RotFuchs 198 – Juli 2014

Kurt F. Neuberts einprägsamer Antikriegsroman

Oberstleutnant a. D. Fritz Fleischer

Karl Hellauers Wandlung im Zweiten Weltkrieg“ lautet der Titel eines spannungsgeladenen Entwicklungsromans von Kurt F. Neubert, Jahrgang 1924. Frappierend wirklichkeitsnah zeichnet er das Leben eines jungen Deutschen nach, der als Panzersoldat durch die Hölle des großen Gemetzels ging. Fast jede Zeile verrät den Zeitzeugen.

Wer war dieser Karl Hellauer? Was er im Rückblick auf das Erlebte schreibt, steht für tiefe Eindrücke vieler aus seiner Generation, die sich blutjung zum Kriegsdienst meldeten, den verlogenen Parolen der Nazis glaubten und sich kopfüber in die Katastrophe stürzten.

Es ist ein sehr lesenswerter Antikriegsroman, der in überzeugender Weise Antwort auf viele Fragen gibt, die sich Nachgeborene stellen.

Wie war es möglich, daß sich der Held des Geschehens selbst dann noch, als der Krieg schon längst als verloren galt und seine ursprüngliche Begeisterung auf den Nullpunkt gesunken war, dennoch zum Weitermachen und Durchhalten entschloß? Mit detaillierten Schilderungen der menschenverachtenden Abrichtungsmethoden einiger seiner Ausbilder in Neuruppin führt der Autor dem Leser vor Augen, wie die Soldaten der faschistischen Wehrmacht zu blindem Kadavergehorsam und zur widerspruchslosen Ausführung ihnen erteilter Befehle so abgerichtet wurden, daß eigene Entscheidungsfindungen gar nicht mehr möglich waren. Nachdem sein Panzer einen Volltreffer erhalten hatte und er selbst dem Tod nur knapp entronnen war, fand sich der Held des Romans mit schwersten Verbrennungen im Lazarett wieder.

Kurt F. Neuberts literarisch verdichteter autobiographischer Rapport geht weit über die bloße Verarbeitung von Kriegs-erlebnissen hinaus. In einfühlsamer Weise werden auch die ersten tastenden Liebesbeziehungen des jungen Mannes offenbart. Frauengestalten, von der Mutter bis zur Lebenspartnerin, nehmen einen wichtigen Platz im Roman ein. Aus meiner Sicht gehören diese zauberhaften, emotional berührenden Darstellungen zu jenen Seiten, welche das Buch so lesenswert machen.

Wie von einer schweren Last befreit, schildert der Autor das Ende des Krieges. Bereits auf dem Weg nach Hause, gerät er in amerikanische Gefangenschaft. Im offenen Feldlager auf den Rheinwiesen bei Bad Kreuznach wird er zum Leidensgefährten derer, die mit dem Tod ringen. Denn auch hier geht das Sterben weiter. Damit endet im Roman die Wandlung Kurt F. Neuberts vom Hitlerjungen zum Pazifisten. Es ist aber nicht das Ende seines Selbstveränderungsprozesses. Der führt ihn in eine neue antifaschistische und später sozialistische Gesellschaft.

Es brauchte seine Zeit, bis der Heimkehrer durch gründliches Überdenken des im Krieg Erlebten und Erfahrenen so weit war, sich aktiv an allem beteiligen zu können.

Kurt F. Neubert ist mir seit langem gut bekannt. Uns verbinden die Freundschaft Gleichgesinnter und der gemeinsame Offiziersdienst bei den Grenztruppen der DDR. Mit Bewunderung verfolge ich, wie es ihm mit seinen Buchlesungen und Auftritten in Bibliotheken, vor Schulklassen und anderswo immer wieder gelingt, besonders bei jungen Menschen Interesse und Gesprächsbereitschaft zu wecken. Auch das widerspiegelt die Tatsache, daß „Karl Hellauers Wandlung“ ganz offensichtlich ins Schwarze trifft.

Kurt F. Neubert:

Karl Hellauers Wandlung im Zweiten Weltkrieg

epubli-Verlag, Berlin 2013, 276 S.

17,50 €