RotFuchs 193 – Februar 2014

Über Krokodilstränen und echte Trauer

Nelson Mandelas historisches Format

RotFuchs-Redaktion

Freunde und Feinde eines von der Apartheid erlösten Südafrika, Aufrichtige und Heuchler bekundeten offiziell Trauer um einen der ganz Großen im Befreiungskampf unterdrückter Völker: den Mitbegründer des heute am Kap regierenden ANC und das langjährige Mitglied des ZK der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) Nelson Mandela. Niemand ist vom überwiegend schwarzen Teil seiner Landsleute, aber auch vielen Weißen, wohl je so geliebt worden wie er, den 27 Jahre Rassistenhaft nicht aus der Bahn hatten werfen können.

Die Krokodilstränen, von denen das ND mit Blick auf eine „mittrauernde“ Merkel und ihresgleichen am Tage nach der Todesmeldung zu Recht gesprochen hat, tun wir als eine Widerwärtigkeit ab. Die überschwenglichen Nachrufe Scheinheiliger aller Schattierungen stoßen bei uns ins Leere. Hier soll nur von echten Kampfgefährten des Verstorbenen bekundetes Beileid Erwähnung finden.

Madiba (Stammesältester), wie ihn sein Volk nannte, und Mkhulu (Großvater), wie ihn die Seinen riefen, wird ohne Zweifel als ein Titan unter den Kämpfern gegen den Rassenwahn in die Geschichte der Menschheit eingehen.

Noch im Gefängnis, war er bereits eine lebende Legende. Die weiße südafrikanische Regierung wollte ihn aber nicht als Ikone in die Geschichte eingehen lassen. So bot sie Mandela 1984 die Freilassung unter der Bedingung an, daß er sich in eines der als Bantustans bezeichneten Stammesreservate zurückziehe, die von Nachfahren der aus niederländischer Wurzel stammenden Buren errichtet worden waren. Offiziell als angeblich von Pretoria unabhängige Reservate geschaffen, waren sie in Wahrheit nichts anderes als riesige Ghettos.

Auch Präsident Pieter Botha schlug Mandela vor, dafür freigelassen zu werden, daß er auf den bewaffneten Kampf gegen das Apartheidregime verzichte, den er mit speziellen Kräften des ANC einst selbst ins Leben gerufen und angeführt hatte, nachdem er in Ghandis gewaltlosem Widerstand keine Befreiungschance mehr erblickte. Seine Antwort lautete: „Gefangene können keine Verträge schließen. Nur freie Menschen können verhandeln!“ Damals verlas Nelsons Tochter Zinzi im Stadion von Soweto vor Tausenden einen Brief, den sie von ihrem Vater aus dem Gefängnis erhalten hatte: „Ich kann und will keinen Kompromiß mit der Regierung eingehen, solange weder ich noch Ihr, das Volk, in Freiheit leben. Eure Freiheit und meine können nicht voneinander getrennt werden.“

Die Ausstrahlung Mandelas war so stark, daß selbst Präsident Botha, der seine Haftentlassung verhindert hatte, Jahre später erklären mußte: „Meine erste Begegnung mit Mandela in Freiheit war beeindruckend, und ich werde seine Worte nie vergessen. In ihnen waren weder Bitterkeit noch Rachedurst, kein Schatten eines Hasses. Er versuchte bei dem Gespräch in keinem Moment die Tatsache zu nutzen oder auch nur zu erwähnen, daß er 27 Jahre im Gefängnis gewesen war.“

Nach dem grandiosen Sieg der von Zehntausenden kubanischen Kämpfern unterstützten Befreiungsbewegungen MPLA und SWAPO aus Moçambique und Namibia blieb Pretoria keine andere Wahl, als den Weg zur Abschaffung des besonders von den USA, Großbritannien und der BRD unterstützten Apartheidregimes freizugeben und den legendären Häftling aus dem Hochsicherheitsgefängnis auf Robben Island zu entlassen. Südafrikas Präsident Frederick de Clerk wich 1990 unter dem Druck der schwarzen Bevölkerung des eigenen Landes und einer mächtigen internationalen Solidaritätsbewegung – vor allem auch der sozialistischen Länder mit Kuba an der Spitze – zurück.

Damals hatte Mandela noch enorm viel Kraft und Mut, den Kampf fortsetzen zu können. Eine seiner vielen Auslandsreisen führte ihn 1991 nach Kuba, wo es zu einem bewegenden Treffen mit Fidel Castro kam. Dessen Bruder und Amtsnachfolger Raúl zählte konsequenterweise zu den hohen Staatsgästen, die an der Beisetzung Madibas teilnahmen.

Nelson Mandela war der erste schwarze und freigewählte Präsident Südafrikas. 1990 verzichtete er auf das hohe Amt, fünf Jahre später zog er sich aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurück. Dennoch war er nach wie vor bei vielen Veranstaltungen zugegen. Sein 95. Geburtstag, den er – obwohl durch Krankheit und Alter schon stark geschwächt – noch erleben konnte, wurde von der überwältigenden Mehrheit der Südafrikaner wie ein Nationalfeiertag begangen.

Während Nelson Mandela seinen Idealen und seinem Lebenswerk bis zuletzt treu blieb, beschritten nicht wenige seiner einstigen Weggefährten unter dem Druck einer immer einflußreicheren schwarzen Bourgeoisie und mancher ausländischen Kondolierer inzwischen ganz andere Wege.

Um so größeres Gewicht besitzen jene Haltelinien, die Madiba schon 1961 in die Worte faßte: „Ich habe immer das Ideal einer demokratischen und freien Gesellschaft gehegt, in der die Menschen in Harmonie und mit gleichen Möglichkeiten zusammenleben können. … Es ist ein Ideal, für das ich zu leben gedenke und für das ich, wenn nötig, auch zu sterben bereit bin.“

RF, gestützt auf „Granma Internacional“, Havanna