RotFuchs 236 – September 2017

Jede Stimme für eine
humanistische Politik!

Arnold Schölzel

Foto: Reiner Engels / r-mediabase.eu

Im Sommer 2007, vor zehn Jahren, erreichte die von den USA ausgehende Welle von Bankpleiten die Bundesrepublik. Die Zockerschulden der kleinen Düsseldorfer Bank IKB in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro wurden vom Staat übernommen. Ein gutes Jahr später traten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Finanz­minister Peer Steinbrück an einem Sonntagnachmittag vor die Fernsehkameras und behaupteten, die deutschen Spareinlagen seien sicher. Das war gelogen, es gab vielmehr klare Anzeichen für einen bevorstehenden Ansturm vor allem der Klein­sparer an die Automaten und Schalter der Banken. Man habe in den Abgrund geblickt, erklärte Steinbrück später. Der Bundestag stellte fast über Nacht eine halbe Billion Euro für Bürgschaften und Kredite zur „Bankenrettung“ zur Verfügung. Seither hat allein die Bundesregierung weit über 200 Milliarden Euro für die „Rettung“ bankrotter Finanzinstitute ausgegeben, verstaatlichte verschiedene Banken oder stieg als Mit­besitzer ein – nur, damit das globale ebenso wie das bundesdeutsche Finanz­kasino am Laufen blieb. Die Bundeskanzlerin forderte das Parlament zu einer „marktkonfor­men“ Demokratie auf, nannte u. a. die Staatsgarantie für Banken „alternativlos“ und erfüllte so ihre oberste Pflicht: die Geiselnahme des Staates durch das Finanzkapital schönzureden.

Möchte jemand tatsächlich wissen, wann die Re-Nationalisierung der EU, die massive Einschränkung der Macht des Parlaments begann und „Rechtspopulismus“, vor allem nationalistische Demagogie, von den Regierenden genutzt wurde, dann schaue er sich die Finanzoperationen jener Jahre an: Jeder Staat kämpfte zunächst um die „Rettung“ seiner Banken mit Notstandsmaßnahmen, d. h. mit diktatorischen Mitteln. An diesem Ausnahmezustand hat sich seither nichts geändert, Spekulanten und Ab­zocker „regieren durch“. Das Resultat: Die Reichen wurden reicher, die Armen ärmer.

Der inneren Verwahrlosung entspricht die nach außen: Krise und Beteiligung an Kriegen, forcierte Aufrüstung, Aufmarsch gegen Rußland sowie eine fortgesetzte Irrsinnsdebatte um deutsche Atomwaffen prägen die Realität in diesem Land, wenn am 24. September Bundestagswahlen stattfinden. Anders als bei den vorangegan­genen 2009 und 2013, die nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise stattfanden, bestimmt in diesem Jahr zudem der Aufschwung nationalistischer und neofaschis­tischer Kräfte außerhalb der Unionsparteien das politische Klima.

Drei Punkte sind vor diesem Hintergrund für die Kampagnen der bürgerlichen Par­teien maßgebend. Zunächst haben sie die Themen Krise und Krieg aus dem Wahl­kampf herauszuhalten. Das scheint zu gelingen, zumal die Kriege mit deutscher Beteiligung von der breiten Öffentlichkeit medial ferngehalten werden. Auch in der Linkspartei sind es nur wenige, die in dieser Hinsicht konsequent Position beziehen. Das Motto aller anderen Parteien aber lautet: „Deutschland geht es gut.“ Da das für mindestens ein Drittel der Bevölkerung nicht gilt, wird es von Regierungspolitikern nicht lautstark verkündet, dafür von Medien, willfährigen Ökonomen und den Unter­nehmerverbänden. Die Existenz von Armut, jahrzehntelanger Reallohnsenkung und Umverteilung von unten nach oben wird bestritten. Das funktioniert, weil die eta­blierten Parteien davon ausgehen, daß das „untere“ Drittel nicht mehr wählen geht. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai betrug die Wahlbetei­ligung z. B. im reichsten Kölner Stadtbezirk über 80 Prozent, im ärmsten gut 30 Prozent. Ähnliches gilt für alle Ballungsräume.

Zweitens bestimmt ähnlich unterschwellig der Satz „Deutschland ist stark“ den Wahlkampf 2017. Die Kanzlerin dosiert Äußerungen in dieser Hinsicht sehr genau, läßt aber selbst gegenüber den USA aggressive Töne hören wie „nicht mehr verläß­lich“ und „das Schicksal in die eigenen Hände nehmen“. Gegenüber den EU-Partnern spielt sie sich immer öfter als Zahl- und Zuchtmeister auf. Flankiert wird das von systematischer Kriegführung, Kriegsvorbereitung und Bürgerkriegsproben wie beim G20-Gipfel in Hamburg. Dritter Punkt: Der Aufschwung der AfD wurde vor diesem Hintergrund eingedämmt, als Herrschaftsreserve für Krisensituationen bleibt sie aber erhalten. Ihr Programm wird, das läßt sich vorhersagen, von der nächsten Merkel-Regierung weitgehend übernommen werden.

In solcher Lage, in der die Aushöhlung der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie weit vorangeschritten ist, wird die Wahlteilnahme für Kommunisten und Sozialisten Pflicht. Es gilt, die Parteien zu stärken, welche die Urheber der Krise haftbar machen wollen, die konsequent Stellung gegen imperialistische Kriege nehmen und Nationa­listen und Neo-faschisten offensiv entgegentreten. Es geht um jede Stimme für eine humanistische Politik.