RotFuchs 203 – Dezember 2014

Wie US-Geheimdienste „unerwünschte Machtstrukturen“ destabilisieren

Operation OTPOR

Dietmar Hänel

Die Geschichte kennt eine Vielzahl von Beispielen, wie durch inszenierte Überfälle, die eine „notwendige Vergeltung“ erforderlich machten, das jeweils bestehende Kräfteverhältnis in einer Region oder darüber hinaus verändert wurde. Die Formen und Methoden der überwiegend geheimdienstlichen Unterwanderung und des Sturzes „unliebsamer“ Regierungen sowie deren Ersetzung durch eigene Marionetten sind ständig weiter „verfeinert“ worden.

Neue Kommunikationsmittel wie Skype, Facebook und Internet spielen im Kalkül der Organisatoren eine wichtige Rolle. William Engdahl, der bereits seit mehreren Jahren über Washingtons Geopolitik schreibt und gute Kontakte zu den Geheimdiensten der USA unterhalten soll, traf in einem Interview die Feststellung: „Kriegsführung durch gewaltlosen Kampf bedeutet nichts anderes, als daß die USA seit dem Ende des Kalten Krieges auf Staaten einwirken, um dort Regimes zu destabilisieren, die nicht der von Washington definierten globalen Agenda folgen.“

Wer sind nun die Personen und Gruppen, welche sich vor den Karren der USA spannen lassen und deren Geschäfte besorgen?

Ich will das an einem konkreten Beispiel schildern: In den 90er Jahren wurde an der Belgrader Universität die Gruppe OTPOR (Widerstand) gegründet. Sie diente zunächst als Sprachrohr der Oppositionsbewegung gegen den später in willkürlicher Haft verstorbenen Slobodan Milosevič. Einer der Gründer dieser Organisation ist der auch heute noch aktive Serbe Srdja Popovič, der in Interviews offen über seine Verbindungen zu Geldgebern in den USA spricht und in Medien ganz ungeniert als „Mister friedlicher Umsturz“ bezeichnet wird.

Die Finanzierung von OTPOR ist selbst bei Wikipedia kein Geheimnis. Dort erfährt man, daß sie „über ein Geflecht von westlichen Organisationen mit geheimdienstlichem Hintergrund“ erfolgt. OTPOR, das sich später bei CANVAS, dem „Zentrum für angewandte gewaltfreie Aktionen und Strategien“ einklinkte, gibt sich als „Denkfabrik mit Trainingszentrum“ aus, um seine wahre Funktion zu verschleiern. Doch das eigentliche Ziel bestand und besteht darin, regierungskritische Personen in für die USA strategisch wichtigen, ihnen aber nicht hörigen Ländern ausfindig zu machen und für Aufgaben zur Destabilisierung der dortigen Machtverhältnisse im Sinne der Vereinigten Staaten auszubilden.

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch die Schaffung von Zeichen der Auflehnung mit „Wiedererkennungswert“ (Orange in der Ukraine, Tulpen in Kirgisien, Rosen in Georgien oder Jeans in Belarus). Charakteristisch ist der Mißbrauch von Symbolen der internationalen Arbeiterbewegung wie der geballten Faust, die besonders bei entsprechenden Strömungen im arabischen Raum, aber auch in Venezuela, Rußland und einigen früheren Sowjetrepubliken Verwendung findet. Erwähnenswert ist, daß sich Aleksandar Maric, einer der Gründer von OTPOR, in diesem Milieu als „Che Guevara“ bezeichnen läßt.

Zum Zweck der Einflußnahme auf Jugendliche wurde in der CANVAS-„Denkfabrik“ u. a. ein Videospiel entwickelt, welches per Internet oder CD eine enorme Verbreitung findet. Die Finanzierung erfolgt aus den USA. Inhaltlich geht es dabei um den Kampf gegen eine abstrakte Staatsmacht mit unterschiedlichsten gewaltfreien Mitteln und Methoden. Als Grundlage für die Regisseure bei OTPOR und CANVAS dient das Buch des US-Politologen Gene Sharp „Von der Diktatur zur Demokratie“, das detaillierte Strategien zum Umsturz unter den geschilderten Kriterien vermittelt. Es wird bei den OTPOR-Schulungen inzwischen weltweit genutzt.

Der bereits erwähnte Srdja Popovič macht in Interviews aus seinen Zielen kein Hehl. So verweist er darauf, daß OTPOR in Belgrad „Oppositionelle“ aus einer ganzen Reihe von Ländern in Praktiken des angeblich gewaltfreien Widerstandes und Umsturzes unterweist und unterdessen in mindestens 37 Staaten aktiv ist. Es handele sich dabei um Länder, in denen „der Westen“ seit Jahren „Oppositionsbewegungen“ auf einen Machtwechsel vorbereite.

Ganz in diesem Sinne tauchte OTPOR schon 2004 erstmals in der Ukraine auf, wo Aktivisten der sogenannten Pora-Bewegung ausgebildet wurden, die dann zu den Organisatoren der „orangenen Revolution“ gehörten und auch derzeit noch aktiv sind. Pora wurde mit „Hilfsgeldern“ aus den USA seinerzeit auf die Beine gestellt. Mitglieder dieser Gruppierung besuchten u. a. einen „Crashkurs“ im serbischen Novi Sad.

Auch in Georgien war OTPOR beim Umsturz führend beteiligt. Als Präsident Schewardnadse nach Protesten gegen die von seinen Anhängern betriebene Wahlfälschung zum Rücktritt gezwungen wurde, fiel der von dieser Gruppe unterstützten Studentenbewegung KMARA ein wichtiger Part zu. Einer ihrer Führer, ein gewisser Georgi Kandelaki, ließ damals wissen: „Nach unserem Aufenthalt in Belgrad kamen OTPOR-Beauftragte mehrmals nach Georgien. Bei ihrem zweiten Besuch wurde unweit von Tiflis eine Sommerschule organisiert, die 700 neue Aktivisten vorbereitete.“

Ein „Aktivist“ der ukrainischen „Demokratiebewegung Pora“ namens Dmytro Potechnin machte in einem Interview kein Hehl aus der Tatsache, daß seine „Bewegung“ erhebliche Beträge aus den USA und Ausbildungshilfe „in Sachen ziviler Ungehorsam“ durch OTPOR erhalten habe. Er arbeite auch mit Leuten der belorussischen „Oppositionsbewegung Subr“ zusammen, die besonders an dortigen Schulen und Universitäten aktiv seien. Das eigentliche Ziel aber, so Potechnin, sei ein Umsturz in Rußland.

Natürlich ist OTPOR nur ein Glied in der langen Kette subversiver Organisationen, die im Auftrag der US-Geheimdienste an der Destabilisierung souveräner Staaten mit – aus Washingtoner Sicht – „unerwünschten Regierungen“ arbeiten.