur Führung eines „großen Krieges“ in Europa nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der mit ihr verbündeten Staaten des Warschauer Vertrages grundlegend geändert. Die Strategie der Bundeswehr geht jetzt davon aus, daß Konflikte auf dem Kontinent ohne kriegerische Mittel gelöst werden könnten, was die Unterhaltung ständiger Massenheere nicht länger erforderlich mache. Dabei müsse das Abschreckungspotential der NATO an nuklearen und anderen Massenvernichtungswaffen erhalten bleiben. Angesichts der rasanten Entwicklung der Produktivkräfte beschäftigt sich auch die Bundeswehrspitze mit der Vorbereitung von kosmischen und Cyber-Operationen im Kriegsfalle. Dafür stehen ihr bereits zwei Satelliten zur Verfügung. Ihre Ausrüstung mit modernster Kriegstechnik wie unbemannten Kampfdrohnen wird mit erheblichem finanziellem Aufwand und peinlichsten Fehlinvestitionen weiter vorangetrieben. Die Rüstungsindustrie sowie entsprechende Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen scheffeln Milliardenprofite.

Die Bundeswehr sieht ihren Auftrag nicht mehr in der Landesverteidigung – dem Daseinszweck traditioneller Armeen. Die logische Konsequenz wäre ihre wesentliche Verkleinerung und die entschiedene Kürzung für „Verteidigungszwecke“ bereitgestellter Mittel. Doch weit gefehlt. Heute geht es in der BRD um die Vervollkommnung der Streitkräfte als Interventionsarmee, die für immer neue Kriegseinsätze parat gehalten werden muß. Die BRD befindet sich permanent im Krieg.

1914 schrieb Rosa Luxemburg: „Wir brauchen keine Katastrophen. Daß es die herrschenden Klassen sind, die allzumal zu Katastrophen treiben, dafür ist Deutschland ein klassisches Beispiel.“ Man könnte meinen, diese Zeilen seien erst gestern geschrieben worden.

Als logische Folge dieser Politik beteiligt sich die Bundeswehr gleich an zwei neuen Einsätzen. Sie nimmt mit „Patriot“-Raketen an der NATO-Operation „Active Fence“ in der Türkei teil und entsendet Personal zur Unterstützung der „Operation Serval“ der Streitkräfte des NATO-Partners Frankreichs in Mali.

Leider haben sich die Friedenskräfte der BRD noch nicht wieder zu einer solchen Massenbewegung formiert, derer es bedürfte, um den Aggressoren und Interventen Paroli bieten zu können. Dabei muß die Phrase Strucks, nach der „Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt“ wird, als eine besonders infame Lüge betrachtet werden.

Vor fast 200 Jahren schrieb der deutsche Militärhistoriker und -theoretiker Carl von Clausewitz: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Diese aber seien ohne den Zweck nicht denkbar.

Das Wesen des Krieges zu definieren, blieb Lenin vorbehalten. In „Staat und Revolution“ schrieb er: „Wenn Sozialisten Betrachtungen darüber anstellen, wie ein Krieg einzuschätzen ist und wie man sich zu ihm zu verhalten hat, so ist die grundlegende Frage …, wofür dieser Krieg geführt, durch welche Klassen er vorbereitet und in seiner Richtung bestimmt wurde.“

In diesem Sinne muß man heute die Kriegsbeteiligungen und Militäreinsätze, aber auch die Aggressionsvorbereitungen der BRD als NATO-Mitglied an der Seite der USA beurteilen. In aller Regel geht es um Rohstoffe, Absatzmärkte, Einflußzonen, sichere Transportwege, Erdöl und Erdgasleitungen, aber auch um geostrategische Positionen. Um die eigentlichen Kriegsziele und -gründe zu verschleiern, schiebt man seit geraumer Zeit den vermeintlichen Kampf gegen Terrorismus oder Widersprüche zwischen Weltreligionen vor. Diese sind allemal gut, als Kriegsanlässe zu dienen.