RotFuchs 220 – Mai 2016

Erika Schirmer schuf die
„Kleine weiße Friedenstaube“

Leben und Werk einer
vielseitigen Künstlerin

Friedhelm Schulz

Wie immer habe ich mich auch in diesem Monat auf den „RotFuchs“ gefreut! Meine Freude war um so größer, als aus der Zeitschrift die kleine Beilage mit den Noten und dem Text „Kleine weiße Friedenstaube“ von Erika Schirmer rutschte. Und dazu ganz und gar passend fand ich die Verse von Bertolt Brecht und Martin Luther King. Das mußte ich doch sogleich Erika, unserer lieben Freundin in Nordhausen, per Telefon mitteilen. Doch ich konnte ihr gar nichts Neues berichten. Wie ich, hatte auch Erika den „RotFuchs“ mit Beilage von Euch erhalten. Zu ihrer großen Überraschung und Freude, wie sie mir versicherte.

Erika Schirmer

Erika Schirmer

Ich stelle mir vor, daß Euch Erika Schirmer wahrscheinlich kaum bekannt ist.

Von der weißen Taube Pablo Picassos mit ihrer Symbolkraft für den Frieden begeistert, textete und komponierte sie bereits 1949 in Nordhausen dieses so sinnreiche Lied für den Frieden und gegen den Krieg. Da war sie gerade mal 23 Jahre.

Ein kleines und doch so großartiges Lied, Worte und Musik gegen das Unrecht und Elend auf dieser Erde. Erikas Lied ist noch heute und gerade in der Gegenwart mehr als eine weltweite Friedenshymne der Kinder!

Erika Schirmer hat den Satz geprägt: „Ohne Phantasie keine Kunst!“ Seit Jahrzehnten ist sie eine großartige Scherenschnittkünstlerin und feinsinnige, geistvolle Lyrikerin.

Nordhausen hat ihr darum am 7. Mai 2014 die Ehrenbürgerwürde verliehen. Und nur fünf Tage zuvor wurde Erika Ehrenbürgerin der Stadt und Gemeinde Czerwiensk/Nietkow unweit von Zielona Góra in Polen. Die polnischen Bürger sind stolz darauf, daß sie in ihrem Dorf Nietkow (bis 1945 Schlesisch-Nettkow) im Jahr 1926 geboren wurde.

Im polnischen Bereich der Euroregion Spree – Neiße – Bober bzw. in der Lubusker Region mit Zielona Góra und der Universität, mit Czerwiensk und Nietkow und vor allem an Schulen hat Erika Schirmer als deutsche Künstlerin mit ihren Scherenschnittausstellungen einen guten Namen. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, daß die Narben der Geschichte, Vorurteile und Berührungsängste aus den Herzen der Menschen Deutschlands und Polens verschwinden. So leistet sie einen aktiven Beitrag, um die Freundschaft zwischen deutschen und polnischen Menschen wie einen kostbaren Schatz zu behüten und zu bewahren. Ihre auf dieser Seite abgebildete Arbeit zeugt davon.

Erika macht nicht viel Aufhebens um ihre phantasievolle, künstlerische Arbeit, der sie sich mit nahezu 90 Jahren fast täglich mit viel Poesie, Muse, Talent und Begabung widmet. In etwa 150 Ausstellungen in Thüringen und darüber hinaus hat Erika Schirmer ihre künstlerischen Arbeiten – Scherenschnitte und Lyrik – gezeigt und ihre Bewunderer und Verehrer gefunden.

Frau Schirmer arbeitet in ihrer Kunstrichtung nach der Devise „Lorbeerkränze machen noch keine Scherenschneider und auch keine Dichter“. Ihr kunstfertiges Scherenschneiden und ihre schwärmerische, träumerische wie auch sinnreiche Dichtkunst sind für sie nie bloßer Zeitvertreib oder Zerstreuung. Vielmehr ist es Freude und Glück für sie, ja, es ist ein Teil ihres Lebensinhalts geworden, mit ihren Werken ihren Mitmenschen im Alltag Freude und Unterhaltung zu schenken.

Über ihr Friedenslied hinaus ist Erika Schirmer auch eine politische Dichterin. Nicht in dem Sinne, daß sie sich parteipolitisch für oder gegen eine Partei äußert. Vielmehr macht sie Ereignisse unserer Zeit zum Inhalt ihrer geistvollen Gedichte. Das kann man zum Beispiel in ihren Reimen über Nordhausen wie auch in den Gedichten nachlesen, die seit mehr als 20 Jahren unter ihrem Pseudonym „Harzer Fingerhut“ im Nordhäuser Lokalteil der „Thüringer Allgemeinen“ Woche für Woche veröffentlicht werden. In ihren Versen gelingt es der Lyrikerin, das scheinbar Unbedeutende des Alltags auf die Ebene von Bedeutsamkeit zu heben.

Offenkundig wird ihr politisches Denken im „Brief eines naiven Menschen an einen berühmten Dichter“. So nennt Erika Schirmer ihre fiktive Post an Heinrich Heine. „Erlebt, gespürt, gesehen – 1986 bis 2007“. Im Zwiegespräch mit Heine, und dabei im Mittelpunkt „Deutschland – ein Wintermärchen“, zieht sie vielerlei Vergleiche, die zu kritischer Nachdenklichkeit über aktuelles Geschehen in Deutschland anregen.

Zu Erika Schirmer gäbe es noch vielerlei Interessantes zu berichten. 13 Bücher stammen aus ihrer Feder, jüngst erst die bemerkenswerten „Selbstgespräche einer alten Dame“. Sie spielt Piano und Keyboard und komponiert.

Bemerken möchte ich noch, daß ich Erika Schirmer bereits mehr als 70 (siebzig) Jahre kenne und meine Wurzeln wie sie in Schlesisch-Nettkow habe. Hoyerswerda aber ist seit dem Sommer 1945 meine Heimat!

Indem meine Frau Heide und ich seit etlichen Jahren in der Lausitz für Erika Schirmer Scherenschnittausstellungen in der Symbiose mit Lyrik organisieren und vorstellen, sind wir eng und freundschaftlich mit der Nordhäuser Künstlerin verbunden. Am 31. Juli wird Erika Schirmer ihren 90. Geburtstag feiern.

Frieden für alle

Erst, wenn auf der ganzen Erde
jedes Land den Frieden übt,
wenn es ohne Wenn und Aber
nirgendwo mehr Kriege gibt,
keine Flucht, keine Vertreibung,
wenn kein einz’ger Schuß mehr fällt,
gäb’s auf der geschund’nen Erde
endlich Frieden für die Welt!

(Erika Schirmer)