RotFuchs 213 – Oktober 2015

Er folgte den Spuren des alten „Mohr“

Marxens Schwiegersohn Paul Lafargue

Steffen Kastner

Vor 60 Jahren, am 26. November 1911, schied ein Revolutionär aus dem Leben, dessen Wirken aufs engste mit den Namen von Marx und Engels sowie mit der Entwicklung der europäischen, vor allem aber der französischen Arbeiterbewegung verbunden ist: Paul Lafargue.

Paul Lafargue

Kein Geringerer als Lenin sprach am Grab dieses Mannes in einem Satz aus, was das Leben Paul Lafargues so bedeutungsvoll gemacht hat: „Schon zur Zeit der russischen Revolution – 1905 – haben die klassenbewußten Arbeiter und alle Sozialdemokraten Rußlands Lafargue aufrichtig schätzen gelernt als einen der begabtesten und gründlichsten unter denen, welche die Ideen des Marxismus verbreiten.“

Als Sohn eines Pflanzers am 15. Januar 1842 in Santiago de Cuba geboren, führten ihn die Umstände bald nach Europa. In Bordeaux und Toulouse besuchte er das Gymnasium, um später in Paris Medizin zu studieren. Daneben galt seine ganze Liebe der Literatur und der Philosophie. Der junge Mann, auch politisch stark interessiert, engagierte sich mit Leidenschaft für die revolutionäre republikanische Bewegung gegen das französische Kaiserreich. Sehr belesen, wurde er zunächst Anhänger der Lehren des kleinbürgerlichen Sozialisten Proudhon, dessen Arbeit „Die Philosophie des Elends“ schon 1847 von Karl Marx mit der polemischen Untersuchung „Das Elend der Philosophie“ widerlegt worden war.

Durch die Verbindung zu einer Reihe sozialistischer Arbeitergruppen wird Lafargue 1865 nach London zum Generalrat der Internationalen Arbeiter-Assoziation delegiert, um dort über die Situation in der französischen Bewegung zu berichten. Seine Begegnung mit Karl Marx führt zu einer völligen Wende in seinem Leben, wenngleich er auch nicht sofort in der Lage ist, sich in dessen gewaltigen Gedankenreichtum einzufühlen. Der große Denker schreibt bissig, aber dennoch amüsiert über die Diskussionen mit Lafargue an seine Tochter Laura: „Dieser verdammte Schlingel Lafargue belästigt mich mit seinem Proudhonismus und wird wohl nicht eher ruhen, bis ich ihm einmal tüchtig etwas auf seinen Kreolenschädel gegeben habe.“

Doch sehr bald sollte aus dem temperamentvollen Diskussionspartner nicht nur ein konsequenter Parteigänger, sondern auch als Lauras Mann ein Schwiegersohn von Marx werden.

Da Lafargue wegen seiner politischen Haltung von der Pariser Universität relegiert wurde, setzte er sein Studium in London fort. Inzwischen Mitglied des Generalrates der IAA geworden, wird er zum aktiven Mitkämpfer der Pariser Kommune. Nach der Niederschlagung der Erhebung des Pariser Proletariats setzt sich Lafargue erbittert mit den die Arbeiter stark beeinflussenden anarchistischen Lehren Bakunins auseinander. Von der französischen Polizei ständig verfolgt, muß er nach Spanien fliehen.

1879 gehört Paul Lafargue in Marseille zu den Mitbegründern der französischen Arbeiterpartei P.O.F., deren Programm er zusammen mit Marx und Engels redigiert. Gemeinsam mit dem Sozialistenführer Guesde baut er in ganz Frankreich die Organisation dieser Partei auf. Er spricht in vielen Arbeiterversammlungen, hält wissenschaftliche Vorträge und schreibt Beiträge für die sozialistische Presse. Etliche Artikel, die in dieser Zeit entstanden, gehören zum Schatz marxistischen Gedankenreichtums.

Mit seinen Leistungen als Wissenschaftler, Publizist und tätiger Sozialist ist Paul Lafargue würdig, in einer Reihe mit Wilhelm Liebknecht, August Bebel und Franz Mehring genannt zu werden.

Der Artikel Helmuth Hellges erschien unter diesem Pseudonym in der Westberliner Zeitung „Die Wahrheit“.