RotFuchs 212 – September 2015

Helden des Roten Oktober

Michail Iwanowitsch Kalinin

Steffen Kastner

Einer der geistvollsten Köpfe unter den Helden des Roten Oktober war zweifellos der gelernte Dreher und spätere Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets, Michail Iwanowitsch Kalinin.

Michail Iwanowitsch Kalinin
Michail Iwanowitsch Kalinin

1875 im Gouvernement Twer geboren, besuchte er zu Beginn der achtziger Jahre eine einklassige Dorfschule, wo er bereits wegen seines ungewöhnlichen „Lesehungers“ auffiel. Als er 1893 eine Lehre antrat, erwies sich der junge Arbeiter zum Erstaunen seiner Altersgefährten als Kenner russischer Klassiker. Er hatte A. I. Herzen sowie Werke von Tschernyschewski gelesen und sich mit einigen marxistischen Schriften auseinandergesetzt. Schon vor seinem Beitritt zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands (SDAPR) im Jahre 1898 hatte er einen marxistischen Zirkel organisiert, der zum Leninschen „Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse“ gehörte. So machte sich M. I. Kalinin als Organisator der Arbeiterbewegung in den Petersburger Putilow-Werken bald einen Namen. Das führte dazu, daß er 1899 von den zaristischen Schergen verhaftet und in den Kaukasus verbannt wurde. Seine außerordentlich starke Neigung zur Literatur ließ er sich auch unter diesen widrigen Umständen nicht nehmen. Selbst auf dem Transport zwischen den Gefängnissen und in den Jahren der Verbannung pflegte er stets eine kleine Reisebibliothek mit sich zu führen.

Nach Verbüßung seiner Haftstrafen arbeitete M. I. Kalinin in der Parteipresse, wo er besonders als Korrespondent der Leninschen „Iskra“ tätig war. Nadeshda Krupskaja, die Frau und Kampfgefährtin Lenins, schrieb über ihn, daß er vor allem auf dem Gebiet der Kulturpolitik den Marxismus-Leninismus bereichert und sich große Verdienste bei der Klärung von Fragen der marxistisch-leninistischen Ästhetik erworben habe.

Seit 1903 abermals inhaftiert, stellte sich Kalinin in der ersten russischen Revolution von 1905 erneut an die Spitze der bolschewistischen Organisation in den Putilow-Werken. Ebenso sah ihn die Große Sozialistische Oktoberrevolution von 1917 als einen ihrer aktivsten Kämpfer. Nach deren Sieg bestimmten ihn die Arbeiter Petrograds zu ihrem Stadtoberhaupt. Bereits im März 1919 schlug Lenin vor, Kalinin zum Vorsitzenden des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees zu wählen. Als außergewöhnlich belesener Bolschewik leitete er in den Jahren des Bürgerkrieges den Agitationszug „Oktoberrevolution“, der an die Fronten der Auseinandersetzung mit der Konterrevolution in der Ukraine, im Nordkaukasus und in Sibirien fuhr und hier die Sowjetmacht politisch-ideologisch unterstützte.

Schon 1919 war Kalinin in das ZK der Partei und im Januar 1926 zum Mitglied des Politbüros der KPdSU(B) gewählt worden. Von 1938 bis zu seinem Tode stand er als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR an der Spitze des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates der Welt.

Der Artikel erschien in der Westberliner Zeitung „Die Wahrheit“.