RotFuchs 213 – Oktober 2015

Das wieder von Sandinisten regierte
Nikaragua fühlt sich Kuba eng verbunden

Rückkehr auf den Weg
der Selbstbestimmung

RotFuchs-Redaktion

Nikaraguas Revolution und die sie zum Sieg führende Bewegung – sie leiteten ihre Namen von General Augusto Cesar Sandino ab – fegte eine der am längsten bestehenden und zugleich blutigsten Diktaturen Zentralamerikas hinweg. Die von Daniel Ortega angeführten Sandinisten verkündeten ihr an sozialistischen Zielen orientiertes Projekt und unternahmen erste wichtige Schritte auf diesem Wege. Zuvor hatten sie am 19. Juli 1979 der Diktatur Somozas und seiner Erben ein Ende bereitet.

Doch dieser Wendepunkt sicherte noch nicht den Bestand der Volksmacht. Von Beginn an hatten die vom Pentagon und der Lateinamerika-Abteilung der CIA ins Gefecht geschickten Contras Zehntausende bis an die Zähne bewaffnete Konterrevolutionäre von Honduras aus gegen Managuas linke Regierung in Marsch gesetzt.

Nikaraguas FSLN hat die zeitweilig verlorene Macht zurückerobert und genießt die Sympathie der Massen.

Der Somoza-Clan gehörte bereits seit langer Zeit zu den Lieblingsdiktatoren der Yankees. Kein anderer als USA-Präsident Franklin Delano Roosevelt hatte Somoza folgendermaßen charakterisiert: „Mag sein, daß er ein Hurensohn ist – aber er ist unser Hurensohn.“ So besaß das Somoza-Regime in den vier Jahrzehnten seiner Gewaltherrschaft den Segen und Schutz der Vereinigten Staaten, die jeglicher Tendenz einer sozialen Umwälzung in dieser für das nordamerikanische Kapital besonders sensiblen Region vorbeugen wollten.

Daniel Ortegas Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) nutzte das potenzierte Unbehagen der verelendeten Mehrheit des nikaraguanischen Volkes und die krasse Ungleichheit seines Lebensniveaus im Vergleich mit dem einer winzigen prassenden Oberschicht zur Organisierung einer massengestützten Widerstandsbewegung.

In einem der ärmsten und zurückgebliebensten Länder des amerikanischen Kontinents erzielte die FSLN-Regierung in kurzer Zeit beachtliche Fortschritte im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie bei der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte. Gerade auf diesen entscheidenden Feldern konnte die Führung Nikaraguas jederzeit mit Kubas nie erlöschender materieller und ideeller Solidarität rechnen. Der Staat Fidels und Raúls entsandte Zehntausende Lehrer, Ärzte und Spezialisten der verschiedensten Bereiche in das besonders hilfsbedürftige Freundesland. Schritt für Schritt konnten die schlimmsten Folgen des Krieges und der Unterentwicklung beherrscht werden.

Die spürbaren Anfänge einer erfolgreichen Umgestaltung der überkommenen Verhältnisse und die Schaffung einer auf das sandinistische Militär wie einen neuen Polizeiapparat – Nikaraguas Sicherheitschef hieß übrigens wie auch andere Söhne lateinamerikanischer Kommunisten mit Vornamen Lenin – brachten die Sache voran. Vor allem gelang es, wesentliche Fortschritte im Kampf gegen zwei Grundübel Zentralamerikas zu erzielen: die terroristische Gewalt und den professionellen Drogenschmuggel.

Doch auch die Vereinigten Staaten sahen der Entwicklung in Nikaragua nicht tatenlos zu. Washington war fest entschlossen, kein zweites Kuba in der Region hinzunehmen. Die gerechtere Verteilung der Reichtümer Nikaraguas entsprach ebensowenig dem Klassendenken der mit den USA liierten einheimischen Oligarchien. So wie die CIA heute in erster Linie gegen linke und bürgerlich-demokratische Regierungen von Staaten wie Venezuela, Bolivien und Ekuador, aber auch Brasiliens und Argentiniens vorgeht, setzte sie Nikaragua auf ihre Abschußliste. Überdies wurde ein Teil der reaktionären Medien des In- und Auslands in die psychologische Kriegführung eingebunden. Sie hatten maßgeblichen Anteil am Sieg der nikaraguanischen Rechtsparteien bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 1990, die Violeta Chamorro – eine dominante Figur der einheimischen Oligarchien – in Managua an die Staatsspitze brachte. Die beim Urnengang unterlegenen Sandinisten akzeptierten das Wahlergebnis und bereiteten sich zugleich auf intensive Schlachten an der politisch-ideologischen Front vor. Das auf die Niederlage der FSNL folgende neoliberale Desaster währte 16 Jahre. Die mittelamerikanische Republik erlitt dadurch in vielen Bereichen ernste Rückschläge, was auch bei weniger politisierten Teilen der Bevölkerung zu der Erkenntnis führte, daß die „blinde Hand des Marktes“ das angestaute Maß an Rückständigkeit nicht zu überwinden vermag.

2006 begann ein neuer Siegeszug der FSLN: Ihre Führer Daniel Ortega und Rosário Murillo formierten eine „Regierung der Aussöhnung und nationalen Einheit“, um das Land der Seen und Vulkane abermals tiefgreifend umzugestalten.

Inzwischen besitzt Nikaragua auch im Ensemble der auf regionale oder gesamt-lateinamerikanische Integration der antiimperialistischen Kräfte bedachten Staaten und Parteien ein spezifisches Gewicht. Seine Fortschritte auf wirtschaftspolitischem Gebiet sind frappierend: Von einem möglichen Wachstum um 5 % ist inzwischen die Rede. Als Höhepunkt dieser Bestrebungen gilt der Bau des den mittelamerikanischen Staat durchschneidenden Großen Interozeanischen Kanals, den ein chinesischer Konzessionär bis 2020 zu vollenden beabsichtigt. Wenn dieses gigantische Projekt seine Verwirklichung gefunden hat, rechnet man mit einer Verdopplung des nikaraguanischen Nationalprodukts binnen weniger Jahre. Als man am 19. Juli in Managua den 36. Jahrestag des Sieges der Sandinistischen Revolution beging, hatten sich begeistert empfangene Gäste eingestellt: Kubas Erster Vizepräsident Miguel Diaz-Canel bekräftigte schon bei seiner Ankunft, daß sich die sandinistische Revolution aus Sicht Havannas erfolgreich konsolidiert habe. Sie erfülle ihren historischen Auftrag.

Das unterstrichen auch Spitzenpolitiker der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (Celac), der Bolivarischen Allianz der Völker unseres Amerika (ALBA) sowie des Wirtschaftsverbandes Petrocaribe.

Bei den Feierlichkeiten in Managua wurden die aus langjähriger US-Haft befreiten fünf Kundschafter der kubanischen Seguridad del Estado (Cuban Five) stürmisch gefeiert. Vizepräsident Diaz-Canel betonte, die Helden Kubas seien „ein Ausdruck der unter den so überaus schwierigen Bedingungen dieser Zeit erringbaren Siege“.

RF, gestützt auf „Granma Internacional“, Havanna