RotFuchs 186 – Juli 2013

Den Nebel bürgerlicher Öko-Heuchelei durchdringen!

Ludwig Erhard mit grüner Zigarre

Jobst-Heinrich Müller

Abgesehen von der verheißungsvollen Parole „Sozial und ökologisch!“ hat sich die Linkspartei bislang in Sachen Ökologie recht schwer getan. Bisweilen widersprüchliche Handwerkelei bei unkritischer Übernahme nur geringfügig modifizierter Forderungen der Grünen stand dabei oft im Vordergrund. Auch heute noch verortet die Wählermehrheit eine diesbezügliche Sachkompetenz vor allem bei der Partei von Roth, Trittin und Göring-Eckardt. Die Grünen verstehen es, sich unbewußte Hoffnungen auf eine Verbesserung der materiellen Lage durch „Selbstheilungskräfte des Marktes“ – in diesem Falle durch ökologisch-orientierte neue Herstellungsverfahren – geschickt zunutze zu machen. Ihr „Green New Deal“ ist in Wahrheit „Ludwig Erhard mit grüner Zigarre“. Die Propagandaformel lautet: „Durch aus Steuergeldern subventionierte Innovation besonders kleiner und mittlerer Unternehmen erlangt man globale Marktbeherrschung, konjunkturellen Aufschwung und wieder mehr Konsumwohlstand!“ Natürlich dürfen dabei solche Schmankerln wie Öko-Champagner, Ajurveda-Wellness oder von indischen Waisenkindern aus Elefantendung gefertigtes nachhaltiges Briefpapier nicht fehlen. Sie bedienen naturreligiöse Esoterik ebenso wie den Fundamentalismus von „Tierrechtlern“. Die Kehrseite dieser Medaille: Alles geschieht auf Kosten der „kleinen Leute“.

Der rücksichtslose Ökokapitalismus entlarvt sich in Merkels „Atomausstieg“-Schwindel oder ihrem mit der Mietrechtsnovelle verbundenen „energetischen Sanierungsprogramm“. Durch getarnte Konjunkturspritzen wird ein wahres „Schlachtefest“ zugunsten von Energiekonzernen, Baulöwen und Immobilienbesitzern veranstaltet, bei dem Geringverdiener, Sozialhilfeempfänger und auch ganze Familien oftmals ihr Dach über dem Kopf verlieren oder wie Zitronen ausgepreßt werden. Leute, die selbst kein Auto mehr halten und kaum noch das Fahrgeld für Bus oder Bahn aufbringen können, sehen ihre Chefs plötzlich am Steuer von Hybrid-Sportwagen mit grüner Tünche. „Aufs Rad umsteigen!“ klingt für Schichtarbeiter wie blanker Hohn. Reaktionäre Appelle gegen eine vermeintliche „Ökodiktatur“ fallen da schnell auf fruchtbaren Boden. Das gilt auch für Ultra-Veganismus und andere Marotten.

Auf dem globalen Markt mit seinem enormen Konkurrenzdruck – man denke nur an Chinas Durchsetzungsvermögen in der Solarbranche – verkürzt sich die Lebensdauer von Produkten rapide: Immer schneller geraten Technologien vom Innovationsstadium über ihre Ausreifung in die Sättigungsphase des Weltmarktes, wo sie dann bald jeder überall nachvollziehen kann. Was bleibt, sind Konkurrenz und Konzentration in multinationalen Mischkonzernen. „Biologisch erzeugte Lebensmittel“ in Supermärkten werden von angeblich lupenreinen Bio-Firmen geliefert, in denen es den Arbeitern nicht besser ergeht als bei Lidl oder Aldi. Betrügereien aller Art, Gesundheitsgefährdung und dubiose Massentierhaltung nehmen sprunghaft zu. Bäuerliche Landwirtschaft und dezentrale Erzeugung bleiben auf der Strecke.

Übrigens erfaßt das Pentagon längst weltweit nachwachsende Rohstoffe von strategischer Bedeutung für künftige imperialistische Kriege. Nach den Gesetzen des kapitalistischen Verwertungszusammenhangs wird auf menschliche Grundbedürfnisse und die Erhaltung natürlicher Ressourcen keine Rücksicht genommen. Ein Großteil der Verschwendung von Energie und Material geht auf das Konto ständiger Konsumsteigerung, in der die Kapitalisten ein Krisenventil erblicken. Unnötig kurze Ablaufzeiten ermuntern zu raschem Zugreifen. Immer neue Artikel wecken künstlichen Bedarf. Diese Manie wird weltweit kopiert und den Menschen als Glücksverheißung vorgegaukelt. Man jubelt ihnen selbst klimaschädlichen „Bio-Sprit“ auf Kosten sinnvoller Nutzung agrarischer Flächen als „ökologisch korrekt“ unter. Dabei gibt es im kapitalistischen Wirtschaftssystem keine tatsächliche Ökologie.

Dennoch müssen wir der katastrophalen Umweltzerstörung auch unter solchen Rahmenbedingungen mit unserer Konzeption Widerstand leisten. So stellten Experten einer Projektgruppe, unter ihnen sieben Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke mit Ulla Lötzer an der Spitze, am 15. Juni 2012 den „Plan-B – das rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau“ – der Öffentlichkeit vor. Darin wurde der Widerspruch zwischen Kapitalismus und Ökologie verdeutlicht. Das Projekt hatte Stärken und Schwächen, regte aber in jedem Fall zur Debatte an und warf eine Reihe von Fragen auf. So z. B. diese: Sollte man nicht realistische Konversionsprogramme beim Verlangen nach Schließung umweltschädlicher Betriebe zur Voraussetzung machen? Was ist an Alternativen zur Arbeitsplatzsicherung in Abwanderungs- und Vergreisungszonen anzubieten? Wie grenzt man sich von bedingungsloser Vorteilssubventionierung, Öko-Schwindel und Konzernbildung im Rahmen einer umweltfreundlichen Industrie ab? Welche Erzeugnisse sollten zur Stützung sozialer Gerechtigkeit in Schwellenländern gekauft werden?

Auch am Vorabend der diesjährigen Bundestagswahlen sind das zweifellos wichtige Themen, die unserer Aufmerksamkeit nicht entgehen sollten.