RotFuchs 227 – Dezember 2016

Kritische Anmerkungen zu einem Lexikon

Spanienfreiwillige aus Baden

Brigitte und Gerhard Brändle

Die Veröffentlichung von „Sie werden nicht durchkommen“ (Bd. 1), herausgegeben von Werner Abel und Enrico Hilbert, hätte eine Lücke in der Erforschung des antifaschistischen Widerstands und des Internationalismus in der Zeit der Nazi-Barbarei schließen können. Die Fortschreibung bzw. Ergänzung der bisherigen Forschungen von Gottfried Hamacher u. a. und vom Verband DRAFD über Spanienfreiwillige aus Nazi-Deutschland war geboten, erfüllt jedoch nicht die wissenschaftlichen Standards, die u. a. nach den biographischen Lexika von Huber/Hug (2009) und Landauer (2003) bzw. des Spanienarchivs des DÖW (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes) über die Schweizer bzw. österreichischen Spanienfreiwilligen zu erwarten sind. Zudem leidet die Veröffentlichung unter einer Reihe von Schwächen. Wir beschränken unsere Anmerkungen auf die Kurzbiographien von Spanienfreiwilligen aus Baden, deren Lebenswege wir größtenteils erforscht haben.

Leider sind die Daten in den von Abel und Hilbert vorgelegten Kurzbiographien nicht nachvollziehbar, da keine Quellen genannt sind. Aufgrund unserer Recherchen bezüglich der Spanienfreiwilligen aus unserer Region müssen wir feststellen, daß wesentliche Quellen nicht erschlossen wurden: Für fast die Hälfte der von uns dokumentierten über 80 Spanienfreiwilligen liegen Wiedergutmachungsakten im Staatsarchiv Freiburg bzw. im Generallandesarchiv Karlsruhe, aus ihnen ergibt sich u. a., daß Anton Mattes eben nicht in Spanien war. Weitere Akten sind bei den Stadtarchiven Freiburg und Karlsruhe aufbewahrt; bei Fritz Salm und Matthias/Weber wären wesentliche Angaben für die über 30 Spanienfreiwilligen aus dem Großraum Mannheim/Heidelberg zu finden gewesen. Im „Heimatgeschichtlichen Wegweiser“ des Studienkreises Deutscher Widerstand sind etliche – leider hier fehlende – Einzelangaben enthalten, obwohl der Studienkreis in der summarischen Quellenangabe aufgeführt ist. Ebenso fehlen die in Henri Büttner über Freiburg und bei Armin Bannwarth über Südbaden Genannten. Die von Huber dokumentierten Spanienfreiwilligen aus der Schweiz, die aus Baden stammen, fehlen größtenteils. Daß diese Veröffentlichungen nicht ausgewertet wurden, erklärt, daß zehn der Spanienfreiwilligen aus Baden in der jetzt vorliegenden Liste nicht enthalten sind. Bei den über die von uns dokumentierten Spanienkämpferinnen und Spanienkämpfer hinaus aufgeführten acht Namen mit Bezug zu Baden fehlen Quellenangaben.

Bei fast allen Genannten fehlt ihre Beteiligung am Abwehrkampf, obwohl Angaben leicht erreichbar sind: Für viele Spanienfreiwillige ist nachweisbar, was sie in verschiedenen Zusammenhängen gegen die NSDAP und zum Schutz der Republik getan haben, sei es in der KPD, in der SAP, in der SPD, im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, in der Eisernen Front … Gleiches gilt für die Jahre bis 1936 in den illegalen Strukturen der genannten Parteien durch Weitergabe von Antinazi-Schriften, nächtliches Kleben oder Malen von Parolen, Grenzarbeit Richtung Frankreich und Schweiz zum Materialtransport und zur Rettung Gefährdeter aus dem „Reich“… Daß Interbrigadisten aus Baden bzw. Angaben über sie fehlen, die vor 1933 im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, in der Eisernen Front, der SPD bzw. der SAP aktiv waren, mag in der Nichtbeachtung verschiedener Quellen begründet sein. 

Bis 1936 waren von den über 80 uns bekannten Spanienfreiwilligen aus Baden 13 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ eingesperrt, 17 saßen ohne Anklage oder Urteil in „Schutzhaft“ in den schnell eingerichteten frühen Konzentrationslagern Kislau, Ankenbuck oder Heuberg. Über 30 Spanienfreiwillige hatten zwischen 1933 und 1936 ihre Heimat wegen drohender Verfolgung verlassen müssen. Ohne diese „Vorgeschichten“ ist nicht nachvollziehbar, warum Menschen sich entschlossen, 1936 nach Spanien zu gehen.

Zwar sollen die Kurzbiographien „persönliche Elemente“ und die „berufliche Entwicklung vor und nach Spanien“ enthalten, also sich auf „individuelle Menschen“ konzentrieren – so die Ankündigung, leider bleiben aber die meisten Einträge blutleer; die Daten sind dürr. Es fehlen, obwohl vorhanden oder leicht erreichbar, Angaben zu den Lebensorten, zum Familienstand, zu Ehefrauen bzw. -männern, zu Kindern, zu den Berufen vor Spanien und den Tätigkeiten nach der Befreiung 1945.

Bei den Spanienfreiwilligen, die aus jüdischen Familien stammten, fehlt eben diese Angabe: Nur bei Carl Einstein ist sie vermerkt, bei Edgar Ginsberger, Hermann Hertz – sein Name fehlt –, bei Edgar und Gretel Linick ist „jüdisch“ entfallen, auch bei Kurt-Hans Steiner, obwohl bekannt bzw. erforschbar: Statt deutlich zu machen, daß Juden bzw. Menschen mit jüdischem Familienhintergrund gegen die Nazis – auch mit der Waffe in der Hand – gekämpft haben, bleibt diese Seite des auf lokaler und regionaler Ebene nur ansatzweise erforschten jüdischen Abwehrkampfes ausgeblendet.

Bei den Angaben zu den Lebenswegen zwischen 1939 und 1945 klaffen Lücken: Bei etlichen fehlen die Internierungen in Lagern wie Gurs, im Straflager Le Vernet und/oder die Verschleppung in Gefängnisse und Konzentrationslager im „Reich“ ganz so, als ob sie 1939 Spanien verlassen und sich 1945 einfach wieder zu Hause eingefunden hätten – obwohl die Fehlstellen leicht zu füllen gewesen wären: Etliche Biographien brechen einfach ab: Josef Arzner, Richard Durban, Alfred Kirchner, Fritz Koch, Ludwig/Louis Schneider, Eugen Seidt …, obwohl weitere Angaben vorhanden sind. Bei Spanienfreiwilligen, die nach der Flucht in die Schweiz dort als „unerwünschte Ausländer“ in Lagern wie Bassecourt oder Möhlin interniert wurden, sucht man diese Angabe vergeblich – obwohl die entsprechenden Unterlagen vorliegen.

Aus unzureichender Recherche rührt die Angabe, Margarete/Gretel Linick sei die Ehefrau von Edgar Linick gewesen. Ein Blick in die Wiedergutmachungsakte ihres Vaters David hätte genügt um festzustellen, daß Edgar und Gretel Geschwister waren. Schlimmer noch: Bei Gretel Linick fehlen die Internierungen in den Lagern Gurs und Rivesaltes und ihre Deportation über das Transit-Lager Drancy am 16. 9. 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz. Auch die Schicksale von Edgar Ginsberger, ebenfalls aus einer jüdischen Familie, und Gustav Grywatsch fehlen. Daß Carl Einstein im Lager Gurs war, entspricht nicht dem Forschungsstand.

Nicht nachvollziehbar ist der Sinn von Formulierungen wie „stellte sich an die Seite der Spanischen Republik … stand an der Seite der Spanischen Republik“: Was haben Arzner oder Birk da gemacht? Zugeschaut, während Baumann, Bürger, Dallinger, Durban u. a. „kämpften“?

Diese Schwächen wären vermeidbar gewesen: Wir haben einem der Mitarbeiter der Veröffentlichung 2013 unsere damaligen Forschungsergebnisse angeboten, um so die nun vorliegende Veröffentlichung zu ergänzen. Im Gegenzug wünschten wir die Übermittlung der Namen der Spanienfreiwilligen aus Baden, auf die wir aufgrund unserer Recherchemöglichkeiten eventuell noch nicht gestoßen waren. Leider war dieser Austausch von Forschungsergebnissen im Hinblick auf die jetzt vorgelegte Veröffentlichung nicht gewollt – Ergebnis: siehe oben, wissenschaftlich unzulänglich und für weitere Forschungen kaum brauchbar.

Vielleicht ist eine Zusammenarbeit zur Wahrnehmung und – auch kritischen – Würdigung unserer Vorkämpferinnen und Vorkämpfer im Hinblick auf eine 2. Auflage oder eine Ergänzung möglich. An uns soll es nicht liegen, wir bieten unsere Mitarbeit an. Die uns bisher unbekannten Spanienfreiwilligen aus Baden sind Ansporn zu weiteren Recherchen.