RotFuchs 219 – April 2016

Wie das Bayerische Fernsehen einen zur Fahndung ausgeschriebenen Kriminellen abfeiert

Saakaschwili als „Antikorruptionskämpfer“

Dr. Wolfgang Bittner

Im Bayerischen Fernsehen wurden in letzter Zeit mehrmals Reportagen über die Korruption in der Ukraine sowie den in Georgien zur Fahndung ausgeschriebenen Ex-Präsidenten Micheil Saakaschwili und dessen Tätigkeit als Gouverneur von Odessa gesendet. Darin wurde Saakaschwili, der in den USA seine Ausbildung erfuhr und erst am 30. Mai 2015 die ukrainische Staatsbürgerschaft erhielt, als ehrenwerter Mann gerühmt. So geschehen in der Sendung „Ukraine. Saakaschwili als Antikorruptionskämpfer“ vom 29. 1. 2016 (euroblick) als auch in Übertragungen vom 24., 10., und 5. Januar. Das ist in dieser einseitig verkürzten Form skandalös und ein weiteres trauriges Beispiel für den Propaganda-Journalismus, der immer mehr um sich greift.

Unklar ist, wer sich hier in der schlechteren Gesellschaft befindet: Poroschenko und sein Protegé Saakaschwili

Da heißt es z. B. im Sendungsinfo: „Abgesehen vom Krieg in der Ostukraine ist die Bekämpfung der Korruption derzeit das große Thema im Land. Ganz besonders aktiv ist dieser Mann: Micheil Saakaschwili, letztes Jahr noch Präsident von Georgien, dort angeklagt wegen zu diktatorischem Gehabe und jetzt vom ukrainischen Präsidenten ernannt zum Gouverneur des Gebietes von Odessa. Er ist viel unterwegs, zeigt gern Journalisten, was er schon gegen Korruption geschafft hat. … Ein Grund ihm zu glauben: die Straßenpolizisten. Saakaschwili hat sie fast ausnahmslos austauschen lassen: Neue Gesichter, neue Uniformen …“

Und weiter an anderer Stelle: „Ähnliches schuf Micheil Saakaschwili schon in Georgien. Die jahrzehntelange Erfahrung im Kampf gegen bestechliche Bürokratie kommt ihm jetzt zugute. Nun, nachdem er in Georgien vertrieben wurde und unter Anklage steht, versucht er es in der Ukraine.“ In einer Reportage wird Saakaschwili als „Retter der Ukraine“ und deren möglicher nächster Ministerpräsident vorgestellt.

Obwohl mir schon seit längerem bekannt ist, daß derartige Zuschauer-Manipulationen an der Tagesordnung sind, besonders wenn es um die Ukraine und um Rußland geht, kann ich als ehemaliger Angehöriger des WDR-Rundfunkrates nur einmal mehr staunen, daß eine solche Sendung möglich ist und geduldet wird. Grund genug für eine Programmbeschwerde, die ich am 31. Januar 2016 beim Gremienbüro des Bayerischen Rundfunks eingereicht habe. Diese Reportage ist ein grob tendenziöser TV-Beitrag. Damit handelt es sich um einen eklatanten Verstoß gegen die Programmrichtlinien des Rundfunkstaatsvertrages, also gegen geltendes Recht. Paragraph 11 Absatz 2 lautet: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

Saakaschwili, nach der sogenannten Rosenrevolution von 2004 bis 2013 Präsident Georgiens, ist ein durch und durch korrupter Günstling der US-Regierung ohne demokratische Legitimation. Im Mai 2015 gab es Meldungen, daß der nicht minder umstrittene ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko den georgischen Ex-Präsidenten, seinen ehemaligen Studienfreund, zum Gouverneur der Region Odessa ernannt hat, nachdem dieser kurz zuvor eingebürgert worden war. Gehälter einiger seiner Mitarbeiter werden von den USA bezahlt, wie deren Botschafter zugab (Nina Jeglinski, „Der Tagesspiegel“, 19. 7. 2015). Gegen Saakaschwili, der seit 2013 in den USA lebte, gute Kontakte ins Weiße Haus pflegte und für eine „effektive Militärhilfe“ zugunsten der Ukraine warb, liegt in Georgien ein Haftbefehl wegen Amtsmißbrauchs vor. Er stand auch auf der Fahndungsliste von Interpol.

Der neue Gouverneur ernannte dann nach einem Treffen mit US-Botschafter Geoffrey Pyatt, der sich seinerzeit mit der EU-Beauftragten des US-Außenministers, Victoria Nuland, über die Einsetzung des Oligarchen Arsenij Jazenjuk als Ministerpräsident abgesprochen hatte (Albrecht Müller, nachdenkseiten.de, 19. 2. 2014), die 25jährige Schauspielerin Julia Maruschewska zu seiner Stellvertreterin. Die Maidan-Aktivistin war durch ein angeblich von ihr selbst produziertes Video „Ich bin eine Ukrainerin“ bekannt geworden. Der Clip, der es auf über 8,5 Millionen Klicks brachte, zeigt die junge Frau auf dem Maidan-Platz, wie sie sehr emotional zum Widerstand gegen die Regierung Janukowitsch aufruft und um Unterstützung der Demonstranten durch „den Westen“ wirbt. Allerdings wurde später berichtet, daß der Clip, der intensiv von CNN verbreitet wurde, unter maßgeblicher Beteiligung des Hollywood-Produzenten Ben Moses und der US-Stiftung National Endowment for Democracy zustande kam (Deborah Stambler, Huffingtonpost, 15.4.2014), also eine PR-Aktion war.

Dies zur angeblichen Seriosität von Micheil Saakaschwili.

Zweifellos ist es dringend geboten, in der Ukraine die Korruption zu bekämpfen. Daß sich jedoch der schwer belastete georgische Ex-Präsident dafür stark machen will, ist ein Witz. Ohnehin dürfte es schwierig sein, unter den derzeit führenden Politikern der Ukraine auch nur eine integre Persönlichkeit zu finden. Wie es in dieser Kaste zugeht, illustriert eine Auseinandersetzung, die sich Mitte Dezember 2015 während einer Sitzung des Nationalen Reformrates zutrug. Da nannte Innenminister Asen Awakow, der 2012 wegen Amtsmißbrauchs unter Anklage stand und ins Ausland flüchtete, den Neubürger Saakaschwili einen „korrupten Gouverneur“, „Dieb“, „Abschaum“, „Bastard“, „verfickten Zirkusartisten“, „Hurensohn“ und „Dummschwätzer“ (Ralph Hartmann, „Ossietzky“ Nr. 3/2016). Saakaschwili bezichtigte Awakow im Gegenzug des Diebstahls und der Korruption, worauf der Innenminister ein gefülltes Wasserglas auf seinen Kontrahenten warf und ihn aufforderte, das Land zu verlassen. Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk bezeichnete Saakaschwili in diesem Disput als „Gastartisten“ und „Klatschmaul“ (Gunnar Jeschke, „der Freitag“ v. 20. 12. 2015).

Dieses Wortgefecht zwischen kriminellen Politikern wirft ein Schlaglicht auf die desolaten Zustände in der heutigen Ukraine, in der Bürgerkrieg herrscht, Faschisten im Parlament sitzen und Oppositionspolitiker ermordet werden. Eine Schande für den Bayerischen Rundfunk, einen Kriminellen wie Micheil Saakaschwili als Leuchte der Demokratie in der Ukraine dargestellt zu haben. Allerdings paßt das in die augenblickliche Medienlandschaft, in der nicht wenige Journalisten mit Unterstützung leitender Redakteure agieren, die entweder ferngesteuert oder ideologisch befangen sind.